Spahn wegen Covid-19: Großveranstaltungen absagen - Deutscher tot

Die Covid-19-Epidemie stellt Italien vor eine nationale Notlage, wie
die dortige Regierung warnt. Sie gibt neue drastische Anweisungen. In
Deutschland ermuntert der Gesundheitsminister, beherzter vorzugehen.
Erstmals stirbt ein Deutscher an der Lungenerkrankung.

Berlin/Rom (dpa) - Erstmals ist ein deutscher Staatsbürger
nachweislich an der neuartigen Lungenerkrankung Covid-19 gestorben.
Der 60-Jährige sei vor einer Woche nach Ägypten gereist, teilte das
ägyptische Gesundheitsministerium mit. Der Mann sei aus Luxor nach
Hurghada gereist, hieß es. Nach seiner Ankunft habe er erhöhte
Temperatur gehabt und sei im Krankenhaus positiv auf den Erreger
Sars-CoV-2, der die Lungenerkrankung auslösen kann, getestet worden.
Sein Zustand habe sich zunehmend verschlechtert, am Sonntag sei er
gestorben. Aus welchem Bundesland der Mann stammte, war zunächst
unklar.

Wegen der schnellen Ausbreitung des neuen Coronavirus Sars-CoV-2 in
Deutschland empfiehlt Gesundheitsminister Jens Spahn, Veranstaltungen
mit mehr als 1000 Teilnehmern vorerst abzusagen. Zurzeit geschehe
dies aus seiner Sicht noch zu zaghaft, sagte der CDU-Politiker am
Sonntag. «Angesichts der dynamischen Entwicklung der letzten Tage
sollte das schnell geändert werden.» Von solchen Absagen betroffen
sein könnten unter anderem Sportveranstaltungen, Messen und Konzerte.
Oberstes Ziel sei es, die Ausbreitung der Krankheit zu verlangsamen.
«Denn je langsamer sich das Virus verbreitet, desto besser kann unser
Gesundheitssystem damit umgehen.»

Der Weltärztebund begrüßte die Empfehlung als «völlig richtig».
«Man
kann nicht Fußballspiele mit 35 000 Besuchern stattfinden lassen, als
wäre nichts geschehen», sagte Frank Ulrich Montgomery, Chef des
Weltärztebundes, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND, Montag).
Wenn man wirklich daran interessiert sei, den Erreger einzudämmen,
müsse man dazu raten, solche Veranstaltungen abzusagen und sie nicht
zu besuchen, so Montgomery weiter.

Die Entscheidung über Absagen obliegt weiter den regionalen Behörden.
«Solange uns die Behörden nicht vorschreiben, die Shows abzusagen,
werden wir daran festhalten», sagte ein Sprecher des
Konzertveranstalters Hannover Concerts. Die Fußball-Bundesliga will
ihre Saison trotz möglicher Geisterspiele wie geplant bis Mitte Mai
zu Ende bringen. Die Clubs würden sich mit den zuständigen Behörden
an den jeweiligen Standorten wie bisher eng hinsichtlich des Ablaufs
weiterer Spieltage abstimmen, erklärte Geschäftsführer Christian
Seifert in einer Mitteilung der Deutschen Fußball Liga vom Sonntag.
Vom Gesundheitsministerium in Bayern hieß es, man unterstütze die
Empfehlung Spahns. Den Veranstaltern und zuständigen lokalen Behörden
werde zu solchen Absagen geraten, so Ministerin Melanie Huml (CSU).

Noch härter als bisher schon greift die Regierung in Italien im Kampf
gegen die rasant fortschreitende Covid-19-Epidemie im Land durch. Ein
großer Teil des Nordens wurde zur Sperrzone erklärt - Chaos war die
Folge. 16 Millionen Menschen in der Region Lombardei mit der
Metropole Mailand und in Städten wie Venedig oder Parma dürfen nur
noch bei triftigen Gründen aus der Gegend hinaus oder in sie hinein,
wie Ministerpräsident Giuseppe Conte sagte. «Wir stehen vor einer
nationalen Notlage.» Die Regierung erklärte, Touristen in der
Sperrzone könnten ausreisen und sollten das direkt tun.

Conte bestätigte auch weitreichende Verbote für das ganze Land. Alle
Kinos, Theater, Museen, Sportclubs, Demonstrationen und viele andere
Veranstaltungen müssen schließen oder fallen aus. Sehenswürdigkeiten

wie das Kolosseum und die Vatikanischen Museen sind bis auf Weiteres
geschlossen. Das traditionelle Angelusgebet von Papst Franziskus gibt
es nur noch als Videoübertragung. «Wir haben zwei Ziele: Die
Ausweitung der Ansteckung einzudämmen und eine Überlastung der
Krankenhauseinrichtungen zu vermeiden», so Conte.

Italien ist der Staat in Europa mit den meisten bestätigten
Sars-CoV-2-Infektionen. Bis Samstag zählten die Behörden 5883
Menschen mit einer nachgewiesenen Infektion. Mehr als 230 von ihnen
sind gestorben. Die neuen Ankündigungen der Regierung dürften den
Alltag der insgesamt rund 60 Millionen Bürger weiter verändern,
nachdem die bisherigen Maßnahmen wie landesweite Schulschließungen
bereits viele tagtäglich treffen.

Spahn sagte am Sonntag zum Thema Großveranstaltungen: «Nach
zahlreichen Gesprächen mit Verantwortlichen ermuntere ich
ausdrücklich, Veranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern bis auf
weiteres abzusagen.» Er sei sich bewusst, welche Folgen das für
Bürgerinnen und Bürger oder Veranstalter habe. Klar sei aber, dass
die Gesundheit vorgehe. «Ich ermuntere auch jeden Einzelnen: Wägen
Sie ab, was Ihnen im eigenen Alltag so wichtig ist, dass Sie darauf
in den nächsten zwei bis drei Monaten nicht verzichten wollen - sei
es der Clubbesuch, die Geburtstagsfeier im familiären Kreis oder die
Vereinssitzung.»

Wie in anderen Ländern Europas und weltweit breitet sich Sars-CoV-2
auch in Deutschland rasch aus. Beim Robert Koch-Institut (RKI) waren
bis zum Sonntagnachmittag 902 Infektionen erfasst, wobei nicht alle
Nachweise aus den Bundesländern dort bereits registriert sind. Die
weitaus meisten Fälle bundesweit verzeichnen derzeit
Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern.

Weltweit haben sich inzwischen mehr als 107 000 Menschen nachweislich
mit dem neuen Coronavirus infiziert, die Dunkelziffer liegt Experten
zufolge wesentlich höher. Eine schützende Impfung oder eine spezielle
Therapie zur Behandlung der Erkrankung Covid-19 gibt es nicht. Die
meisten Infizierten haben nur eine leichte Erkältungssymptomatik mit
Frösteln und Halsschmerzen, die binnen weniger Tage verschwindet,
oder gar keine Symptome. Etwa 15 von 100 Infizierten erkranken
schwer, betroffen sind vor allem ältere Menschen oder solche mit
Vorerkrankungen.

Behörden in vielen Ländern erlassen derzeit Maßnahmen wie
Schulschließungen und eine Quarantäne für Verdachtsfälle. Das
passiert nicht, weil es sich bei Covid-19 um eine besonders
gefährliche Erkrankung handelt, sondern um eine ungebremste
Infektionswelle zu vermeiden, die unter anderem das Gesundheitssystem
überlasten würde. Ziel ist, die Ausbreitung über einen möglichst
langen Zeitraum zu strecken. In etwa einem Jahr könnte es eine
schützende Impfung gegen den neuen Erreger geben.

Der wirtschaftliche Schaden der Coronavirus-Epidemie für den
Luftverkehr in Deutschland wird nach Einschätzung des
Branchenverbandes BDL größere Ausmaße haben als frühere Krisen, wie

Hauptgeschäftsführer Matthias von Randow sagte. Auch der Reiseverband
DRV verwies auf einen Umsatzeinbruch. Sowohl die Luftfahrt- als auch
die Reisebranche pochen auf rasche Staatshilfen, etwa der
vereinfachte Einsatz von Kurzarbeit. Etliche Firmen hierzulande
leiden unter den Folgen der Covid-19-Pandemie: Jedes zweite
Unternehmen erwartet 2020 nach einer Umfrage des Industrie- und
Handelskammertags einen Umsatzrückgang.

Über Hilfen für betroffene Firmen wollte am Abend im Kanzleramt der
schwarz-rote Koalitionsausschuss beraten. Es zeichneten sich eine
frühere Abschaffung des Solidaritätszuschlags und eine Ausweitung der
Kurzarbeit ab.

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