Kinder nach Pandemie weiter belastet - Regierung beschließt Hilfen Von Sascha Meyer und Stella Venohr, dpa

Seit der Corona-Pandemie leiden mehr Kinder an Essstörungen und
psychischen Belastungen - das zeigt der Bericht einer Expertengruppe.
Die Bundesregierung will dagegen vorgehen. Schulen sollen dabei eine
zentrale Rolle spielen.

Berlin (dpa) - Geschlossene Schulen, kein Fußballspielen im Verein
und verpasste Geburtstagsfeiern: In der Corona-Pandemie mussten
Kinder und Jugendliche an vielen Stellen verzichten und die Folgen
davon halten bis heute an. 73 Prozent sind dem Bericht einer
Expertengruppe zufolge immer noch psychisch angeschlagen. Daher will
die Bundesregierung Kinder und Jugendliche mit einem Maßnahmenkatalog
künftig besser bei der Bewältigung der psychosozialen Belastungen
durch die Corona-Pandemie unterstützen. Den entsprechenden Bericht
und Handlungsempfehlungen beschloss das Bundeskabinett am Mittwoch.

«Wie so oft trifft es Kinder aus ärmeren Familien besonders hart:
Kinder von Alleinerziehenden, aus Familien mit Migrationshintergrund,
diejenigen, die in beengten Wohnverhältnissen leben oder psychisch
belastete Eltern haben», sagte Bundesfamilienministerin Lisa Paus
(Grüne).

Der beschlossene Bericht sieht nach Angaben ihres Ministeriums
Vorhaben in fünf Handlungsfeldern vor - etwa Investitionsprogramme
des Bundes zum Kita-Ausbau und bessere medizinische Versorgung von
Kindern und Jugendlichen. Zu den geplanten Maßnahmen zählen auch
Hilfen im Umfang von 56 Millionen Euro für Familien mit Kindern unter
drei Jahren.

Außerdem sollen Kinder beim Jugendamt psychosoziale Beratung in
Anspruch nehmen können, ohne dass ihre Eltern darüber informiert
werden. «Besonders Mädchen leider häufiger als zuvor unter
Essstörungen, Angststörungen und Depressionen», sagte Paus.

Handlungsort sollen auch die Schulen werden. «Man muss Hilfsangebote
vor Ort machen. Auch der öffentliche Gesundheitsdienst kann in
Schulen tätig werden», sagte der Direktor der Klinik und Poliklinik
für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Dresden,
Reinhard Berner. Der Mediziner ist Teil des Expertenteams des
Berichts. «Gesundheit und Gesundheitskompetenz müssen in den Schulen
verstärkt werden.» Das sei nicht nur Hygiene, wie richtiges
Händewaschen, sondern auch Zahngesundheit, psychische Gesundheit oder
Impfungen.

Dem Beschluss nach sollen zudem ab dem Schuljahr 2023/24 Fachkräfte
an Schulen im Rahmen eines Modellprogramms des Familienministeriums
bei Fragen zur mentalen Gesundheit und bei akuten psychischen Krisen
unterstützen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sagte, nachdem Kinder unter
der Pandemie und den Bekämpfungsmaßnahmen besonders gelitten hätten,

schulde man ihnen, dass ihre Versorgung jetzt Priorität habe. Der
SPD-Politiker rief Eltern dazu auf, vorsorgende U-Untersuchungen auf
jeden Fall wahrzunehmen. Wenn Kinder auffällig seien, depressiv
wirkten oder sich zurückzögen, sollten Eltern sie im Zweifelsfall
immer von Psychologen oder Ärzten untersuchen lassen. Es gelte, frühe
Störungen zu behandeln, so dass Kinder gute Prognosen haben.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband begrüßt die Maßnahmen und forder
t
noch weitere Hilfen beim Thema Wohnen. «Da müssen wir noch mal
wirklich nacharbeiten und gucken, wie kann sich Jugendhilfe massiv in
Wohnungspolitik einmischen», sagte Geschäftsführer Ulrich Schneider.

«Wir haben in der Coronakrise gelernt, dass wir einen großen Teil von
Wohnungen haben, wo Kinder keine Möglichkeit der Selbstentfaltung
haben.» Wenn dann eine Krise komme, wie etwa der Lockdown, dann sei
auch wirklich Schluss.

Das bestätigt auch Schulsozialarbeiterin Karolin Kroggel. «Die
Lebenswelt der Kinder in meiner Schule ist oft beengt und
anstrengend», sagte Kroggel. Sie habe neulich gefragt, wer ein
eigenes Zimmer habe - von 80 Kindern habe sich eins gemeldet.

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