Die Krux mit dem Mundschutz-Geschäft - Firma pocht auf Bezahlung Von Wolf von Dewitz, dpa
Am Anfang der Corona-Pandemie wirkten erste Mundschutz-Träger noch
wie Fremdkörper. Das ist lange her. Damals bestellte der Bund
im großen Stil Filtermasken. Es wurden Berge davon geliefert, die
teils noch heute in Depots lagern.
Düsseldorf (dpa/lnw) - Das gute Geschäft in Corona-Zeiten wurde zur
Hängepartie mit jeder Menge Ärger. 4,6 Millionen Euro für
Atemschutzmasken sollte der Düsseldorfer Modehersteller Prps im Juni
bekommen, zahlen sollte der vom Bund beauftragte Zwischenhändler
Stölting aus Gelsenkirchen. «Da warten wir heute noch drauf», sagt
der Prps-Manager Reza Tehrani und schüttelt den Kopf. Er fühlt sich
ungerecht behandelt. In das Mundschutzgeschäft sei man eingestiegen,
um Schäden der Corona-Krise zu minimieren und um Jobs zu sichern.
Normalerweise ist der 47-Jährige für den Verkauf von Edeljeans
zuständig, die mehrere Hundert Euro kosten. Doch hier geht es um
einen anderen Preis: 1,93 Euro plus Mehrwertsteuer. So viel sollte
jede der zwei Millionen von Prps gelieferten Filtermasken vom Typ
FFP2 kosten, die etwa für Kliniken bestimmt waren. Doch seit Ende Mai
liegen sie im Rheinland auf Lager. Grund: Der Bund ist fast ein
halbes Jahr nach der Lieferung noch mit der Prüfung von Masken
beschäftigt - neben Prps schickten Hunderte weitere Firmen Ware.
Prps ist ein Beispiel für eine vertrackte Situation. Beim Ausbruch
der Pandemie schnellten die Corona-Fallzahlen nach oben,
FFP2-Mundschutz im Gesundheitswesen drohte Mangelware zu werden. Um
schnell Nachschub zu besorgen, entschloss sich das
Bundesgesundheitsministerium im März zu einem
ungewöhnlichen Schritt: Anstatt auf das übliche Vergabeverfahren zu
setzen, bei dem die besten Bieter den Zuschlag bekommen, entschied
sich das Ministerium für ein sogenanntes Open-House-Verfahren.
Das bedeutete: Mit jedem, der Schutzausrüstung liefern wollte,
schloss der Bund einen Vertrag. Der Preis: 4,50 Euro netto pro
FFP2-Maske oder 60 Cent für eine OP-Maske mit geringerer
Schutzfunktion.
Mehr als 700 Firmen unterschrieben nach Angaben des
Bundesgesundheitsministeriums Anfang April einen Vertrag. Es ging um
mehrere Hundert Millionen, vielleicht gar Milliarden Masken - genaue
Angaben dazu gibt es nicht. Fast die Hälfte der Firmen stieg aus
dem Vertrag wieder aus, bei einem Sechstel der verbliebenen Verträge
zog der Bund wegen Qualitätsmängeln die Reißleine.
Unter den Lieferanten waren auch Modeboutiquen oder Auto-Waschsalons
und andere kleine Firmen, die noch nie etwas zu tun hatten mit
dem Mundschutz-Verkauf. Doch über Netzwerke vermeinten sie
Produzenten in China aufgetan zu haben, die ihnen die Produkte
zuschicken sollten. Teilweise klappte das, teilweise nicht.
Hier trat Stölting auf den Plan: Die Firma sprang bei mehreren der
Verträge ein, bei denen der Open-House-Unterzeichner sich
gewissermaßen übernommen hatte. Die Textilien, so das Kalkül, würde
sich Stölting auf dem wieder anspringenden Weltmarkt beschaffen - und
zwar für weniger als die 4,50 Euro vom Bund. Stölting fand zum
Beispiel die Deutschland-Tochter des US-Modekonzerns Prps und schloss
mit ihr am 26. Mai besagten Vertrag ab. Wenig später lieferte Prps.
Bezahlt wurde nicht, was Prps-Manager Tehrani auf die Palme bringt.
Er fühlt sich schikaniert. Vom Bund beauftragte Kontrolleure seien
aufgetaucht und hätten beanstandet, dass Kartons unterschiedliche
Außenfarben hätten - «mal weiß, mal eierschalenweiß», sagt der
47-Jährige. Zudem sei moniert worden, dass mitunter FFP2-Masken im
selben Karton waren, obwohl sie an unterschiedlichen Tagen
hergestellt worden seien. Also hätten seine Mitarbeiter die Masken
aufwendig umsortiert. Aus seiner Sicht war die Kritik konstruiert,
denn: «Das Produkt selbst ist einwandfrei.» Das habe ein unabhängiges
Prüfinstitut seiner Firma bescheinigt.
Warum der Gegenwind? Tehrani hat dafür eine Erklärung: Dem Bund sei
unter anderem aufgefallen, dass der Preis von 4,50 Euro zu hoch
gewesen sei, sagt er. «Die wollten die Verträge loswerden.»
Der Zwischenhändler Stölting wiederum bittet um Geduld. «Wir sind
unseren Zahlungsverpflichtungen immer nachgekommen und werden dies
auch in Zukunft tun», sagt Geschäftsführer Dominik Mosbacher und
verweist auf den Bund, der Stölting für die Prps-Ware noch nicht
bezahlt habe: «Das Prüfverfahren des Bundes läuft noch.»
Insgesamt hat Stölting eine dreistellige Millionen-Stückzahl
weitervermittelt. Bezahlt werde Prps dem Vertrag entsprechend erst,
wenn der Bund die Masken abgenommen habe, sagt Mosbacher. Bei Teilen
der Mundschutzberge ist dies schon geschehen, bei anderen nicht.
Doch Tehrani will nicht warten. Er verweist auf den Vertrag,
demzufolge die Ware spätestens am 8. Juni hätte bezahlt werden
müssen. Allerdings heißt es in dem Vertrag auch, die Bezahlung von
Stölting an Prps sei erst fällig, wenn «die Mängelfreiheit der Mask
en
durch die Bundesregierung bestätigt wurde» und der Bund Stölting
bezahlt habe. Und da beides noch nicht geschehen sei, könne nun mal
kein Geld an das Düsseldorfer Modeunternehmen fließen, so der
Standpunkt des Gelsenkirchener Dienstleisters.
Und der Bund? Zu dem konkreten Fall will sich eine Sprecherin des
Bundesgesundheitsministeriums nicht äußern, generell sagt sie mit
Blick auf zahlreiche weitere Maskenlieferungen: «Bei der Auszahlung
gab es logistische Probleme, die sich weitgehend infolge der
notwendigen Mengen-, vor allem aber [infolge] der Qualitätsprüfung
der angelieferten Waren ergeben haben.» Das Ministerium habe einen
sorgfältigen, dreistufigen Qualitätssicherungsprozess eingeführt.
«Dieser Prozess ist sehr zeitintensiv, aber erforderlich.»
Am Bonner Landgericht sind schon 75 Klagen anhängig von
Maskenlieferanten, die der Bund nicht bezahlt hat - Tendenz steigend.
Bei Prps ist die Konstellation anders, da nicht der Bund, sondern der
Zwischenhändler Stölting Vertragspartner ist. Klagen will Prps nicht
- über mehrere Instanzen zu gehen dauere zu lange, sagt Tehrani.
Derzeit haben die Corona-Fallzahlen wieder eine bedrohliche Höhe
erreicht. Könnte der Bund vielleicht doch noch zugreifen? «Die Masken
sind tadellos und lange haltbar», sagt Tehrani und hält eine
beispielhafte Maske in der Hand, die er sich im Handel gekauft hat.
Er selbst hat keine einzige mehr von den an Stölting gelieferten
FFP2-Masken. «Wir haben alle verkauft - dachten wir zumindest.»
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