Welche Sozialleistungen Migranten in Europa bekommen Von Torsten Holtz, dpa
Im Jahr 2022 haben in Ungarn 46 Menschen erstmals Asyl beantragt, in
Deutschland waren es 217 774. Politiker von CDU/CSU sagen, das liege
auch an den attraktiven staatlichen Leistungen hierzulande. Wie
werden Migranten hier und anderswo in der EU versorgt?
Berlin/Paris/Wien/Madrid (dpa) - Mit harten Aussagen über abgelehnte
Asylbewerber, die sich hierzulande «die Zähne neu machen lassen», hat
CDU-Chef Friedrich Merz eine Diskussion über Sozialleistungen für
Migranten losgetreten. Er vertritt die umstrittene These, Deutschland
sei auch deshalb ein Magnet für irregulär einreisende Migranten, weil
sie besser als anderswo in Europa versorgt werden. Dazu Hintergründe
und Vergleichszahlen:
Viele kommen nach Europa - und die meisten nach Deutschland
Im EU-Vergleich sind hierzulande im ersten Halbjahr mit Abstand die
meisten Asylanträge gestellt worden. Es waren nach Daten der
Europäischen Asyl-Agentur 30 Prozent aller Anträge - und damit fast
doppelt so viel wie in den nächstplatzierten großen EU-Staaten
Spanien (17 Prozent) und Frankreich (16 Prozent). Erst dahinter
rangieren Österreich und Italien. Und auch im Verhältnis zur
Bevölkerung liegt Deutschland vor Italien, Frankreich und Spanien: So
wurden von Januar bis Juni die meisten Asylanträge pro tausend
Einwohner in folgenden Ländern gestellt: Zypern (4,5), Österreich
(2,5), Estland (2), Deutschland (1,9), Luxemburg (1,8).
Die Zahl der Asylbewerber in Deutschland ist stark gestiegen. Von
Januar bis August stellten mehr als 204 000 Menschen erstmals einen
Antrag - 77 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Hinzu kommen
inzwischen mehr als eine Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine,
die keinen Asylantrag stellen müssen.
Welche Leistungen Migranten bekommen
Die Sozialleistungen für Asylbewerber in Europa klaffen deutlich
auseinander, wie eine Untersuchung der Wissenschaftlichen Dienste des
Bundestags von März zeigt. So können Drittstaatler in laufenden
Asylverfahren in Österreich und Deutschland mehr als 400 Euro pro
Monat erhalten. In Großbritannien gibt es demnach umgerechnet etwa
210 Euro, in Schweden 180, in Griechenland 150 und in Ungarn nur 60
Euro. Zu bedenken ist dabei, dass sich Kaufkraft,
Durchschnittseinkommen und Lebenshaltungskosten von Land zu Land
stark unterscheiden. So ist etwa der in Deutschland verdiente Euro in
Bulgarien doppelt so viel wert. Und in Dänemark ist der
Bruttomonatsverdienst doppelt so hoch wie in Spanien. Auch in dem
Sachstandsbericht der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags heißt
es daher einschränkend, es sei «schwierig, international
vergleichbare Daten zu erheben und zu interpretieren».
Beispiele für die Versorgung von Migranten
In GRIECHENLAND erhält ein Asylbewerber monatlich 150 Euro. Die
Menschen leben dann entweder in Auffanglagern oder ihre Wohn- und
Heizkosten werden übernommen. Außerdem haben sie Anspruch auf
medizinische Versorgung. Schwangere und Menschen mit Behinderungen
werden zusätzlich finanziell unterstützt. Zum Vergleich: Griechen und
EU-Bürger, die in Griechenland leben und Anspruch auf Sozialhilfe
haben, erhalten 200 Euro im Monat.
Werden Asylgesuche abgelehnt, müssen die Antragsteller theoretisch
bis zu ihrer Abschiebung in Auffanglagern bleiben. Dort gibt es auch
Anspruch auf ärztliche Versorgung. Praktisch aber ist die
Unterbringung kaum möglich. Daher leben viele abgelehnte Asylsuchende
ohne Papiere, Arbeitsgenehmigung oder staatliche Unterstützung in
Griechenland. Anspruch auf medizinische Versorgung und finanzielle
Unterstützung haben sie in diesem Fall nicht - außer wenn ihr Leben
bedroht ist.
Der Vergleich zu Zahlungen an Asylsuchende in anderen Ländern bleibt
schwierig: So liegt zum Beispiel der durchschnittliche Bruttolohn in
Griechenland bei rund 1200 Euro, in Deutschland waren es laut
Statistischem Bundesamt im Jahr 2021 rund 4100 Euro.
In UNGARN gibt es wegen der restriktiven Flüchtlingspolitik quasi
keine Asylbewerber. Asyl kann nur bei den ungarischen Botschaften in
Kiew und Belgrad beantragt werden. Nach Angaben des Statistikamts gab
es 2022 insgesamt 46 Asylanträge, von denen 10 akzeptiert wurden. 20
Menschen haben eine Art Duldung mit Recht auf Arbeit bekommen.
Nicht in der Statistik tauchen die Tausenden Flüchtlinge aus der
Ukraine auf, weil sie in der Regel keinen Asylantrag stellen. Die
meisten sind auch nur durchgereist. Speziell für Ukraine-Flüchtlinge
gibt es eine Ausnahmeverordnung. Viele dieser Flüchtlinge sind
ethnische Ungarn aus der Grenzregion, manche Doppel-Staatsbürger. Sie
haben ein Recht auf kostenlose ärztliche Versorgung, dürfen gratis
öffentliche Verkehrsmittel benutzen und bekommen eine Beihilfe.
Hierbei liegt der minimale Satz für einen kinderlosen Flüchtling bei
22 800 Forint (58,4 Euro) pro Monat. Das ist etwas weniger als der
minimale Sozialhilfesatz in Ungarn. Diese Beihilfe kann gestrichen
werden, wenn der Flüchtling ihm angebotene Jobs ablehnt. Zusätzlich
gibt es Beihilfen für Familien mit Kindern, je nach Zahl und
Gesundheitszustand. Maximal sind das 25 900 Forint (66,3 Euro)
zusätzlich - die bekommt ein(e) Alleinerziehende(r) mit einem
chronisch kranken Kind.
In SPANIEN erhalten erwachsene Asylbewerber, die während der ersten
sechsmonatigen Phase in Gemeinschaftsunterkünften mit Verpflegung
untergebracht sind, ein Taschengeld von 51,60 Euro pro Monat. Eltern
bekommen darüber hinaus monatlich 19,06 Euro für jedes minderjährige
Kind. Erstattet werden zudem gegen Quittung unter anderem Ausgaben
für den öffentlichen Nahverkehr, für Übersetzungsgebühren,
Sprachkurse und so weiter. Asylbewerber dürfen außerdem in der
Sammelunterkunft einem Job nachgehen und damit bis zu 185 Euro pro
Monat dazuverdienen.
In der zweiten Phase, die ebenfalls in der Regel sechs Monate dauert,
leben die Asylbewerber im Prinzip alle in Privatunterkünften. Sie
bekommen dann einen Zuschuss für die Lebenshaltung in Höhe von 347,60
Euro (für eine Person, und bis zu knapp 800 Euro für einen mindestens
fünfköpfigen Haushalt) sowie eine Mietbeihilfe zwischen 376 (für eine
Person) und 717 Euro (für Familien mit fünf und mehr Mitgliedern).
In der dritten Phase können Asylbewerber arbeiten und bekommen nur
noch in eher seltenen Härtefällen finanzielle Unterstützung vom
Staat. Ausländer mit Wohnsitz in Spanien haben aber das Recht, unter
den gleichen Bedingungen wie die Spanier Leistungen und Dienste der
sozialen Sicherheit in Anspruch zu nehmen. Das Gesundheitssystem
steht Flüchtlingen, Asylbewerbern oder auch nicht ansässigen
Ausländern unabhängig von ihrem rechtlichen Status zur Verfügung.
In DEUTSCHLAND haben Asylbewerber und unter anderem Menschen mit
einer befristeten Duldung Anspruch auf ein Dach über dem Kopf sowie
Nahrung, Kleidung, Gesundheitspflege und Gebrauchs- und
Verbrauchsgütern. Statt solcher Sachleistungen sind teils auch
Wertgutscheine oder Geldleistungen vorgesehen. Die Sätze liegen dabei
zwischen 278 Euro für Kinder bis 5 Jahren und 410 Euro für
erwachsende Alleinstehende oder Alleinerziehende. Nach 18 Monaten
steigen die Sätze ungefähr auf Höhe der regulären Sozialhilfe.
Arbeiten dürfen Asylsuchende in der Regel nach drei Monaten, wenn sie
minderjährige Kinder haben, erst nach sechs Monaten. Wenn sie
verpflichtet sind in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, sind es
neun Monate.
Während der ersten 18 Monate ihres Aufenthalts haben Asylbewerber nur
eingeschränkt Anspruch auf medizinische Versorgung. Sie können bei
akuter Erkrankung und bei Schmerzen zum Arzt gehen. Zahnersatz gibt
es nur, wenn dieser im Einzelfall aus medizinischen Gründen
unaufschiebbar ist. Nach 18 Monaten werden Asylbewerber und Geduldete
von einer gesetzlichen Krankenkasse betreut und erhalten ähnliche
Leistungen wie gesetzlich Versicherte.
Wer ausreisepflichtig ist, also zum Beispiel, weil sein Asylantrag
abgelehnt wurde, bekommt nur noch eingeschränkte Leistungen. Bis zu
Ausreise oder Abschiebung sollen er oder sie normalerweise nur noch
Unterkunft und Nahrung sowie Leistungen zur Gesundheits- und
Körperpflege erhalten.
In FRANKREICH haben Asylbewerber Anspruch auf eine Unterbringung in
einer Flüchtlingsunterkunft oder einem vergleichbaren Quartier.
Asylbewerber erhalten für die Dauer des Asylverfahrens eine
Finanzhilfe, diese beträgt für eine Einzelperson 210,80 Euro pro
Monat, eine vierköpfige Familie erhält 527 Euro. Ab sechs Monate nach
der Ankunft in Frankreich dürfen Asylbewerber auch eine Arbeit
annehmen. Bei ihrer Ankunft haben Asylbewerber zunächst Anspruch auf
medizinische Notversorgung, nach drei Monaten Aufenthalt dann auf
eine reguläre Versorgung durch das Gesundheitssystem.
Asylbewerber, deren Antrag in Frankreich abgelehnt wird, müssen ihre
Unterkunft binnen eines Monats verlassen. Sie erhalten außerdem ab
dann keine Finanzhilfe mehr. Der Anspruch auf Gesundheitsversorgung
kann unter bestimmten Voraussetzungen um sechs Monate verlängert
werden. Davon unabhängig können abgelehnte Asylbewerber, die sich
mindestens drei Monate in Frankreich aufgehalten haben, eine Karte
zur Übernahme der Gesundheitskosten beantragen, die jährlich
verlängerbar ist. Voraussetzung ist, dass sie nur über geringe
Einkünfte verfügen.
In ÖSTERREICH leben nach Angaben des Innenministeriums aktuell 17 500
Asylbewerber in Unterkünften des Bundes oder Länder. Für diese Gruppe
umfasst die sogenannte Grundversorgung die Unterkunft, drei
Mahlzeiten am Tag sowie 40 Euro Taschengeld pro Monat. Außerdem sind
die Menschen krankenversichert und es steht ihnen Kleidung im Wert
von 150 Euro pro Jahr zu. Manche Bundesländer erlauben den
Geflüchteten, sich ein privates Quartier zu suchen. In diesen Fällen
wird für Erwachsene ein Mietzuschuss von 165 Euro pro Monat und
Person gezahlt. Der Zuschuss für Verpflegung beträgt 260 Euro pro
Person und Monat. Laut Innenministerium leben aktuell in Österreich
rund 2500 Asylbewerber in privaten Unterkünften. Die beschriebene
Unterstützung erhalten auch alle abgelehnten Asylbewerber bis zum
Zeitpunkt ihrer Ausreise. «Die Grundversorgung deckt nur elementare
Grundbedürfnisse ab, um unter anderem prekären Lebenssituationen und
Obdachlosigkeit vorzubeugen und unterscheidet sich daher grundlegend
von Sozialleistungen», so das Ministerium.
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