Politikern werden Verwandte mit Nazi-Vergangenheit angedichtet Von Marie Kerres, Simon Schramm und Marc Fleischmann, dpa
Russland behauptet in seiner Propaganda fälschlicherweise, die
Ukraine werde von Nazis beherrscht. In sozialen Medien versuchen nun
einige, mit dieser Masche auch deutsche Politiker zu verunglimpfen.
Berlin (dpa) - Um die russische Invasion in die Ukraine zu
rechtfertigen und deutsche Politiker in ein schlechtes Licht zu
rücken, werden einigen in sozialen Netzwerken Verwandte mit
angeblicher Nazi-Vergangenheit angedichtet. Auf Bildkombinationen,
die in Netzwerken kursieren, sind etwa Bundesgesundheitsminister Karl
Lauterbach oder Bundeskanzler Olaf Scholz neben Mitgliedern der SS
(Schutz-Staffel) zu sehen. Behauptet wird, die abgebildeten
Nationalsozialisten seien die Großväter der Politiker.
Ziel der verbreiteten Bilder sei nicht nur, Politiker zu
diskreditieren. Es gehe auch darum, die Argumentation zu stützen, mit
der Moskau seinen Überfall auf die Ukraine zu rechtfertigen versucht,
erklärte der Politikwissenschaftler Josef Holnburger der Deutschen
Presse-Agentur (dpa). Er ist einer der Geschäftsführer des CeMAS
(Centers für Monitoring, Analyse und Strategie) in Berlin, das in
sozialen Medien unter anderem Radikalisierungstendenzen und die
Verbreitung von Verschwörungserzählungen beobachtet.
Massiv verbreitet wurden die Bildkombinationen über den Messenger
Telegram, wo sie alleine auf einem pro-russischen, deutschsprachigen
Kanal fast 290 000 Mal aufgerufen wurden. Damit werde die
Kriegspropaganda der russischen Regierung aufgegriffen und sogar
weitergedreht, so der Politikwissenschaftler. Eine angebliche
Entnazifizierung müsse demnach «nicht nur in der Ukraine, sondern
sogar in ganz Europa erfolgen».
Dass gerade Nationalsozialisten für die Bildkombinationen verwendet
wurden, erklärt sich Holnburger so: Es solle eine «bösartige Gruppe
»
dargestellt werden, der zum Erreichen ihrer Ziele ein umfassender
Machtapparat zur Verfügung stehe. Durch den vermeintlichen NS-Bezug
würden die Politiker verunglimpft. Ein Verbreiter der Bilder könne
damit «die eigene Position umso mehr als das vermeintlich Gute
darstellen», erklärt Holnburger.
Der Urheber der Bilder habe wohl über ähnlich klingende Namen eine
vermeintliche Verbindung zwischen deutschen Politikern und
NS-Führungspersonen herstellen wollen. «Allerdings machen diese
Verbindungen auf keiner Ebene Sinn», sagt Holnburger. Diese Politiker
sind betroffen:
Karl Lauterbach: Dem Gesundheitsminister wird in sozialen Netzwerken
nachgesagt, sein Großvater sei in der SS gewesen. «Das ist nicht sein
Großvater», sagt ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums zu
kursierenden Bildern. Der vermeintliche Großvater heißt gar nicht
Lauterbach, auf dem Bild neben dem Gesundheitsminister ist Hartmann
Lauterbacher zu sehen, Stabsführer und stellvertretender
Reichsjugendführer der Hitler-Jugend.
Christian Lindner: Eine weitere Bildkombination zeigt eine ältere
Aufnahme des Finanzministers Christian Lindner neben Gerhard Lindner.
Der war im Zweiten Weltkrieg in der Wehrmacht und im Führungsstab
einer SS-Division tätig. Er wird als Großvater des Finanzministers
dargestellt. Ein Sprecher des Ministeriums erklärte aber auf
dpa-Anfrage, dass die beiden nicht verwandt seien und es sich um
Falschinformationen handele. Auch Recherchen im Internet liefern
keine Hinweise auf eine vermeintliche Verwandtschaft. Gerhard Lindner
wurde 1896 in Bautzen (Sachsen) geboren und starb 1982 im
niedersächsischen Aurich. Christian Lindner kam am 7. Januar 1979 in
Wuppertal (Nordrhein-Westfalen) zur Welt, wo seine Großeltern
väterlicherseits eine Bäckerei hatten.
Olaf Scholz: Der Bundeskanzler ist in einer Bildkombination zusammen
mit Fritz von Scholz zu sehen, Generalleutnant der Waffen-SS. Auf
Anfrage, ob dieser der Großvater von Olaf Scholz sei, teilte das
Bundespresseamt mit: «Das ist völliger Unsinn.» Aus Unterlagen im
Bundesarchiv, die die dpa eingesehen hat, geht zudem hervor: Fritz
von Scholz starb am 28. Juli 1944 und hinterließ keine Kinder. Er
wurde in Pilsen (heute Tschechien) geboren und lebte am Wörthersee.
Die Großeltern von Olaf Scholz stammen hingegen aus Hamburg und waren
Eisenbahnbeamte.
Ursula von der Leyen: Im Fall der EU-Kommissionspräsidentin gibt es
zwar einen mit ihrem Großvater namensgleichen SS-Mann: Karl Albrecht
wurde nach Kriegsende wegen NS-Verbrechen zu lebenslanger Haft
verurteilt. Von der Leyens Großvater ist aber der 1902 geborene Karl
(teils auch: Carl) Eduard Albrecht, der einer einflussreichen
norddeutschen Familie entstammt. Albrecht studierte in den 1920er
Jahren Medizin und arbeitete auch zu Kriegszeiten als Arzt. Belege
für eine SS-Mitgliedschaft gibt es nicht - weder für ihn noch für
seinen Sohn, Ursula von der Leyens Vater Ernst Albrecht. Dieser war
von 1976 bis 1990 Ministerpräsident in Niedersachsen.
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