BayVGH: Verkaufsverbot für große Geschäfte verfassungswidrig

Klagen gegen die rigiden Einschränkungen in der Corona-Krise
beschäftigen bundesweit die Gerichte. Doch die sprechen ganz
unterschiedliche Urteile. Rechtlich ist die Lage unklar.

München (dpa/lby) - Bayerns höchstes Verwaltungsgericht hat das in
der Coronakrise verhängte Verkaufsverbot für große Geschäfte mit me
hr
als 800 Quadratmetern für verfassungswidrig erklärt. Die Richter
sehen es als Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des
Grundgesetzes. Das teilte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof
(BayVGH) in München am Montag mit. Doch ist die deutsche
Rechtsprechung in dieser Hinsicht gespalten: Die
Oberverwaltungsgerichte von Niedersachsen und dem Saarland erklärten
die 800-Quadratmeter-Verbote in separaten Entscheidungen für
rechtens.

Unmittelbare Konsequenzen hätte die Münchner Entscheidung aber nicht:
Das Gericht setzte die Vorschrift wegen der Pandemie-Notlage
«ausnahmsweise» nicht außer Kraft, wie es in der Mitteilung hieß.
Außerdem gilt die Vorschrift vorerst nur bis 3. Mai. Deswegen
beschränkte sich der 20. Senat darauf, die Unvereinbarkeit mit dem
Grundgesetz festzustellen.

In der Corona-Rechtsprechung gibt es bislang einen Flickenteppich,
wie am Beispiel der Nürnberger Modehauskette Wöhrl deutlich wird. Das
Unternehmen hat vor mehreren Verwaltungsgerichten geklagt, um eine
beschränkte Öffnung seiner Filialen mit 800 Quadratmetern Fläche
durchzusetzen. Vier Gerichte in Würzburg, München, Sigmaringen und
Bayreuth haben das bislang erlaubt, drei weitere in Ansbach, Augsburg
und Regensburg dagegen nicht.

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kündigte eine Korrektur der
bayerischen Vorschrift an. Größere Geschäfte sollen öffnen dürfen
,
wenn sie ihre Verkaufsfläche auf 800 Quadratmeter begrenzen, wie
Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) dem «Münchner Merkur» sagte.

Das Kabinett will die Vorschrift an diesem Dienstag entsprechend
ändern.

Rechtlich zuständig für die Einzelhandelsbeschränkungen ist das
Gesundheitsministerium, da es um den Infektionsschutz geht. «Ziel der
bisherigen Regelung war der Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor
Infektionsgefahren», sagte ein Sprecher. «Dieses Ziel werden wir auch
künftig verfolgen.»

FDP-Landtagsfraktionschef Martin Hagen kritisierte: «Die
800-Quadratmeter-Regel widerspricht sowohl dem gesunden
Menschenverstand als auch dem Grundgesetz». Die Regierung sollte
schnell zu einer klaren Linie finden - «sonst schwindet die Akzeptanz
der Bevölkerung für die Corona-Maßnahmen».

Der Verwaltungsgerichtshof rügte insbesondere die Ausnahme von der
800-Quadratmeter-Vorschrift für Buchhändler und Fahrradhändler - das

sei «aus infektionsschutzrechtlicher Sicht sachlich nicht
gerechtfertigt». Der Verwaltungsgerichtshof kritisiert, dass manche
Einzelhändler nur einen Kunden je 20 Quadratmeter Fläche in den Laden
lassen dürfen, andere aber nicht.

Geklagt hatte eine ungenannte Kaufhauskette mit Standorten in Bayern,
Berlin und Hamburg. Der Verwaltungsgerichtshof entschied vorläufig
über einen Antrag auf einstweilige Verfügung, das Urteil steht aus.
Ein Zeitpunkt dafür ist derzeit nicht absehbar.

«Wir finden die Regeln wettbewerbsverzerrend und willkürlich», sagte

Bernd Ohlmann, Sprecher des Handelsverbands Bayern. «Ein großes
Möbelhaus kann den Abstand zwischen den Kunden genauso gewährleisten
wie ein kleiner Einzelhändler.» Auch die teilweise unterschiedlichen
Vorschriften in verschiedenen Bundesländern ärgern den Einzelhandel:
«Letztendlich kocht jedes Land sein eigenes Süppchen», sagte Ohlmann.

Für die Unternehmen sei jeder einzelne Tag wichtig.