Pflege drohen neue Finanzrisiken - Bund will Zuschuss streichen Von Sascha Meyer, dpa

Gerade wurde eine Finanzreform beschlossen, um die Pflegeversicherung
abzusichern - deswegen gelten ab Samstag auch höhere Beiträge. Da
kommt die Botschaft, dass der Bund an anderer Stelle kürzen will.

Berlin (dpa) - Der Pflegeversicherung drohen wegen Einsparungen zur
Sanierung des Bundeshaushalts 2024 neue finanzielle Risiken. Im Etat
seines Ressorts fällt der Pflege-Zuschuss von einer Milliarde Euro
weg, wie Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Freitag bei
Twitter mitteilte. «Es wird aber keine Leistungskürzung geben.» Einen

dauerhaften Bundeszuschuss von jährlich einer Milliarde Euro für die
Pflegeversicherung hatte noch die Vorgängerregierung von Union und
SPD eingeführt. Patientenschützer, Pflegekassen und Gewerkschaften
kritisierten die Sparpläne. An diesem Samstag wird der Pflegebeitrag
bereits um 0,35 Prozentpunkte erhöht, für Kinderlose noch etwas mehr.

Finanzminister Christian Lindner (FDP) will den Entwurf für den Etat
2024 in der kommenden Woche vorlegen. In der Regierung gibt es seit
Wochen schwierige Verhandlungen darüber. Lindner hatte Briefe an die
Ministerien mit Vorgaben verschickt, wie viel Geld jedes Ressort im
nächsten Jahr ausgeben darf. Der Haushalt soll ohne Steuererhöhungen
auskommen und die Schuldenbremse wieder einhalten. Über den geplanten
Wegfall des Pflegezuschusses berichtete zunächst der «Spiegel».

Vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen, der auch
die Pflegekassen vertritt, kam umgehend Kritik. Mit der Streichung
selbst des kleinen Bundeszuschusses spare die Regierung einmal mehr
zulasten der Pflegeversicherung - statt den Zuschuss endlich
angemessen zu erhöhen. Die Sozialversicherungsbeiträge für pflegende

Angehörige habe der Bund auch an die Pflegekassen abgeschoben. Die
Deutsche Stiftung Patientenschutz monierte, die Ampel-Koalition
trockne das Langzeitpflege-System aus. «Damit unterstreicht die
Bundesregierung ihre politische Ignoranz gegenüber den Nöten und
Sorgen der pflegebedürftigen Menschen», sagte Vorstand Eugen Brysch.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) protestierte scharf. «Mitten im
Pflegenotstand den Pflegezuschuss zu streichen, ist ebenso dumm wie
zynisch - gegenüber zu Pflegenden genauso wie gegenüber den
Pflegekräften», sagte Vorstandsmitglied Anja Piel der Deutschen
Presse-Agentur. Um Pflegebedürftige und Angehörige zu entlasten,
müsste der Zuschuss erhöht werden. Bleibe es bei der Kürzung, sei das

«eine sozial- und pflegepolitische Bankrotterklärung» der Regierung.


Zur Stabilisierung der Pflegeversicherung hatte der Bundestag gerade
erst eine Reform beschlossen, die am Samstag in Kraft tritt. Sie soll
pro Jahr 6,6 Milliarden Euro zusätzlich mobilisieren und die Finanzen
damit vorerst bis 2025 absichern. Dazu wird am Samstag bereits der
Pflegebeitrag erhöht. Die Reform von Lauterbach bringt Anfang 2024
dann auch Verbesserungen für Pflegebedürftige im Heim und zu Hause.

Ein Überblick über die Änderungen der Pflegebeiträge:

- Der Beitrag lag bisher bei 3,05 Prozent des Bruttolohns, für
Menschen ohne Kinder bei 3,4 Prozent. Jetzt wird er erhöht, und zwar
in Kombination mit Änderungen wegen eines Urteils des
Bundesverfassungsgerichts. Demnach muss stärker danach unterschieden
werden, ob man Kinder hat oder nicht.

- Alles in allem steigt der Beitrag für Kinderlose so auf 4 Prozent
und für Beitragszahler mit einem Kind auf 3,4 Prozent. Der enthaltene
Arbeitgeberanteil geht von 1,525 Prozent auf 1,7 Prozent herauf.

- Konkret wird der Pflegebeitrag für größere Familien für die Dauer

der Erziehungsphase bis zum 25. Geburtstag des jeweiligen Kindes
deutlicher gesenkt - und zwar schrittweise je Kind. Ab zwei Kindern
muss damit - bezogen auf den Arbeitnehmeranteil von bisher 1,525
Prozent - weniger gezahlt werden als bisher.

- Bei zwei Kindern beträgt der neue Arbeitnehmeranteil 1,45 Prozent,
bei drei Kindern 1,2 Prozent, bei vier Kindern 0,95 Prozent und bei
fünf und mehr Kindern 0,7 Prozent. Ist ein Kind älter als 25 Jahre,
entfällt «sein» Abschlag. Sind alle Kinder aus der Erziehungszeit,
gilt dauerhaft der Ein-Kind-Beitrag, auch wenn man in Rente ist.

Gewerkschaften und Arbeitgeber kritisierten die höheren Beiträge.
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger sagte der dpa, damit habe es sich
die Politik zu leicht gemacht. «Gerade in Zeiten hoher Inflation und
multipler Krisen muss die Politik alles tun, um die Beitragszahlenden
zu entlasten.» DGB-Vorstandsmitglied Piel kritisierte: «Die Erhöhung

der Pflegebeiträge in immer kürzeren Abständen ist ganz sicher nicht

die Rettung der Pflegeversicherung.» Nötig sei eine «echte Reform»,

die dafür sorge, dass sich alle im Ernstfall auf eine Pflege mit
guten Leistungen verlassen könnten, die nicht arm mache.

In diesem Jahr erwartet die Pflegeversicherung dank der höheren
Beiträge eine Rückkehr in die schwarzen Zahlen. Auszugehen sei von
einem «ganz leichten Überschuss», hatte der Spitzenverband erklärt.

Im vergangenen Jahr war die Pflegeversicherung mit einem Minus von
2,25 Milliarden Euro tiefer in die roten Zahlen gerutscht. Ohne die
Pflegereform hätten im Herbst akute finanzielle Engpässe gedroht.

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