Nach drei Corona-Jahren: Wer braucht künftig noch die Impfung? Von Gisela Gross, dpa
Damit nahm die Pandemie ihren Lauf: Vor drei Jahren wurde die erste
Corona-Ansteckung in Deutschland bestätigt. Mittlerweile hat sich die
Lage beruhigt. Aber was bedeutet das für die Zukunft des Impfens
gegen Sars-Cov-2?
Berlin (dpa) - Große Impfzentren sind geschlossen, Inzidenzwerte in
den Hintergrund gerückt. Und das Covid-19-Impfzertifikat? Schon lange
nicht mehr vorgezeigt. Aus Kliniken ist zu hören, Covid-19-Patienten
seien Teil des Alltags geworden. Trotz dieser Entwicklungen: Auch
drei Jahre nach dem ersten bestätigten Corona-Fall in Deutschland am
27. Januar 2020 werden Überlegungen zum Impfen gegen Corona nicht
hinfällig. Ein Überblick.
Der Stand: Seit einigen Monaten sind neue Impfstoffe vorhanden, die
an die Omikron-Variante angepasst wurden. Laut Empfehlung der
Ständigen Impfkommission (Stiko) sollen bestimmte Gruppen wie
Menschen ab 60 eine zweite Auffrischimpfung damit bekommen, um den
Schutz vor einem schweren Krankheitsverlauf zu verbessern. Die
Impfquoten für zweite Booster sind bisher jedoch niedrig und
schwanken regional stark. «Ich war zwischenzeitlich enttäuscht. Ich
hätte mir eine größere Akzeptanz der empfohlenen Impfungen
gewünscht», sagt Stiko-Chef Thomas Mertens.
Bevölkerung: Trotz Impflücken - Fachleute sprechen unter dem Strich
von einer guten Grundimmunität. Der Virologe Christian Drosten gab
kürzlich im Podcast «Coronavirus-Update» zu bedenken, dass das Virus
jetzt viel besser übertragbar sei als zu Beginn der Pandemie. Einer
der Hauptgründe für die relative Ruhe derzeit sei die
Bevölkerungsimmunität, die die Verbreitung des Erregers eindämme.
Dauerhafte Ruhe? Wie lange dieser Schutz anhält, wird die Forschung
im Auge behalten. «Das müssen wir künftig beim Aufkommen neuer
Varianten sehr genau beobachten, etwa anhand von
Krankenhausaufnahmen», sagte der Direktor der Klinik für
Infektiologie der Berliner Charité, Leif Erik Sander. Auch wenn es
wegen der immer noch relativen Neuheit von Sars-CoV-2 keine Daten zu
längeren Zeiträumen gibt, sehen manche Forscher Anlass zu Optimismus.
Der Immunologe Andreas Radbruch etwa geht anhand der Daten zum ersten
Sars-Virus (2002/03) von anhaltender Immunität aus.
Künftige Herbst-Booster? Manche Mediziner äußern die Vorstellung,
dass gegen Corona künftig stets im Herbst geimpft werden sollte, wie
vor der Grippewelle. Sander ist allerdings skeptisch, ob die
kommenden Corona-Wellen bereits so planbar in die Wintermonate fallen
werden wie typischerweise bei Grippe: «Bis wir wirklich synchrone,
streng saisonale Corona-Wellen haben, dürfte es noch eine Weile
dauern.» Daher seien regelmäßige Corona-Impfungen bei bestimmten,
gefährdeten Gruppen womöglich alle ein bis zwei Jahre vorstellbar.
Und was sagt die Stiko? Man müsse davon ausgehen, dass primär
bestimmte Risikogruppen in Zukunft weitere Auffrischimpfungen
bekommen sollten, sagt Mertens. Den zeitlichen Abstand könne man
wissenschaftlich noch nicht genau benennen, womöglich sei ein
Jahresabstand vernünftig.
Wer besonders gefährdet ist: Stark vereinfacht könne man sagen, dass
das Risiko für einen schweren Covid-19-Krankheitsverlauf mit dem
Alter und der Zahl der Vorerkrankungen zunehme, sagt der Stiko-Chef.
«Im Einzelnen muss das jeder mit seinem Arzt besprechen.» Hinzu kämen
Menschen, deren Immunsystem wegen Erkrankungen und/oder Medikamenten
nicht zu 100 Prozent funktioniert - bei ihnen können Mertens zufolge
auch weitere Schutzmaßnahmen wie Abstand und Masken sinnvoll sein.
Menschen, bei denen die Impfung gar nicht wirkt, sollten Sander
zufolge im Fall einer Corona-Infektion auch sehr früh behandelt
werden. «Zum Beispiel mit antiviralen Präparaten lässt sich das
Risiko einer schweren Erkrankung sehr deutlich verkleinern.»
Schutz vor (Wieder-)Ansteckung: «Der Schutz vor schwerer Erkrankung
durch die Impfungen ist sehr gut, aber das Vermeiden einer
Reinfektion ist mittels Impfung höchstens für einen kurzen Zeitraum
möglich», sagte Mertens. Für Menschen ohne Risiken für schweres
Covid-19 erwarte er daher derzeit auch keine Ausweitung der
Impfempfehlung. Für den Charité-Infektiologen Sander ist denkbar,
dass Jüngere mit gesundem Immunsystem womöglich nur noch alle paar
Jahre eine Auffrischung brauchen - falls das Virus selbst nicht mit
wiederholten Infektionen für die Auffrischung sorgt. Perspektivisch
sei auch mit weiterentwickelten Impfstoffen zu rechnen.
Impfmotivation: Die Zeit der Lockaktionen, etwa mit Gratis-Bratwurst
für Impfwillige, sind bekanntlich vorbei. Anstrengende, langfristige
Arbeit stehe bevor, um gefährdete Menschen künftig mit Impfangeboten
zu erreichen, sagte Sander. Eines stört ihn: «Manche verbreiten jetzt
im Nachhinein das Narrativ, dass die Corona-Impfung überflüssig
gewesen sei. Dabei war sie vielmehr der entscheidende Schalter, um
aus der Pandemie herauszukommen.»
Der erste Nachweis einer Corona-Infektion in Deutschland war am 27.
Januar 2020 in Bayern bekanntgegeben worden. Mit Stand 25. Januar
2023 wurden dem RKI mehr als 37,7 Millionen im Labor bestätigte
Infektionen gemeldet. Hinzu kommen unzählige weitere unter dem Radar.
Die Zahl der Gestorbenen in dem Zusammenhang liegt mittlerweile bei
über 165 000.
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