Kimmich-Debatte dauert an - «Vorbild sein keine Rechtsverpflichtung»

In der Diskussion um den Impfstatus von Joshua Kimmich nimmt der
Vorsitzende der Ständigen Impfkommission den Fußball-Nationalspieler
in Schutz. Auch die Bayern-Bosse stützen den Spieler. Von
juristischer Seite gibt es eine eindeutige Feststellung.

München (dpa) - Vor dem Pokal-Duell des FC Bayern ist in der hitzigen
Impfdebatte um Joshua Kimmich bei aller Kritik und Warnung Mäßigung
angemahnt worden. Neben der erwartbaren Rückendeckung aus
dem Profifußball und von Clubseite empfindet auch der Vorsitzende der
Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, die emotionale
Diskussion als überzogen. «Es ist die persönliche Entscheidung von
Kimmich, und die soll es auch bleiben! Die Debatte um Kimmich ist ein
grenzenloser Unfug», sagte Mertens (71) der «Bild».

Kimmichs FC Bayern tritt am Mittwoch (20.45 Uhr/ARD und Sky)
im DFB-Pokal bei Borussia Mönchengladbach an. Dort fehlt Trainer
Julian Nagelsmann nach einer Corona-Infektion. «Ich merke ja selbst,
wie ein Symptomverlauf ist, wenn man geimpft ist. Und ich weiß aus
gewissen Klinikkreisen, wie es andersrum sein kann, wenn man nicht
geimpft ist», sagte Nagelsmann. «Ich plädiere nach wie vor dafür,
sich impfen zu lassen. Aber es ist ein persönliches Thema. Und jeder
darf das für sich entscheiden als erwachsener Mensch.»

Der 34-jährige Nagelsmann findet es «trotzdem wichtig, dass es
Meinungen gibt und nicht alles gleich ist. Davon lebt auch eine
Demokratie, dass man über Meinungen diskutiert.» 

Kimmich hatte am Wochenende nach dem 4:0 der Münchner gegen
Hoffenheim eingeräumt, bislang nicht gegen das Coronavirus geimpft zu
sein. Das hatte bei teilweisem Verständnis heftige Kritik zur Folge
gehabt. Der langjährige Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge ist über
die Wucht der öffentlichen Diskussion keineswegs verwundert. «Corona
verfolgt uns jetzt seit anderthalb Jahren. Es überrascht mich nicht,
dass es jetzt ein großes Politikum ist», sagte der 66-Jährige am
Rande der Premiere einer Doku-Serie über den FC Bayern in München:
«Man sollte die Kirche trotzdem im Dorf lassen.»

Das sieht Mertens, Vorsitzender der Stiko, die Empfehlungen für die
Anwendung von Impfstoffen in Deutschland ausspricht, ähnlich. Man
würde niemals über private medizinische Entscheidungen von Kimmich
diskutieren, «wäre er als Fußball-Profi nicht derart exponiert»,
sagte Mertens.

Die bei aller Faktenlage trotzdem sehr emotionale Impfdiskussion wird
bei einem Bayern-Star der Kategorie Kimmich noch etwas hitziger als
ohnehin geführt. Dabei geht es auch um die Frage, ob Kimmich Vorbild
sein muss oder auch als Vorbild seine persönlichen Bedenken haben
darf. Durch seine Worte und das Werben für «Solidarität» bei seiner

Hilfsorganisation «We Kick Corona» hat er selbst die Messlatte aber
auch hoch gelegt.

Gerade Sportler sollten «mit gutem Beispiel vorangehen und sagen, ich
lasse mich impfen», sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann
(CSU) am Dienstag in München. «Für die allermeisten Sportler, die ich

kenne, gilt das auch.»

Rummenigge plädierte dafür, beim Impfen keinen Druck auf den
Nationalspieler auszuüben. «Wenn ich einen Spieler kenne, der extrem
verantwortlich und vorbildlich mit vielen Dingen im Leben umgegangen
ist, dann war es immer Joshua», erinnerte Rummenigge an seine Zeit
als Vorstandschef. «In dem Fall, glaube ich, wird er dementsprechend
irgendwann die richtige Entscheidung fällen», bemerkte Rummenigge in
Bezug auf eine immer noch mögliche Corona-Impfung von Kimmich.

Der aktuelle Vorstandschef Oliver Kahn will keinen öffentlichen Druck
auf Kimmich ausüben. «Letztendlich muss man das respektieren, wenn
der eine oder andere eben eine andere Meinung hat», ergänzte Kahn.
«Es ist ganz wichtig - und es ist unsere Pflicht als Verein, ständig
Aufklärungsleistung zu zeigen.»

Club-Ehrenpräsident Uli Hoeneß sieht die Medien als Triebfeder der
heftigen Impfdebatte um Kimmich. «Sie sind doch verantwortlich für
den Tsunami», sagte der 69-Jährige am Rande der Premiere der
Doku-Serie «FC Bayern - Behind The Legend», die vom 2. November an
bei Amazon Prime Video gezeigt wird, zu den Reportern.

Die Sorgen Kimmichs, der «persönlich noch ein paar Bedenken» wegen
fehlender «Langzeitstudien» anführte, hatte Mertens im Interview der

Deutschen Presse-Agentur zurückgewiesen. Er hatte unter Verweis auf
Zulassungsstudien erklärt, dass es bisher nur «zu einigen
Nebenwirkungen gekommen ist, die alle recht kurze Zeit nach der
Impfung aufgetreten sind.»

Ingo Froböse, Professor für Prävention und Rehabilitation im Sport an

der Deutschen Sporthochschule Köln, warnte vor Langzeitfolgen bei
ungeimpften Sportlern durch Long-Covid. Auch Kimmich gehöre zur
gefährdeten Gruppe, nach einer möglichen Corona-Infektion
möglicherweise an Spätfolgen zu leiden.

«Das Risiko, das er hier eingeht, ist ziemlich groß. Die großen
Probleme bei den nichtgeimpften Sportlern ergeben sich durch
Long-Covid», sagte Froböse am Dienstag im ARD-Morgenmagazin.
Long-Covid sei eine Langzeitfolge «und was für eine», sagte der
Sportwissenschaftler. Diese könne im schlimmsten Fall, wie schon bei
anderen Sportlern eingetreten, zum Karriereende führen.

Der Impfstatus wird Kimmich nach Einschätzung des Arbeitsrechtlers
Gregor Thüsing zumindest nicht daran hindern, weiter als Profi
anzutreten. Zwar müsse sich der 26-Jährige vor den Partien auf Corona
testen lassen, für eine Impfung bestehe aber keine rechtliche
Verpflichtung, sagte der Professor für Arbeitsrecht an der
Universität Bonn der Deutschen Presse-Agentur. Anders sei das etwa
bei Fans. Ihnen kann nach aktueller Gesetzeslage der Zutritt zum
Stadion verweigert werden, wenn sie weder genesen noch geimpft sind.

Kimmich wäre «freilich ein Vorbild», wenn er sich impfen lassen
würde, sagte Thüsing. «Aber Vorbild zu sein, ist nun mal keine
Rechtsverpflichtung, sondern eine eher moralische Verpflichtung.»

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