Uniklinik-Beschäftigte tragen dramatische Erfahrungsberichte vor

Seit Wochen läuft die Tarifauseinandersetzung an den NRW-Unikliniken.
Beschäftigte greifen nun zu einem neuen Mittel: Sie machen anonym
Erlebnisse publik, die ihnen nach eigenen Angaben bei der Arbeit
widerfahren sind. Personalmangel sei brandgefährlich - für alle.

Köln (dpa/lnw) - Verzweiflung, Tränen im Schwesternzimmer und einsam
sterbende Patienten: Uniklinik-Beschäftigte haben mit dramatischen
Erfahrungsberichten aus ihrem Alltag auf die Gefahren von
Personalmangel in Krankenhäusern hingewiesen. Mehrere
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter trugen am Montag in Köln in einer
Kirche Texte vor, die nach Angaben der Organisatoren von Kolleginnen
und Kollegen verfasst worden waren - anonymisiert, da sie den
Anspruch hatten, aus dem Innersten der Kliniken zu berichten. «Wir
sehen alle, wie wir selbst daran kaputt gehen. An einem Beruf, der
eigentlich so schön sein könnte», sagte eine Sprecherin.

Von «Fließbandarbeit» war die Rede, in der keine Zeit für Trauer
bleibe. Ein Corona-Patient sei allein gestorben, weil es unmöglich
gewesen sei, ihm aufgrund der Personal-Lage noch Gesellschaft zu
leisten. «Ich habe dem Patienten von draußen beim Sterben zugucken
müssen, weil zu wenig Personal da war», hieß es in dem Text. Auch f
ür
Essen oder Getränke bleibe mitunter keine Zeit.

Eine Autorin berichtete in den auch online veröffentlichten
Dokumenten, wie sie nach dem Tod eines Kindes in der Notaufnahme
zurück auf die Station gegangen sei. Dort habe man «funktionieren»
müssen. «Als ich später weinend im Schwesternzimmer zusammenbrach,
hatte keine andere Schwester auch nur eine Minute Zeit, mich zu
trösten.» In einem anderen Text wurde berichtet, wie eine Frau bei
einer Untersuchung krampfte. «Sofort rannte ich in den
Untersuchungsraum, holte die Patientin aus dem Gerät, hielt sie fest
und schrie um Hilfe», hieß es. «Doch leider hörte mich niemand, den
n
ich war allein.»

Hintergrund der «Schwarzbuch Krankenhaus» genannten Aktion ist die
laufende Tarifauseinandersetzung an den NRW-Unikliniken. Mit Streiks
machen Verdi und Beschäftigte seit Wochen Druck bei den Verhandlungen
mit den Arbeitgebern über einen sogenannten Tarifvertrag Entlastung.

Auch Promis unterstützten das «Schwarzbuch Krankenhaus», etwa der
bekannte Kriminalbiologe Mark Benecke. Einen Text las der Kabarettist
Christoph Sieber vor. «Dass eine Kirche so voll ist, das hat's
in Köln wahrscheinlich auch schon länger nicht mehr gegeben», merkt
e
er angesichts des Zulaufs der Aktion an. Das Bistum von Kardinal
Rainer Maria Woelki befindet sich seit geraumer Zeit in einer Krise.

Mehrere Kliniken reagierten auf die Aktion und die Vorwürfe - etwa,
dass Menschen wegen Personalmangels Schaden nehmen würden. «Die im
«Schwarzbuch Krankenhaus» enthaltenen anonymen Schilderungen
enthalten keine konkreten Angaben zu den jeweiligen Krankenhäusern,
zum Zeitpunkt des Geschehens oder zu den beteiligten Personen.
Insofern ist eine Zuordnung und damit inhaltliche Aufarbeitung der
beschriebenen Fälle nicht möglich», erklärte ein Sprecher der
Uniklinik Köln. Beschäftigte könnten aber auf mehreren Wegen
kritische Situationen melden. «In allen Fällen wird nach
Möglichkeiten gesucht, sofort Abhilfe zu schaffen.»

Die Unikliniken unterstützten zudem das Vorhaben, «mit einem
Personalaufbau in der Pflege die Personalschlüssel im Rahmen des
Tarifvertrags Entlastung deutlich zu verbessern», hieß es weiter.

Die Universitätsmedizin Essen erklärte, man arbeite «seit vielen
Jahren permanent und intensiv an der Verbesserung der
Patientensicherheit». «Als eine von wenigen Unikliniken werden bei
uns sämtliche gemeldete Fälle systematisch aufgearbeitet und
analysiert, um fehlerbeeinflussende Faktoren zu identifizieren und
abzustellen», hieß es. «Besonders wichtig ist uns dabei eine auf
Vertrauen basierende Fehler- und Sicherheitskultur.»