Spahn: Wegen Coronavirus Großveranstaltungen absagen

Das neue Coronavirus stellt Italien vor eine nationale Notlage, so
die Warnung der Regierung. Millionen sind von neuen, drastischen
Anordnungen betroffen. Und auch in Deutschland ermuntert
Gesundheitsminister Spahn, beherzter vorzugehen.

Berlin/Rom (dpa) - Wegen der schnellen Ausbreitung des neuen
Coronavirus in Deutschland empfiehlt Gesundheitsminister Jens Spahn,
Veranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern vorerst abzusagen.
Zurzeit geschehe dies aus seiner Sicht noch zu zaghaft, sagte der
CDU-Politiker am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. «Angesichts
der dynamischen Entwicklung der letzten Tage sollte das schnell
geändert werden.» Von solchen Absagen betroffen könnten unter anderem

Sportveranstaltungen, Messen und Konzerte. In Italien schränkte die
Regierung die Bewegungsfreiheit von rund 16 Millionen Bürgern im
Norden drastisch ein: Die Menschen in der Lombardei und 14 anderen
Provinzen dürfen nur noch mit triftigem Grund aus den Zonen hinaus
oder in sie hinein.

Spahn sagte, oberstes Ziel sei es, die Ausbreitung der Krankheit zu
verlangsamen. «Denn je langsamer sich das Virus verbreitet, desto
besser kann unser Gesundheitssystem damit umgehen.»

Zum Thema Großveranstaltungen sagte Spahn: «Nach zahlreichen
Gesprächen mit Verantwortlichen ermuntere ich ausdrücklich,
Veranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern bis auf weiteres
abzusagen.» Weiter sagte Spahn: «Ich bin mir bewusst, welche Folgen
das für Bürgerinnen und Bürger oder Veranstalter hat.» Darüber we
rde
in den nächsten Tagen gesprochen. Klar sei aber, dass die Gesundheit
vorgehe.

Weiter sagte Spahn: «Ich ermuntere auch jeden Einzelnen: Wägen Sie
ab, was Ihnen im eigenen Alltag so wichtig ist, dass Sie darauf in
den nächsten zwei bis drei Monaten nicht verzichten wollen - sei es
der Clubbesuch, die Geburtstagsfeier im familiären Kreis oder die
Vereinssitzung.» Er vertraue darauf, dass die Bürger in diesen Zeiten
kluge Entscheidungen für sich und ihre Liebsten träfen. «Denn wir
schützen mit dieser Vorsicht vor allem unsere älteren und chronisch
kranken Mitbürger.»

Das Coronavirus Sars-CoV-2 breitet sich auch in Deutschland weiter
aus. Beim RKI waren bis zum Sonntagmorgen 847 Infektionen erfasst.
Das sind rund 50 Fälle mehr als am Vortag und mehr als zehnmal so
viele wie noch eine Woche zuvor. Die weitaus meisten Fälle bundesweit
verzeichnen Nordrhein-Westfalen (392), gefolgt von Baden-Württemberg
(182) und Bayern (148).

Weltweit haben sich inzwischen mehr als 106 000 Menschen mit dem
neuen Coronavirus infiziert. Eine schützende Impfung oder eine
spezielle Therapie zur Behandlung der Erkrankung Covid-19 gibt es
nicht. Die meisten Infizierten haben nur eine leichte
Erkältungssymptomatik mit Frösteln und Halsschmerzen, die binnen
weniger Tage verschwindet, oder gar keine Symptome.

Von den drastischen Anordnungen in Italien, die zunächst bis zum 3.
April gelten, sind unter anderem Mailand und Venedig betroffen.
Unklar war am Sonntag noch, wie streng die Abriegelung ist:
Regierungschef Giuseppe Conte sagte auch, es gebe keinen Stopp für
Flüge und Züge und es handle sich auch nicht um «rote Zonen». Aber

eine Fahrt müsse einen Grund haben, die Polizei könne Menschen
anhalten und nachfragen. «Wir stehen vor einer nationalen Notlage»,
sagte der Regierungschef. Von den Sperrungen sind neben der
Lombardei, dem wirtschaftlichen Herz Italiens, auch Städte wie Parma,
Modena oder Padua betroffen.

Conte bestätigte überdies weitreichende Verbote, die für das ganze
Land gelten. Alle Kinos, Theater, Museen, Sportclubs, Demonstrationen
und viele andere Veranstaltungen müssen schließen oder fallen aus.

Italien ist der Staat in Europa mit den meisten bestätigten
Sars-CoV-2-Infektionen. Die Zahl der Infizierten und Toten steigt
trotz umfangreicher Gegenmaßnahmen stetig an. Bis Samstag zählten die
Behörden 5883 Menschen mit einer Infektion. 233 Menschen davon sind
gestorben. Am stärksten betroffen ist die Lombardei, gefolgt von der
Emilia-Romagna und Venetien.

Der tschechische Ministerpräsident Andrej Babis fordert die Regierung
in Rom auf, zum Schutz vor einer Ausbreitung den Italiener Reisen ins
EU-Ausland zu verbieten. Weiter sagte er dem tschechischen
Fernsehsender CT, zumindest aber könnte Conte seine Bürger
auffordern, nicht in andere EU-Länder zu reisen.

Der wirtschaftliche Schaden der Coronavirus-Epidemie für den
Luftverkehr in Deutschland wird nach Einschätzung des
Branchenverbandes BDL größere Ausmaße haben als frühere Krisen, wie

Hauptgeschäftsführer Matthias von Randow sagte. Auch der Reiseverband
DRV verwies auf einen Umsatzeinbruch. Sowohl die Luftfahrt- als auch
die Reisebranche pochen auf rasche Staatshilfen, etwa der
vereinfachte Einsatz von Kurzarbeit. Die allermeisten Firmen
hierzulande leiden unter den Folgen des neuartigen Virus: Jedes
zweite Unternehmen erwartet 2020 nach einer Umfrage des Industrie-
und Handelskammertags einen Umsatzrückgang.

Über Hilfen für betroffene Firmen wollte am Abend im Kanzleramt der
schwarz-rote Koalitionsausschuss beraten. Es zeichneten sich eine
frühere Abschaffung des Solidaritätszuschlags und eine Ausweitung der
Kurzarbeit ab.

Angesichts von Hamsterkäufen in Deutschland mahnen die Behörden
weiter zu Besonnenheit. Michael Willms, zuständig für
Bevölkerungsschutz im baden-württembergischen Innenministerium,
sagte: «Angesichts von Corona macht es überhaupt keinen Sinn,
irgendwelche Lagerbestände anzuschaffen.» Bilder von leeren
Supermarktregalen suggerierten möglicherweise Versorgungsengpässe.
«Die gibt es aber de facto nicht.»

Deutlich zurück ging die Zahl neuer Infektionen in China. Seit dem
Vortag kamen am Sonntag nur noch landesweit 44 Fälle hinzu - der
geringste Wert seit Wochen. Seit Ausbruch des Coronavirus wurden in
China mehr als 80 000 Infektionen registriert, von denen bislang rund
57 000 geheilt wurden.

Chinas Außenhandel ging vor dem Hintergrund der Coronavirus-Epidemie
stark zurück. Insgesamt schrumpfte der Außenhandel im Januar und
Februar um elf Prozent im Vergleich zu den ersten zwei Monaten des
Vorjahres.

Beim Einsturz eines als Quarantäne-Unterkunft genutzten Hotels in der
chinesischen Küstenstadt Quanzhou kamen mindestens zehn Menschen ums
Leben. 23 Menschen wurden noch vermisst, berichtete der Staatssender
CCTV. Nach dem Einsturz am Samstag wurden demnach 38 Menschen aus den
Trümmern gerettet. Die Rettungsarbeiten mit Hunderten Einsatzkräften
dauerten am Sonntag noch an.

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