Zweites Flüchtlingslager nahe Athen unter Corona-Quarantäne
Das Coronavirus hat nun auch Flüchtlingslager in Griechenland
erreicht. Allerdings noch nicht auf den Ägäis-Inseln, sondern in der
Nähe von Athen. EU-Innenkommissarin Johansson ist alarmiert.
Athen/Brüssel (dpa) - Das Coronavirus hat das zweite Flüchtlingslager
in Griechenland erreicht. Der Krisenstab in Athen stellte das Camp
von Malakasa rund 45 Kilometer nördlich der griechischen Hauptstadt
für zwei Wochen unter Quarantäne, wie Migrationsminister Notis
Mitarakis am Sonntag im Staatsradio mitteilte. Dort leben etwa 1800
Menschen. Demnach wurde ein 53 Jahre alter Migrant aus Afghanistan
positiv auf das Virus getestet. Seit vergangener Woche steht bereits
das Lager von Ritsona rund 75 Kilometer nördlich von Athen unter
Quarantäne - dort leben rund 3000 Menschen. Eine Frau aus dem Camp
war nach der Geburt ihres Kindes in einem Krankenhaus in Athen
positiv getestet worden.
In griechischen Lagern leben nach Angaben des Migrationsministers
insgesamt rund 100 000 Menschen, etwa 40 000 davon harren auf den
Inseln im Osten der Ägäis aus. Mitarakis versicherte in einem
Interview des Nachrichtensenders Skai: «Wir wenden - wie alle anderen
Staaten - die geeigneten Maßnahmen an.» Bei Feststellung einer
Infektion werde das Camp unter Quarantäne gestellt. In allen Lagern
gelten bereits seit Wochen Ausgangsbeschränkungen. Es seien spezielle
Container mit Isolierstationen eingerichtet worden, versicherte der
Minister.
EU-Innenkommissarin Ylva Johansson äußerte sich besorgt über die Lage
in den Flüchtlingslagern auf den Ägäis-Inseln. «Wir haben mit
Griechenland einen Notfall-Aktionsplan erarbeitet, den die
griechischen Behörden jetzt Schritt für Schritt umsetzen müssen. Er
sieht vor, dass die verletzlichsten Personen aus den Camps geholt
werden - und zwar jetzt, sofort», sagte die EU-Kommissarin dem
Nachrichtenmagazin «Der Spiegel». Alte und kranke Menschen sollten
entweder in leere Hotels auf den Inseln oder auf das griechische
Festland gebracht werden.
Die Linken-Bundestagsabgeordnete Sylvia Gabelmann forderte Berlin und
Brüssel zum Handeln auf. Die völlig überfüllten Lager auf den
griechischen Inseln sollten evakuiert werden. Sollte sich das
Coronavirus in den Hütten und Zelten dort ausbreiten, könnte dies für
Tausende Menschen den Tod bedeuten, erklärte Gabelmann. «Die
menschenverachtende Ignoranz der EU - und allen voran der deutschen
Bundesregierung - ist unerträglich und stellt nichts anderes als eine
unterlassene Hilfeleistung dar», kritisierte die
nordrhein-westfälische Politikerin.
Deutschland und einige andere EU-Staaten hatten sich bereit erklärt,
mindestens 1600 unbegleitete Kinder und andere Migranten aus den
völlig überfüllten Lagern auf den Ägäis-Inseln aufzunehmen. Ein
Sprecher von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) versicherte
Ende März, dass Deutschland trotz der Corona-Krise dazu stehe.
Der Deutsche Caritasverband mahnte schnelles Handeln in den
griechischen Lagern an. Griechenland-Referent Gernot Krauß sagte zum
Angebot Deutschlands und anderer Länder: «Dieser Ankündigung müssen
jetzt Taten folgen. Aus humanitärer Sicht wäre zudem eine
Rettungsaktion für die rund 200 im Lager befindlichen alten Menschen,
für die das Coronavirus erheblich gefährlicher ist, dringlicher. Über
die spricht jedoch niemand.» Caritas international, das Hilfswerk des
Deutschen Caritasverbands, ist nach eigenen Angaben weltweit mit 166
lokalen Caritasverbänden verbunden.
In Griechenland mit einer Bevölkerung von rund 10,8 Millionen
Menschen sind bis Sonntagmittag 70 Menschen an der vom neuartigen
Coronavirus ausgelösten Lungenkrankheit Covid-19 gestorben.
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