RKI: Reproduktionszahl könnte weiter um 1 herum schwanken

In der Corona-Pandemie strebt Deutschland eine Reproduktionszahl
unter 1 an. Zuletzt ist sie allerdings wieder gestiegen. Was bedeutet
das?

Berlin (dpa) - Das Robert Koch-Institut (RKI) bewertet den
Wiederanstieg der sogenannten Reproduktionszahl über die Schwelle von
1 zurückhaltend. Sie könne auch künftig um 1 herum schwanken, der
Verlauf müsse beobachtet werden, sagte RKI-Vizepräsident Lars Schaade
am Dienstag in Berlin. Ursache sei, dass sich die Zahl täglicher
Neuinfektionen kaum mehr verringere und sich einem Plateau nähere. Es
sei daher umso wichtiger, die Hygieneregeln weiter einzuhalten.
«Das Virus ist nicht weg», betonte Schaade. Die Gefährdung sei ab
er
deutlich geringer als noch vor vier Wochen.

Inzwischen beeinflussten einzelne große Ausbrüche wie zuletzt in
Schlachthöfen den Wert stärker als bei insgesamt höheren
Infektionszahlen, erklärte Schaade. «Wir können abschätzen, dass
diese jüngsten Ausbrüche die Reproduktionszahl angehoben haben.»
Seien die Ausbrüche unter Kontrolle, könne der R-Wert wieder sinken
.
Dauerhaft solle der R-Wert nicht deutlich über 1 bleiben, sonst
nähmen die Fallzahlen zu. Bei Werten von zum Beispiel 1,2 oder 1,3
über längere Zeit müsse man sehr genau hinschauen und sich über
das Gegensteuern Gedanken machen, sagte Schaade.

Das RKI will künftig zusätzlich einen sogenannten geglätteten R-W
ert
mitteilen, bei dem Schwankungen besser ausgeglichen würden. Dies sei
besser geeignet, um längerfristige Trends abzubilden. «In der
vergangenen Woche lag dieser stabile R-Wert an keinem Tag über 1»,

betonte Schaade.

In der vergangenen Woche seien dem RKI zwischen 700 und 1300 neue
Corona-Infektionen pro Tag übermittelt worden, am Montag dann knapp
1000 Fälle. «Die Zahlen bleiben also in etwa vergleichbar mit den
Zahlen der letzten Woche.» Geringere Werte an Wochenenden gelten etwa
wegen Meldeverzugs durch die Gesundheitsämter und geschlossener
Arztpraxen als üblich.

Wie Schaade ausführte, muss es keinen Widerspruch darstellen, wenn
die Tendenz der aktuell berichteten Neuinfektionen sinkend ist, die
Reproduktionszahl, kurz R-Wert, gleichzeitig aber etwas steigt.
Der R-Wert bilde jeweils das Infektionsgeschehen etwa eineinhalb
Wochen zuvor ab: der am Montag gemeldete Wert von 1,07 zum Beispiel
die Situation in der Zeit vom 28. April bis 3. Mai. Das bedeutet,
dass ein Infizierter im Mittel etwas mehr als eine andere Person
ansteckt.

Die Neuerkrankungen der vergangenen drei Tage würden in die Schätzung
nicht einberechnet, da es dabei erfahrungsgemäß noch Nachmeldungen
und somit starke Schwankungen gebe. Der R-Wert sei auch nur einer von
mehreren Parametern in der Beobachtung der Epidemie, bekräftigte
Schaade.

Das Testverhalten beeinflusse den R-Wert nur bei abrupten
Veränderungen, sagte Schaade. In der Kalenderwoche 18 seien etwa
330 000 Corona-Tests bundesweit durchgeführt worden, der Anteil der
positiven Ergebnisse sei dabei weiter gesunken, auf nun etwa 4,5
Prozent. Dies deute auf das gewünschte sensitive Testen hin.

Der RKI-Vizechef erneuerte seinen Appell an die Bevölkerung: «Hel
fen
Sie mit, das Virus auch weiter in Schach zu halten.» Es gelte unter
anderem, weiter so weit wie möglich zu Hause zu bleiben, Kontakte zu
beschränken und Abstand zu anderen Menschen zu halten.

Trotz der aktuell geringen Neuinfektionszahlen in manchen Regionen
dürfe man die Dunkelziffer unerkannter Fälle nicht außer Acht lassen,

gab Schaade zu bedenken. Auch diese wenigen Infizierten könnten das
Geschehen wieder aufflackern lassen, wenn man sich nicht an die
Regeln halte und zum Beispiel enge Kontakte auf einer Party habe.