Expertinnen zu Wechseljahren: Schluss mit reinem Defizitdenken Von Sandra Trauner, dpa
Weltweit fordern Frauenärztinnen, die Menopause neutraler zu
betrachten. Diese Lebensphase habe auch ihre guten Seiten. Man müsse
ältere Frauen «feiern» und ihnen positive Rollenbilder anbieten.
Frankfurt/Main (dpa) - Die Wechseljahre als Herbst des Lebens, als
Abschied von der Fruchtbarkeit, als eine Phase mit Beschwerden und
Einschränkungen: Der ausschließlich negative Blick auf die Menopause
müsse dringend geändert werden, fordern Expertinnen und Experten
verstärkt. Neu ist auch, dass prominente Frauen offen über ihre
persönlichen Erfahrungen berichten, zuletzt etwa Hollywoodstar Salma
Hayek und die frühere First Lady Michelle Obama.
«Zeit für Veränderung: Wir brauchen eine neue Einstellung zur
Menopause» lautete in diesem Sommer der Titel eines Leitartikels in
«The Lancet». Die Menopause werde zu Unrecht stigmatisiert, heißt es
darin. Man brauche dringend «einen ganzheitlichen und individuellen»
Blick auf diese Lebensphase. «Die Wechseljahre sind in zu vielen
Gesellschaften lange negativ belegt gewesen - oder totgeschwiegen
worden.»
Ja, viele Frauen hätten Probleme in dieser Phase, manche litten unter
Hitzewallungen und Nachtschweiß, Niedergeschlagenheit und kognitiven
Einschränkungen, dem Nachlassen sexueller Lust oder Schlafstörungen.
Aber viele Frauen hätten diese Probleme eben auch nicht - nur erlaube
es der Diskurs kaum, die positiven Seiten wahrzunehmen. Vorteile
können zum Beispiel sein, dass die lästige Regelblutung ausbleibt und
dass man nicht mehr verhüten muss. Die Menopause könne auch einen
Neubeginn markieren: «Die Menopause kann eine Zeit sein, sein Leben
neu zu erfinden.»
Die Menopause ausschließlich «als behandlungsbedürftiges
Hormondefizit» zu sehen, sei falsch, sind Medizinerinnen um Martha
Hickey von der University of Melbourne und dem Royal Women's Hospital
Victoria (Australien) überzeugt. Das schüre negative Erwartungen und
sei damit potenziell schädlich - denn Frauen mit negativen
Erwartungen entwickelten häufiger Symptome, erläutern sie im
Fachmagazin «British Medical Journal» («BMJ»).
Hickey und ihre Kolleginnen fordern «ein realistischeres und
ausgewogeneres Narrativ» für das weibliche Altern. Sie schlagen vor,
Frauen besser aufzuklären und das Positive zu betonen: «Das Altern
von Frauen als normal anzusehen, Stärke, Schönheit und
Errungenschaften älterer Frauen zu feiern, kann das Narrativ ändern
und positive Rollenmodelle anbieten.»
«Die zweite Lebenshälfte ist nicht der «Herbst des Lebens», sagt au
ch
die Wiesbadener Frauenärztin Sheila de Liz, die mit «Woman on Fire»
(Rowohlt) einen Bestseller über die Wechseljahre geschrieben hat, in
einem Trailer zu ihrem Buch. «Es ist mehr der Hochsommer.» Auch de
Liz findet, dass das Bild dieser Lebensphase sich ändern muss: «Es
ist an der Zeit, dass wir über die Wechseljahre und ihre Vorteile
sprechen.»
Katrin Schaudig, Präsidentin der Deutschen Menopause Gesellschaft,
findet den Ansatz gut, ist aber skeptisch, wie das praktisch aussehen
soll. Etwa 30 bis 50 Prozent aller Frauen hätten in den Wechseljahren
Beschwerden, die ihre Lebensqualität beeinträchtigen, sagt die
Mit-Autorin des Buches «Kompass Wechseljahre» (Trias Verlag). «Es
gibt Frauen, die haben richtig ätzend schlimme Probleme. Da hilft es
auch nichts, wenn man die Menopause neu bewertet. Das kann man sich
nicht schönreden.»
Die Hamburger Gynäkologin sagt aber auch: «Dass die Wechseljahre auch
Vorteile haben, ist unbestritten.» Dass das Thema so «unpopulär» is
t,
nur «verschämt» diskutiert wird, liegt ihrer Ansicht nach am Bild,
das unsere Gesellschaft von alten Frauen hat: «Alt gleich arm,
schrumpelig, krank und doof.» Könnten wir das Alter positiver sehen,
wäre auch die Menopause als «point of no retun» Richtung Alter
weniger negativ behaftet.
Die Forderung nach radikaler Umdeutung findet Schaudig «etwas
gestelzt». Wichtiger sind ihr drei andere Punkte: Das Thema müsse
«entideologisiert» werden, Frauen müssten besser aufgeklärt werden
und Gynäkologen besser ausgebildet. Hormonbedingte Probleme in den
Wechseljahren kämen in der überwiegend klinischen Ausbildung kaum
vor. «Aber die Fachgesellschaften sind da dran», sagt Schaudig, die
auch für die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie und die
Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe spricht.
Viele Diskussionen gibt es nach wie vor um einen Behandlungsweg in
den Wechseljahren: die Hormonersatztherapie. Von den einen als Lösung
vieler Probleme angepriesen, von anderen wegen der potenziellen
Nebenwirkungen entschieden abgelehnt. Laut Techniker Krankenkasse
(TK) bekamen 2021 nur noch gut sechs Prozent der bei der TK
versicherten erwerbstätigen Frauen zwischen 45 und 65 Jahren ein
Hormonpräparat verordnet. Die Zahl der Verordnungen sinkt seit
Jahren, wie der TK-Gesundheitsreport zeigt. Zur Jahrtausendwende
hatten noch 37 Prozent Hormone gegen Wechseljahresbeschwerden
eingenommen.
Das inzwischen häufig negative Bild dieser Behandlung wurde Anfang
der 2000er Jahre geprägt. Damals erschien die «Women`s Health
Initiative Study», die die Risiken der Therapieform herausstellte.
«Es hat Jahre gedauert und eine Fülle von Daten gebraucht, bis man zu
dem Schluss kam, dass der Nutzen einer HRT (Hormone Replacement
Therapy) größer sei als deren Risiken», heißt es dazu im
«Lancet»-Editorial.
Schaudig findet beide Extrempositionen falsch. «Jede Frau ist anders,
jede Frau braucht eine andere Therapie», sagt die Gynäkologin. Das
wichtigste To-do bei der Menopause ist aus ihrer Sicht, die
Behandlung zu individualisieren, die Beratung zu verbessern, die
Therapie maßzuschneidern auf die Bedürfnisse der jeweiligen Frau.
Ein Schritt in diese Richtung könnten Östrogen-Tabletten sein, die
vaginal eingeführt werden. Sie sind in Großbritannien inzwischen ohne
Rezept erhältlich. Zoe Schaedel und Janice Ryder vom Department of
Women and Children's Health am King's College in London bewerteten
die Freigabe in «Lancet» positiv. Sie helfen gegen das urogenitale
Menopausensyndrom, zu dem unter anderem Scheidentrockenheit gehört,
ebenso wie Schwierigkeiten beim Urinhalten oder der Verlust sexueller
Lust.
Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) gibt zu bedenken,
dass es Einschränkungen gibt: Das vaginale Östrogen werde nicht vom
ganzen Körper verarbeitet, erklärt die DEG in einem Blog-Beitrag zum
Thema. Eine vaginale Therapie helfe im Gegensatz zur systemischen
Therapie nicht gegen andere Menopausen-Symptome wie Hitzewallungen,
Nachtschweiß, gedrückte Stimmung oder Schlafprobleme.
Eine Studie aus Norwegen hatte kürzlich auch herausgefunden, dass
Frauen nach der Menopause häufiger schnarchen und öfter an
Schlafapnoe leiden, wie die Forschenden der Universität Bergen im
Fachjournal «PLOS ONE» berichten. Der Begriff Menopause kommt
übrigens vom griechischen Wort «menos» für Monat und «pause» f
ür
enden, also das Ausbleiben der Monatsblutung.
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