Angeklagter in Folter-Prozess: Die Macht des Geheimdienstes Von Eva Krafczyk, dpa
Wie lebt man in einem Staat, in dem rechtsstaatliche Regeln keine
Geltung erfahren? Der wegen Folter angeklagte syrische Arzt Alaa M.
ließ in seiner Einlassung Bewältigungsstrategien erkennen. Die
Vorwürfe bestritt er.
Frankfurt/Main (dpa/lhe) - Der syrische Arzt Alaa M., der sich wegen
Folter-Vorwürfen vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt
verantworten muss, hat am Dienstag zu seiner Tätigkeit im
Militärkrankenhaus in Homs ausgesagt. Laut Anklage soll er dort
Patienten gefoltert haben, die in Opposition zur Regierung standen.
Diese Vorwürfe bestritt er. «Ich habe gar nichts getan» sagte er. Zu
den Verhältnissen in den Gefängnissen und dem Umgang mit Gefangenen
machte er dennoch Angaben.
«Der Militärgeheimdienst hat mehr Macht als das normale Militär oder
die Polizei», betonte der 36-Jährige. Auch der Chefarzt des
Krankenhauses, der wie alle leitenden Ärzte dem Militär angehörte,
habe «viel Ärger» mit dem Militärgeheimdienst gehabt, der Patienten
,
die etwa bei Demonstrationen festgenommen worden waren, in das
Krankenhaus begleitete.
Bei der Behandlung habe zudem einer der vorgesetzten Ärzte anwesend
sein müssen, der dem Militär angehörte. «Ich habe nicht gefragt»,
sagte M. zu der Nachfrage, was den Patienten vorgeworfen wurde. Er
habe auch nicht gesehen, was mit den Patienten geschehen sei, wenn
sie aus der medizinischen Behandlung entlassen wurden. Manchmal habe
er bei der Dienstübergabe von Todesfällen durch beispielsweise
Herzstillstand oder Lungenembolie gehört. Er räumte ein, dass ihn
diese Berichte nicht überzeugten.
Mehrfach musste der Vorsitzende Richter Christoph Koller nachhaken,
bis Alaa M. Einzelheiten nannte: Namen seiner Patienten habe er nicht
gekannt, sie seien mit Nummern versehen gewesen. Alle seien gefesselt
gewesen, in Begleitung von Mitarbeitern des Militärgeheimdienstes,
manche auch mit Augenbinden versehen, so dass sie während der
Behandlung nichts sehen konnten. «Ich finde das unmenschlich, das ist
unangenehm für den Patienten», räumte M. ein.
Nicht immer hätten die Patienten Verletzungen gehabt, die sie sich
bei den Demonstrationen zugezogen hätten, sagte M. Er habe auch
Spuren von Schlägen gesehen, Narben. Manchmal hätten Mitarbeiter des
Militärgeheimdienstes gedrängt: «Dieser Mann ist sehr wichtig. Wir
müssen eine Aussage von ihm nehmen».
Doch auch bei der Einlieferung von als Terroristen bezeichneten
Patienten sei er Zeuge von Schlägen und Tritten geworden - nicht nur
durch Mitarbeiter des Geheimdienstes, sondern auch durch Ärzte
und Pflegepersonal. Er habe nicht gesehen, dass die Klinikmitarbeiter
dazu gezwungen oder aufgefordert worden seien. Dass Gefangene etwa an
den Genitalien verletzt worden seien, könne er hingegen nicht
bestätigen. «Ich kann es nicht ausschließen, aber ich war nicht dabei
und ich habe nichts getan.»
«Sie taten mir leid, trotzdem konnte ich überhaupt nichts machen»,
sagte M. über die Opfer der Gewalt. Er habe das einige Male gesehen,
unter der Hand von Kollegen aber von mehr Vorfällen gehört. Gesagt
habe er nichts dagegen. Er habe Angst gehabt, andernfalls Ärger mit
dem Geheimdienst zu bekommen - «und dann wäre ich an der Stelle
dieses Mannes gewesen.»
«Ich habe mich mit dem Regime arrangiert, genau wie Millionen in
Syrien», sagte Alaa M. zu Beginn seiner Einlassung. Politisch sei er
nicht aktiv gewesen, allerdings auch kein Befürworter der Regierung.
Vor dem Geheimdienst habe er «viel, viel Angst» gehabt, sowohl um
sein Leben als auch um das seiner Familie im Fall einer Verhaftung
gefürchtet. «Herr Vorsitzender, Sie reden über einen Rechtsstaat.
Aber Syrien ist kein rechtlicher Staat», sagte er auf die Fragen
Kollers nach seinem Verhalten angesichts der Gewalt gegen Gefangene,
die er gesehen habe.
Die Bundesanwaltschaft wirft Alaa M. Verbrechen gegen die
Menschlichkeit vor. Er soll zwischen April 2011 und Ende 2012 in
Syrien im Militärkrankenhaus in Homs sowie im Gefängnis der
Geheimpolizei Teilnehmer von Protesten gegen die syrische Regierung
gefoltert und ihnen schwere körperliche sowie seelische Schäden
zugefügt zu haben. In einem Fall wird ihm vorgeworfen, einen
Gefangenen mit einer Injektion getötet zu haben.
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