Sexismus-Vorwurf: Publizist Tichy gibt Vorsitz der Erhard-Stiftung ab Von Ruppert Mayr, dpa

Seit 2014 ist Roland Tichy Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung.
Und er war nicht bei allen Mitgliedern wohlgelitten. Ein sexistischer
Kommentar in seinem Magazin brachte das Fass wohl zum Überlaufen.

Berlin (dpa) - Der Publizist Roland Tichy gibt nach scharfer Kritik
über frauenfeindliche Äußerungen in seinem Magazin den Vorsitz der
Ludwig-Erhard-Stiftung ab. Er trete bei der am 30. Oktober
anstehenden Wahl nicht mehr an, hieß es am Donnerstag in einem
Schreiben des Vorstandes an die Mitglieder der Stiftung. Auslöser des
Eklats ist ganz offensichtlich die Debatte um die Äußerungen über die

SPD-Politikerin Sawsan Chebli in der Monatsschrift «Tichys Einblick».
Folgt jetzt eine Frau an der Spitze der männerdominierten Stiftung
nach, etwa die FDP-Bundestagsabgeordnete Linda Teuteberg?

In dem viel kritisierten Beitrag schrieb Stephan Paetow, dass Chebli
in den Bundestag wolle und gegen den «Resignierenden Bürgermeister»
Michael Müller (beide SPD) antrete, «der sich ebenfalls vor der
Bedeutungslosigkeit ins Bundesparlament flüchten will». Und weiter:
«Was spricht für Sawsan? Befreundete Journalistinnen haben bislang
nur den G-Punkt als Pluspunkt feststellen können in der
Spezialdemokratischen Partei der alten Männer.»

Chebli twitterte am Donnerstag, der Rücktritt von Tichy sei «längst
überfällig» gewesen, «aber er löst natürlich nicht das Riesenpr
oblem,
das wir mit Sexismus haben. Deshalb: Lasst uns auch künftig alle
niemals schweigen!»

Richtig ins Rollen gebracht hatte die Debatte die Staatsministerin
für Digitales, Dorothee Bär (CSU). Sie habe ihre Mitgliedschaft in
der Stiftung aus Protest gegen Tichy gekündigt. Dem «Handelsblatt»
nannte sie zur Begründung die frauenfeindlichen Äußerungen über
Chebli. «Bei Tichy hat der verbale Ausfall System», sagte Bär der
«Frankfurter Allgemeinen Zeitung».

Die Stiftung beschreibt sich zwar als parteiungebundener,
gemeinnütziger Verein. Doch letztlich hat die CDU, zu seinen
Lebzeiten politische Heimat des Stiftungsgründers und früheren
Kanzlers Ludwig Erhard (1897-1977), großen Einfluss. Aus der Partei
heraus wurde in dem Fall wohl erheblicher Druck auf Tichy ausgeübt.
Friedrich Merz, Kandidat für den CDU-Vorsitz, twitterte zu Tichys
Rückzug: «Die einzig richtige Entscheidung.»

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sowie der Vorsitzende der
Mittelstandsunion, Carsten Linnemann, ließen mit sofortiger Wirkung
ihre Mitgliedschaft in der Stiftung ruhen. Die beiden erklärten dazu:
«Die Ludwig-Erhard-Stiftung ist eine Institution mit langer Tradition
und dem Erbe des Namensgebers verpflichtet. Leider ist seit geraumer
Zeit eine Debattenkultur von führenden Vertretern der Stiftung
festzustellen, die dieser Verantwortung nicht gerecht wird. Das
schadet dem Ansehen Ludwig Erhards.»

Kritik an Tichy äußerte nach Angaben der «Frankfurter Allgemeinen
Zeitung» auch Bundesbankpräsident Jens Weidmann, der ebenfalls
Mitglied der Stiftung ist. In einem Schreiben an die anderen
Mitglieder argumentiert Weidmann demnach, er schätze die Stiftung,
«weil sie der Fortentwicklung marktwirtschaftlichen und
freiheitlich-demokratischen Denkens eine Plattform bietet». Dazu
gehöre aber ein «Debattenklima gegenseitigen Respekts, nicht nur
innerhalb der Stiftung, sondern auch darüber hinaus».

Merz hatte bereits 2018 den Ludwig-Erhard-Preis abgelehnt. Wie das
«Handelsblatt» damals unter Berufung auf Einschätzungen von
Jury-Mitgliedern berichtete, war ein Grund, dass Merz bei der
Verleihung mit Tichy zusammen auf der Bühne stehen sollte.

Tichy selbst bezeichnet sein Magazin als «liberal-konservatives
Meinungsmagazin». Das Magazin und die Online-Plattform
tichyseinblick.de gehören für viele Politiker aus dem
rechtspopulistischen Spektrum zur Pflichtlektüre.

Mitte Juni ist Tichy in zweiter Instanz mit seiner Klage gegen
Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) gescheitert, die
Tichy im Oktober 2019 in der «Augsburger Allgemeinen» neurechten
Plattformen zugeordnet hatte. Deren Geschäftsmodell beruhe «auf Hetze
und Falschbehauptungen», sagte Roth. Tichy hatte auf Unterlassung
geklagt. Das Gericht entschied jedoch, die Äußerung sei nicht als
Tatsachenbehauptung einzustufen, sondern als Meinungsäußerung.

Tichy war von 2007 bis 2014 Chefredakteur der «Wirtschaftswoche».
Seit 2014 hatte er den Vorsitz der Stiftung inne, die der Vater des
deutschen Wirtschaftswunders, der frühere Wirtschaftsminister und
Kanzler Ludwig Erhard, 1967 gründete. Sie sollte die Idee der
sozialen Marktwirtschaft unter anderem durch Veranstaltungen und
Vorträge weiterentwickeln und verbreiten.

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