Klagen über zu wenig Masken zum Schutz vor dem Coronavirus Von Bettina Grachtrup und Martin Oversohl, dpa

Die Zahl der Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus in
Baden-Württemberg nimmt zu, die Probleme mit dem Schutz scheinen das
ebenfalls zu tun. Hausärzte klagen über einen Mangel an Schutzmasken.
Die Opposition sieht Schwächen im Gesundheitssystem.

Stuttgart (dpa/lsw) - Die dünnen Overalls aus weißem Plastik erinnern
ein wenig an übergroße Tüten, der Mundschutz bedeckt das halbe
Gesicht. Mit den blauen Handschuhen greifen die Medizinerinnen in der
Corona-Ambulanz des Klinikums Stuttgart nach den Stäbchen für den
Abstrich, wenn sie ihre Patienten auf eine mutmaßliche Infektion hin
testen. Bislang wurden nach Angaben der Klinik mehr als 300 Menschen
in der separierten Anlaufstelle untersucht. Insgesamt hat die Zahl
der Infektionen in Baden-Württemberg mit dem neuartigen Coronavirus
am Mittwoch auf 50 zugenommen, darunter sind mindestens zwei Kinder.

Bei den jüngsten Infektionen geht es um eine 46 Jahre alte Frau aus
dem Main-Tauber-Kreis, die zuvor in Südtirol war, um einen 61 Jahre
alten Mann aus Ludwigsburg, der in Neapel in Italien war, und um eine
54 Jahre alte Frau aus Stuttgart, die aus Barcelona (Spanien)
zurückgekehrt war. Bei drei Fällen im Rhein-Neckar-Kreis handelt es
sich um einen 55-Jährigen, der zuvor Kontakt zu einer infizierten
Person hatte, um einen 36 Jahre alten Reiserückkehrer aus dem Iran
und um einen 55-Jährigen, der zuvor in Südtirol gewesen war.

Im Südwesten war die erste Infektion mit dem Virus am 25. Februar
bestätigt worden. Nach den Worten von Sozialminister Manne Lucha
(Grüne) zeigen die Patienten bislang milde Krankheitsverläufe.

Mit der schnell steigenden Zahl müssen sich Landesregierung und
Gesundheitsbehörden auch gegen zunehmende Kritik zur Wehr setzen.
Nach Ansicht der Opposition legt der Umgang mit dem Virus Schwächen
des Gesundheitssystems offen. Lucha mahnte im Landtag noch einmal zur
Besonnenheit. «Unsere Strategie lautet grundsätzlich: höchste
Aufmerksamkeit, höchste Achtsamkeit, aber kein Alarmismus.»

Das Land will die rund 84 Notfallpraxen für den Umgang mit dem
Coronavirus ausrüsten. Sie sollen rund um die Uhr als Anlaufstelle
für erkrankte Menschen und Verdachtsfälle dienen. In mehreren
Landkreisen ist dies bereits der Fall, andere sollen folgen. Um die
medizinische Betreuung zu gewährleisten, will die Landesärztekammer
pensionierte Ärzte anschreiben. Ziel ist es, möglichst viele
Mediziner zu reaktivieren, wie Lucha sagte. Ein Sprecher der
Ärztekammer teilte mit, die Schreiben würden seit Mittwoch an rund
6000 Ärzte außerhalb der Regelversorgung geschickt. Dabei gehe es
nicht nur um Pensionäre, sondern auch um andere Ärzte, die derzeit
nicht tätig seien, wie zum Beispiel solche in Elternzeit.

Der Landeshausärzteverband zeigte sich skeptisch: «Das wird sicher
der eine oder andere machen», sagte Verbandssprecher Manfred King.
«Aber das Land muss auch die logistischen Fragen klären. Wo zum
Beispiel werden diese ehemaligen Ärzte eingesetzt? Sie haben ja ihre
Praxen verkauft oder an den Nachfolger vergeben.» Verbandsmitglieder
hätten sich zudem beklagt, sie hätten keine Schutzmasken mehr zur
Hand, es seien auch auf eigene Kosten keine mehr zu erhalten.

«Wir merken, an manchen Stellen ist unser Gesundheitssystem nicht
optimal aufgestellt», kritisierte auch der SPD-Fraktionschef Andreas
Stoch im Landtag. Zu denken geben solle etwa, wenn Arztpraxen schon
jetzt fragten, was sie tun sollten, wenn ihnen die Schutzkleidung
ausgehe. Manche europäische Nachbarländer hätten auch ein
leistungsfähigeres Netz an Infektionsstationen in Kliniken.

Auch die Hotline des Landesgesundheitsamtes sowie vieler örtlicher
Gesundheitsämter sind angesichts der Anrufe besorgter möglicher
Patienten überlastet.

Die Eisenbahnunternehmen im Südwesten verschärfen nach Angaben des
Landesverkehrsministeriums die Desinfektionsmaßnahmen in den
Nahverkehrszügen. So würden Handgriffe und Toiletten jetzt mit
speziellen Desinfektionsmitteln gereinigt. Man bereite sich auch
darauf vor, dass vermehrt Mitarbeiter von Zugunternehmen wegen
Krankheit zu Hause blieben. Im Krisenfall sollen zuerst die Fahrpläne
ausgedünnt werden, bevor ganze Strecken nicht mehr befahren werden.

Zum Schutz vor Ansteckungen hat das Justizministerium die
Besuchszeiten in den Gefängnissen eingeschränkt. Nach einem jetzt
fertiggestellten Erlass dürften Häftlinge ab sofort im Monat nur noch
eine Stunde im Monat Besuch haben, berichteten «Mannheimer Morgen»
und «Heilbronner Stimme» (Donnerstag).

Auf den Zeitplan der milliardenschweren Opernsanierung könnte sich
das Virus ebenfalls auswirken. Zumindest wird das für diesen Freitag
geplante Bürgerforum zur milliardenteuren Sanierung des Stuttgarter
Opernhauses auf unbestimmte Zeit verschoben. Zahlreiche Teilnehmer
haben Angst vor dem Coronavirus und meiden Gruppenversammlungen. «Es
hat sich fast die Hälfte der 40 zufällig ausgewählten Bürger für
das
Forum wegen Krankheit oder aus Sorge vor einer Ansteckung mit dem
Virus abgemeldet», sagte ein Sprecher der Landesregierung.

Nach den Plänen von Stadt und Land könnten die Sanierung der Oper und
der Bau eines Übergangsgebäudes mehr als eine Milliarde Euro kosten.
Ziel des nun verlegten Forums war es eigentlich, der Politik eine
Empfehlung zur Sanierung ohne bindende Wirkung zu übergeben.

Eine Entscheidung über das Mitte April angesetzte traditionelle
Frühlingsfest auf dem Cannstatter Wasen ist nach Angaben der Stadt
Stuttgart noch nicht gefallen. Weltweit sind viele Veranstaltungen
wegen des Risikos von Ansteckungen abgesagt oder verlegt worden.

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