Ex-Minister Spahn bestreitet Kontakt zu angeklagtem Ex-Unternehmer

Im Prozess um einen möglichen Betrugsversuch bei der Lieferung von
Coronamasken sagt ein früherer Bundesminister vor Gericht aus. Die
Befragung ist auch für ihn als Zeugen schwierig.

Osnabrück (dpa/lni) - Hat er oder hat er nicht? Jens Spahn, bis
Herbst 2021 Bundesgesundheitsminister, ließ keinen Zweifel daran,
dass er den wegen versuchten Betrugs angeklagten Ex-Unternehmer nie
getroffen hat. Er könne sich weder an ein Gespräch noch an eine
Begegnung mit dem Mann erinnern, sagte der CDU-Politiker am Dienstag
in der Verhandlung im Landgericht Osnabrück. Dem Angeklagten wirft
die Staatsanwaltschaft vor, zu Beginn der Corona-Pandemie Ende April,
Anfang März 2020 dem Bundesgesundheitsministerium über einen
gutgläubigen Mittelsmann Schutzmasken zum Kauf angeboten zu haben zu
einem Gesamtkaufpreis von 42 Millionen Euro. Er sei aber nie in der
Lage gewesen, diese auch zu liefern. Der Vertrag kam nicht zustande.

Der Angeklagte wurde im vergangenen Jahr schon einmal verurteilt -
damals ging es um Betrug bei Windkraftgeschäften mit ausländischen
Energiekonzernen. In der damaligen Verhandlung hatte er unter anderem
über eine Begegnung und Gespräche mit Spahn erzählt. So sollen sich
der Angeklagte und Spahn im Frühjahr 2020 im Berliner Luxushotel
Adlon persönlich getroffen haben, um nicht nur über den Kauf von
Coronamasken, sondern auch über Desinfektionsmittel zu reden. In der
damaligen Verhandlung sagte der Angeklagte auch, dass Spahn eine
persönliche finanzielle Beteiligung an dem Geschäft erwarte.

Es ging also um den in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung
entstandenen Eindruck, Spahn könne bestechlich sein. Die
Staatsanwaltschaft informierte daraufhin den Politiker, der
seinerseits den Angeklagten für diese Behauptung anzeigte.

So erschien der CDU-Politiker am späten Vormittag im Gerichtssaal.
Zuvor weigerte er sich, den Saal zu betreten, solange Fotopresse
anwesend war. Auch der Richter ließ Kameras im Saal nicht zu, sodass
es keine Aufnahmen des Medienprofis Spahn aus dem Gericht gab.

Dabei wäre das eine Premiere für den CDU-Mann gewesen. «Ich bin heute

wirklich zum ersten Mal vor Gericht», sagte Spahn - wenn man einmal
von einem Termin beim Bundesverfassungsgericht absehe. Er habe auch
vier Semester Jura studiert, das aber abgebrochen. «Ach, das ist ja
interessant. Davon wusste ich gar nichts», antwortete der Vorsitzende
Richter Norbert Carstensen in jovialem Tonfall. So verlief der erste
Teil der etwas über eine Stunde dauernden Zeugenvernehmung für Spahn
noch ganz entspannt. Das sollte sich aber ändern.

Zuerst schilderte Spahn dem Gericht die Versorgungslage mit Masken im
Frühjahr 2020: China, als praktisch einziges Produktionsland, habe zu
Beginn der Pandemie den Export gestoppt, auf der ganzen Welt gab es
keine medizinische Schutzausrüstung in der notwendigen Menge zu
kaufen. Er habe in dieser Zeit jeden Tag Anfragen von Kliniken
bekommen. Er habe auch Tausende von Mails mit Angeboten für
Maskenlieferungen erhalten. Die habe er aber nicht ernst genommen -
in der Regel hätten sich aus den Angeboten nie Lieferverträge
ergeben. Zuständig sei ohnehin eine Fachabteilung in seinem
Ministerium gewesen; dorthin habe er die Angebote weitergeleitet.

Das Angebot des Angeklagten sei eine dieser Mails gewesen, sagte
Spahn. Die Mail war ihm von einem früheren Mitarbeiter einer
Versandapotheke geschickt worden, der zu dieser Zeit als eine Art
Lobbyist für den heutigen Angeklagten arbeitete. Spahn und dieser
Mann kennen und duzen sich. Beide hätten sich in der Jungen Union
kennengelernt, sagte Spahn.

Aufgrund der Mails gewänne man den Eindruck, dass zwischen Spahn und
dem Mittelsmann ein sehr persönliches Verhältnis bestanden habe,
sagte der Richter. «Wir haben vielleicht zwei bis drei Mal im Jahr
Textnachrichten ausgetauscht», sagte Spahn. Er habe das Angebot nicht
ernst genommen und eine freundliche Absagemail geschrieben.
«Vielleicht war sie so freundlich formuliert, dass man die Absage
darin nicht erkannt hat», räumte er ein.

Warum er die Firma des Angeklagten nicht auf das damalige
Maskenbeschaffungsverfahren des Ministeriums hingewiesen habe, fragte
Carstensen: «Das wäre noch freundlicher gewesen.» Immerhin sei das
Angebot des Angeklagten günstiger gewesen als die Lieferverträge, die
die Bundesregierung später mit anderen Lieferanten schloss.

Spahns Antwort: Er könne sich nicht erinnern, er sei seit anderthalb
Jahren kein Minister mehr und habe daher auch keinen Zugriff mehr auf
Akten des Ministeriums. Und damals habe er jeden Tag 50
Entscheidungen treffen müssen.

Als der Politiker sagt, dass er nicht mehr wisse, ob in den Verträgen
von Brutto- oder Nettopreisen die Rede gewesen sei, entfuhr dem
Richter ein ungläubiges «Aber Herr Spahn!» Spahn präzisierte: Damal
s
habe er es natürlich gewusst, nur jetzt, drei Jahre später, wisse er
es nicht mehr: «Nur, dass da kein falscher Eindruck entsteht.»

Als der Richter noch nachbohrt, ob Spahn Beteiligungen an
ausländischen Unternehmen habe oder wie er und sein Mann ihre Villa
in Berlin finanzierten, platzte dem sichtlich verärgerten Politiker
der Kragen: «Ich finde es langsam ehrenrührig, was Sie hier fragen,
Herr Vorsitzender!» Auf die Frage, ob er beim Ankauf von Masken
persönlich profitiert habe, sagte Spahn nur ein Wort: «Nein.»

Zum Ende der Vernehmung gab sich Carstensen versöhnlich. «Ich hoffe,
dass Sie das nicht persönlich nahmen, aber wir müssen die Wahrheit
herausfinden», sagte er. Spahn verzichtete auf die jedem Zeugen
zustehende Erstattung von Kosten und stürmte aus dem Gerichtssaal.

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