Vorerst letzter Flug der «Corona-Luftbrücke» gelandet Von Michael Fischer, dpa
Von Vanuatu in der Südsee über Kamerun in Afrika bis Barbados in der
Karibik: Aus allen Ecken dieser Welt hat die Bundesregierung in den
vergangenen Wochen deutsche Touristen nach Hause geholt. Jetzt ist
das meiste geschafft.
Berlin/Kapstadt (dpa) - Gut fünf Wochen nach Beginn ist die
Rückholaktion für die im Ausland wegen der Corona-Pandemie
gestrandeten Deutschen zum größten Teil abgeschlossen. Die vorerst
letzte der von der Bundesregierung für die «Luftbrücke» gecharterte
n
Maschinen landete am Freitag mit 157 Passagieren aus dem
südafrikanischen Kapstadt in Frankfurt am Main. Insgesamt kehrten
damit im Zuge der größten Rückholaktion in der Geschichte der
Bundesrepublik 240 000 Reisende nach Hause zurück. Die deutschen
Botschaften weltweit kümmern sich jetzt aber in einer zweiten Phase
der Aktion weiter um die noch verbliebenen Einzelfälle.
«Wir wissen: Das wird nicht immer einfach sein, und wir werden
vielleicht nicht für jeden Fall gleich eine Lösung parat haben»,
sagte Außenminister Heiko Maas der Deutschen Presse-Agentur. «Aber
unsere Botschaften und Konsulate kümmern sich jetzt mit frischer
Kraft, freigewordenen Kapazitäten und viel Pragmatismus darum, auch
für diese Leute Rückkehrmöglichkeiten zu schaffen.» Maas sprach von
«mehreren Hundert» Personen, die jetzt noch im Ausland auf ihre
Rückkehr warteten.
Er hatte die Aktion am 17. März zusammen mit Reiseveranstaltern und
Fluggesellschaften gestartet, nachdem viele Länder kurzfristig
Grenzen geschlossen und Flugverbindungen gekappt hatten. Das
Auswärtige Amt charterte auch selbst Maschinen, die 260 Flüge
absolvierten und rund 66 000 Personen aus 65 Ländern zurückbrachten.
AUSWÄRTIGES AMT ALS LETZTES REISEBÜRO IN DEUTSCHLAND
Das Ausmaß der Aktion war deutlich größer als anfangs erwartet. «Di
e
ersten Zahlen, die mir genannt worden sind, waren so 30 000. Das sind
dann stündlich mehr geworden», sagte Maas kürzlich in einem «Zeit
online»-Interview. Er habe sich zwischenzeitlich als «Chef des noch
einzigen offenen Reisebüros in Deutschland» gefühlt. Das Protokoll,
das sonst die Ministerreisen organisiert, wurde teilweise in das
Krisenreaktionszentrum integriert. Insgesamt waren mehr als 2000
Mitarbeiter des Auswärtigen Amts - ein Drittel der Belegschaft - mit
der Aktion beschäftigt. Maas sprach von einem «beispiellosen
Kraftakt».
EUROPÄISCHES GEMEINSCHAFTSPROJEKT
In den Chartermaschinen der Bundesregierung wurden auch 6100 Bürger
anderer EU-Staaten und 3300 Menschen aus weiteren Ländern
mitgenommen. Das gab es aber auch umgekehrt: Aus Haiti und Nepal
brachten beispielsweise französische Flugzeuge die deutschen
Touristen zurück. «Das ist wie auf einer Börse, ein Geben und
Nehmen», beschrieb der Krisenbeauftragte des Auswärtigen Amts, Frank
Hartmann, das Vorgehen einmal.
«LUFTBRÜCKE» BIS ANS ANDERE ENDE DER WELT
Der abgelegenste Ort, aus dem Deutsche zurückgeholt wurden, liegt
mehr als 16 000 Kilometer entfernt mitten im Südpazifik. Die
Cook-Inseln, ein Taucherparadies am anderen Ende der Welt. Von dort,
aus West-Samoa sowie aus den pazifischen Inselstaaten Vanuatu und
Tonga wurden mit zwei Flugzeugen 66 Deutsche sowie 34 EU-Bürger aus
anderen Ländern abgeholt. Deutlich mehr Deutsche hingen im
benachbarten Neuseeland zeitweise fest. Dort brach die Regierung die
Rückholaktion zwischenzeitlich ab, um zu klären, ob der Rücktransport
ohne Gefährdung für die eigene Bevölkerung gewährleistet werden kan
n.
Für 12 000 deutsche Touristen bedeutete das banges Warten. Nach einer
Intervention auf Ministerebene wurden die Flüge nach wenigen Tagen
wieder aufgenommen.
AUSGANGSSPERREN ALS HINDERNIS
Strikte Ausgangssperren im Kampf gegen das Coronavirus wie etwa in
Neuseeland, Südafrika, Indien, Kamerun oder Peru erschwerten die
Rückholaktion, weil es dort schon zur logistischen Herausforderung
wurde, die Touristen zum Flughafen zu bringen. Dann gab es noch
komplizierte Sonderfälle: In der Karibik planten Segler
zwischenzeitlich eine Atlantiküberquerung - bis zwei Flüge von
Barbados aus organisiert wurden.
RÜCKHOLFLÜGE HALFEN NICHT IMMER
Nicht für alle Reisenden sind aber Flüge eine Lösung. In Marokko
stauten sich beispielsweise zwischenzeitlich deutsche Wohnmobile an
der Grenze zur spanischen Exklave Ceuta, weil keine Fähren mehr
gingen. Bis heute haben es nicht alle zurück nach Deutschland
geschafft. Das Problem sei, dass viele Camper vereinzelt in kleineren
Orten bis zu 1000 Kilometer von der Küste entfernt festsäßen, sagte
eine Betroffene der Deutschen Presse-Agentur. Insgesamt seien rund
150 deutsche Camper betroffen, einige seien in der Oasenstadt Zagora
im Süden Marokkos, wo die Temperaturen inzwischen auf mehr als 35
Grad stiegen. Wegen der Ausgangsbeschränkungen seien die Orte von den
marokkanischen Behörden so gut wie abgeriegelt, und es sei nicht
möglich, den Hafen im Norden zu erreichen.
ZWEI FLÜGE IN PAKISTAN REICHTEN NICHT
Es wird also noch Arbeit für das Auswärtigen Amt und die Botschaften
geben. Ein weiteres Beispiel ist Pakistan: Von dort wurden vor drei
Wochen 650 Deutsche mit zwei Flügen zurückgeholt. Für das Auswärtig
e
Amt galt die Aktion dort zunächst als abgeschlossen. Es sind aber
immer noch Deutsche dort, für die jetzt nach kommerziellen Angeboten
gesucht wird. Ein Flug soll am Sonntag gehen, der aber wohl noch
nicht reichen wird.
ERST JETZT WIRD KASSIERT
Ein Thema hatte das Auswärtige Amt bisher zurückgestellt: die
Bezahlung der Flugtickets. Die Rückkehrer müssen sich an den Kosten
beteiligen. Wieviel sie bezahlen müssen, wurde bisher nicht
festgelegt. Wahrscheinlich ist ein Preis, der einem Economy-Ticket
entspricht.
WIEDERHOLUNG AUSGESCHLOSSEN
Eins steht fest: Eine solche Aktion soll es während der Corona-Krise
kein zweites Mal geben. Deswegen ist auch die Zurückhaltung des
Außenministers sehr groß, wenn er nach der Aufhebung der bisher bis
zum 3. Mai befristeten weltweiten Reisewarnung gefragt wird. Dazu
wird es wohl nur kommen, wenn sicher ist, dass die Urlauber auch
selbstständig zurückkehren können. «Wir können und wir wollen im
Sommer eine solche Aktion nicht noch einmal wiederholen», sagte Maas
am Freitag.
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