Blinder Skateboarder: «das Normalste der Welt» Von Irena Güttel, dpa
Johannes Bruckmeier ist blind und fährt Skateboard. Er findet daran
nichts Besonderes - und setzt sich dafür ein, dass auch andere das so
sehen.
Nürnberg (dpa) - Johannes Bruckmeier ist 27 Jahre alt, Skateboarder -
und blind. Wenn er mit Skateboard und Blindenstock durch die Stadt
düst oder im Skatepark übt, bleiben die Leute stehen. «Die Reaktionen
sind überall gleich», sagt er. «Meist so was wie «Boa, krass».
Mittlerweile kommen auch Selfies dazu, was ich seltsam finde.»
Dass er trotz seiner Behinderung Skateboard fährt, empfindet er nicht
als besonders. «Für mich ist es das Normalste der Welt.» Johannes
Bruckmeier hat Retinitis Pigmentosa, eine Erbkrankheit, bei der die
Zellen der Netzhaut nach und nach absterben. 30 000 bis 40 000
Menschen leiden nach Angaben der Selbsthilfevereinigung Pro Retina in
Deutschland an einer der verschiedenen Formen.
Eine Operation im Alter von 6 Jahren hat bei Johannes Bruckmeier das
weitere Fortschreiten verhindert. «Ich habe ein Gesichtsfeld von 5
Grad, das entspricht dem Durchmesser einer Klopapierrolle. Gesetzlich
bin ich damit blind.» Lange habe er mit seiner Behinderung gehadert,
sagt Bruckmeier. Er habe versucht, diese zu kaschieren oder mit Humor
zu überspielen.
Als vor vier Jahren eine Beziehung in die Brüche ging, habe er mit
dem Skateboardfahren begonnen. «Und seitdem bin ich dabei, jeden Tag
mehrere Stunden. Ich richte auch mein ganzes Leben darauf aus.» An
den Wochenenden ist Bruckmeier immer unterwegs, um bei Wettbewerben
anzutreten und in anderen Innenstädten zu skaten. Und auch sonst
verbringt er jede freie Minute auf dem Skateboard.
Wie an diesem Morgen, an dem er vor seiner Arbeit als Physiotherapeut
noch ein paar Runden in einem Skatepark am Nürnberger Burggraben
dreht - immer mit dem Blindenstock voraus. Dieser ist kräftig
verbogen, weil Bruckmeier beim Fahren in der Innenstadt über Müll
gefallen ist, der von einer Kulturveranstaltung liegen geblieben ist,
wie er erzählt.
«Ab und zu passiert es, dass ich über etwas drüberfahre, was ich
nicht gesehen habe. Das ist ein Risiko, das ich eingehe», sagt
Bruckmeier. Gerade beim Skaten hat er Probleme mit den Kontrasten und
muss sich auf seine anderen Sinne verlassen. Auch die ein oder andere
Blessur hat er sich dabei schon zugezogen: Auf seinem Oberarm sind
die Narben der Operation noch deutlich sichtbar. Im September hatte
er sich diesen bei einem Contest gebrochen.
Zwei Wochen danach habe er schon wieder auf dem Skateboard gestanden,
erzählt Bruckmeier. Auch an diesem Morgen springt er sofort wieder
auf, wenn er fällt - und macht erst mal zehn Liegestützen. «Als
Bestrafung für meine Unkonzentriertheit», sagt er und grinst.
Der Skatepark ist zu so früher Stunde fast leer, nur eine andere
Skateboarderin übt dort ihre Tricks. Bruckmeier und sie grüßen sich
kurz, als sie nebeneinander auf einer Rampe zum Stehen kommen. Dann
dreht jeder weiter seine Runden. In Nürnberg kennt man ihn natürlich.
Trotzdem ist er in der Skate-Szene eine Ausnahme. Weltweit gebe es
seines Wissens nur neun blinde Skater, die auf relativ
professionellem Niveau unterwegs seien, sagt Bruckmeier.
Einer davon ist der US-Amerikaner Dan Mancina, der regelmäßig Videos
seiner Tricks auf Instagram postet. In einem Video auf Youtube sagt
er, dass Skaten nicht wegen seiner Behinderung schwer sei. «Es ist
generell schwer.» Auch der Brasilianer Felipe Nunes bekommt im
Internet viel Applaus für seine Skate-Videos: Seit einem Unfall hat
dieser keine Beine mehr und macht alles aus der Kraft seiner Arme.
Skateboarder und Skateboarderinnen mit Behinderungen bekämen in der
Szene hohen Respekt, seien aber die absolute Minderheit, sagt Mirko
Holzmüller vom Verein Skateboard Deutschland. Dabei sei Skateboarden
der inklusivste Sport: Es sei unwichtig, ob man Frau, Mann oder
divers sei, welche Hautfarbe oder Religion man habe, ob man Anfänger
oder Profi sei oder ob man eine Behinderung habe. «Wichtig ist, dass
man fährt und Spaß dabei hat - wie ist egal.»
Johannes Bruckmeier will deshalb mehr junge Leute dafür begeistern.
Erst kürzlich war er eigenen Angaben nach in Hamburg, um blinden
Kindern das Skaten zu zeigen - auch in der Hoffnung, dass so etwas
künftig nichts Besonderes mehr ist. «Die Behinderung ist für mich
kein Problem. Es ist das Umfeld, dass diese zum Problem macht», sagt
er. «Wenn Leute ganz normal damit umgehen, hilft mir das.»
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