Der Mann für's Grobe: Uli Borowka wird 60 Von Alex Raack, dpa
Uli Borowka galt einst als härtester Fußballer der Bundesliga, später
wäre er fast an seiner Alkoholsucht zugrunde gegangen. Inzwischen ist
er einer der prominentesten Suchthelfer des Landes. Am Donnerstag
wird der ewige Eisenfuß 60 Jahre alt.
Bremen (dpa) - Als gar nichts mehr geht, die Fußballkarriere im Eimer
und die Familie vor seinen Ausbrüchen geflohen ist und der Alkohol
mal wieder von ihm Besitz ergriffen hat, versucht sich Uli Borowka
das Leben zu nehmen. Im Frühjahr 2000 liegen seine großen Zeiten als
knallharter Verteidiger zwar nur ein paar Jahre zurück, erscheinen
aber wie aus einer anderen Zeit.
Bei Borussia Mönchengladbach zu einem der besten Defensivspieler
gereift, ist Borowka bei Werder Bremen zum Nationalspieler und
Publikumsliebling aufgestiegen, hat Meisterschaften und Pokale
gewonnen. Schon da wissen die Verantwortlichen aber von seinen
Problemen. «Wir haben immer gesagt, Uli, wir geben dir Leute, die
davon Ahnung haben. Er hat das immer negiert. Vielleicht waren wir am
Anfang nicht hart genug», sagte der damalige Werder-Manager Willi
Lemke einmal der «Berliner Zeitung».
Vier Jahre nach dem Triumph im Europacup-Endspiel gegen die AS Monaco
wacht Borowka in seiner leeren Bremer Villa auf, ein alkoholkrankes
Wrack, dem das Leben aus den Händen geglitten ist. Tageskonsum: eine
Kiste Bier und zwei Flaschen Wodka. Borowka, 37 Jahre alt, vermengt
Schmerzmittel und andere Medikamente mit Resten von Rotwein und Bier
und leert das Glas auf einen Zug.
Seinen Suizidversuch hat Uli Borowka glücklicherweise überlebt. Und
was noch viel beeindruckender ist: auch den Kampf gegen die Droge
Alkohol. Wenn er an diesem Donnerstag 60 Jahre alt wird, ist er seit
knapp 22 Jahren trocken. Borowka hat fast 400 Bundesligaspiele
absolviert, sechs Titel gewonnen, doch an diesen Erfolg, aufgestellt
in einer Suchtklinik in Fredeburg, kommen kein Sieg und keine
gelungene Blutgrätsche heran.
Den Zweikampf gegen die Sucht führt der EM-Teilnehmer von 1988 bis
heute. Seine 2012 erschienene Biografie «Volle Pulle» und das
überwältigende Echo auf seine schonungslose Offenheit motivierten
Borowka zur Gründung des Vereins «Suchtprävention und Suchthilfe
e.V.». Seitdem ist er regelmäßig in Schulen, Firmen oder Gefängniss
en
zu Gast, um über seine Erfahrungen zu sprechen. Längst hat er sich
als einer der prominentesten Suchtexperten profiliert.
«Ich bekomme regelmäßig Nachrichten von suchtkranken Menschen -
Leistungssportler, Journalisten, Handwerker, Soldaten, Juristen, da
ist alles dabei. Und in der Regel sind die Leute randvoll, wenn sie
mich anrufen. Ich sage dann: Toll, dass du den Mut gefunden hast,
dich bei mir zu melden. Aber bitte ruf mich wieder an, wenn du
nüchtern bist», erzählt Borowka von seinem Alltag.
Er sieht sich als erster Ansprechpartner, der die Hilfesuchenden an
professionelle Anlaufstellen weitervermittelt. Und natürlich als
Frontmann in der Prävention, ganz besonders für Kinder und
Jugendliche. «Dass ich mit meinen 60 Jahren junge Menschen erreichen
kann, macht mich besonders stolz. Und gibt mir die Kraft, um
weiterzumachen.»
Die Corona-Pandemie hat auch Borowkas Leben und Wirken gewaltig
ausgebremst. Die Anfragen von Hilfesuchenden haben sich verzehnfacht,
gleichzeitig ist die Unterstützung für seine Arbeit immer weniger
geworden. Borowka fühlt sich desillusioniert von Politikern und
Entscheidungsträgern, denen jegliche Kenntnis sowie Verständnis für
die Materie Sucht und Prävention fehlt. «In den vergangenen zwei
Jahren ist viel zusammengebrochen. Immer mehr Menschen brauchen
Hilfe, doch die strukturellen Probleme bei der Bekämpfung von Süchten
sind nur noch größer geworden.»
Und nicht zuletzt hat ihn die Krise auch persönlich betroffen:
Lesungen, Vorträge oder andere Auftritte wurden abgesagt, der
selbstständige Suchtexperte fühlt sich «ausgelutscht wie eine
Zitrone». Als trockener Alkoholiker lebe man ohnehin in ständiger
Gefährdung vor dem Rückfall, die vergangenen Monate, sagt Borowka,
hätte er ohne die Unterstützung seiner Frau Claudia vermutlich nicht
schadenfrei überstanden.
Doch Uli Borowka wäre nicht Uli Borowka, wenn er nicht auch diese
Herausforderung als Chance begreifen würde. Zwei Stunden nach dem
Gespräch schickt Borowka eine Sprachnachricht: «Obwohl wir da ein
schweres Feld bearbeiten, habe ich nach wie vor Energie und Lust,
Menschen zu helfen. Da werden mich die Rückschläge der jüngeren
Vergangenheit auch nicht aufhalten.»
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