Volle Terminbücher, Mundschutz, Abstand: Friseure vor dem Neustart Von Dörthe Hein, dpa

Auf diese Lockerung warten viele Menschen schon sehnsüchtig: die
Wiedereröffnung der Friseure. Vom kommenden Montag an wird wieder
gewaschen, geschnitten, gefärbt und geföhnt. Die Bücher sind voll.

Bernburg/Wittenberg/Biederitz (dpa/sa) - «Die Kunden müssen damit
leben, sie tragen es teils mit Humor, teils mit Fassung.» Und nicht
nur die Frauen fieberten dem Friseurtermin nach sechs Wochen
geschlossener Salons entgegen. Bei den Männern sei es mindestens
genauso. Viele setzen schon das Basecap auf, weil es nicht mehr gehe,
sagte Erika Elsholz-Sachs, die seit 43 Jahren Friseurin ist. Die
Obermeisterin der Friseurinnung Magdeburg/Jerichower Land kennt ihre
Kunden genau. Von kommenden Montag an wird sie in Biederitz bei
Magdeburg wieder waschen, schneiden, färben und föhnen. Wie alle
Friseure ist sie vorbereitet auf ein ganz anderes Arbeiten als
bisher.

Damit das Geschäft weitergeht, müssen sich die knapp 2000
Friseur-Unternehmen in Sachsen-Anhalt an den Arbeitsschutzstandard
ihrer Berufsgenossenschaft halten. Der besagt: 1,50 Meter
Schutzabstand, nur die jeweilige Kundin und die zuständige
Beschäftigte dürfen sich einander weiter nähern. Markierungen oder
Absperrungen sollen die Bewegungsräume deutlich machen. Wartebereiche
und Spielecken werden genauso abgeschafft wie Zeitungen, der Kaffee
und das Wasser. Haare werden nur noch nass geschnitten, selbst bei
Kindern.

Um den nötigen Abstand im Friseursalon einzuhalten, gibt es je nach
den Räumlichkeiten weniger Arbeitsplätze als bisher. «Das ist hart,
wenn sie durch die Läden fahren und die Arbeitsplätze aus dem Verkehr
ziehen», sagt der Obermeister der Innung in Wittenberg, Hendrik
Hiller. Zehn Bedienplätze seien bei ihm weggefallen. Im Landkreis
betreibt Hiller vier Geschäfte mit 30 Mitarbeitern, eine Fußpflege
und einen Kosmetiksalon. Wie die anderen Friseure hat er seit dem 23.
März geschlossen. Seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter musste er in
Kurzarbeit schicken. Von Montag an werden sie in zwei Schichten alle
Hände voll zu tun haben. Bis zu vier oder sechs Wochen reichten die
Termine in den Büchern. Vielfach verlängern die Friseure ihre
Öffnungszeiten.

Die Maskenpflicht - bislang in Bussen, Bahnen und beim Einkaufen -
gilt dann auch für Friseure wie für Kunden. Ganz schön knifflig wird

es, wenn etwa die Haare hinter den Ohren geschnitten werden müssen,
sagt Obermeisterin Elsholz-Sachs. Das sei aber alles hinzubekommen.
Kreativität ist ohnehin gefragt. Die Bernburger Friseurmeisterin
Kathrin Bischoff denkt auch daran, Kundinnen mit der Farbe im Haar
bei gutem Wetter auf dem Hof oder in der großen Küche warten zu
lassen - alles, um den Abstand zu wahren. Schon für drei Wochen seien
die Termine ausgebucht, sagt die Einzelunternehmerin mit fünf
Angestellten.

«Die Masken nähe ich auch selber für die Kunden, die keinen
Mundschutz haben», sagt die Friseurin, die ihr Geschäft seit zwölf
Jahren betreibt. Einmal-Mundschutz sei zudem als Großbestellung über
die Innung besorgt worden - je nach Größe der Betriebsstätte soll
zugeteilt werden, sagt Bischoff. Man habe sich schon beizeiten
gekümmert um den Mundschutz. Auch der Wittenberger Friseur Hiller hat
nach eigenen Angaben rechtzeitig vorgesorgt bei Einmalumhängen und
Mundschutz.

Obermeisterin Erika Elsholz-Sachs aus Biederitz sieht die Ausstattung
und Organisation innerhalb der Salons gar nicht als das größte
Problem. Das sei aus ihrer Sicht die Kinderbetreuung der
Friseurinnen. «Wir haben viele junge Frauen, die für ihre Kinder eine
Notbetreuung brauchen.» Nach der aktuellen Landesverordnung hätten
sie keinen Anspruch darauf. An das Handwerk sei bislang nicht
gedacht.

Und auch wirtschaftlich hat die Branche massiv zu kämpfen. Sie sei
sehr, sehr gebeutelt. Und viele Betriebe seien existenziell bedroht,
sagt der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer
Halle, Jens Schumann. Anders als Gastronomen, für die ein
Außerhaus-Verkauf möglich sei, seien die Friseure seit sechs Wochen
dicht und gänzlich ohne Einnahmen. Nach der Einschätzung der
Handwerkskammer Magdeburg gibt es eine große Zahl von Klein- und
Kleinstbetrieben, bei denen kleinste Störungen der Betriebsabläufe
schon besonders negativ auf die Liquidität des Unternehmens
durchschlagen würden.

«Sie haben in aller Regel noch keine Gelder aus dem Soforthilfepaket
erhalten und können damit in einem nennenswerten Umfang auch nicht
rechnen», erklärte Hauptgeschäftsführer Burghard Grupe. «Sie sind
in
der derzeitigen Situation auf jede Einnahme angewiesen, um eine
Gewerbeabmeldung, Insolvenz und Inanspruchnahme der Grundsicherung zu
vermeiden.» Die Erfahrungen mit der Soforthilfe sind durchaus
unterschiedlich. Der Wittenberger Innungsmeister Hiller berichtete,
die Soforthilfe sei für sein Unternehmen geflossen. Aus Sicht von
Obermeisterin Erika Elsholz-Sachs aus Biederitz fließen die Hilfen zu
langsam, sie sei mit vielen Kollegen in Kontakt, bei vielen sei noch
nichts angekommen.

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