Ein Monat Cannabis-Freigabe: Wenig Kontrollen, viel Kritik Von Katja Sponholz, dpa

Im ersten Monat seit der Cannabis-Legalisierung hat es im Saarland
wohl nur wenig Verstöße und Kontrollen zum Konsum in der
Öffentlichkeit gegeben. Das hat offenbar mehrere Gründe.

Saarbrücken (dpa/lrs) - Das seit einem Monat gültige Gesetz zur
Cannabis-Legalisierung wirft nach Ansicht der Gewerkschaft der
Polizei im Saarland viele Fragen und Probleme auf. «Es gibt sowohl
bei der Bevölkerung als auch der Polizei große
Handlungsunsicherheiten», sagte der GdP-Landesvorsitzende Andreas
Rinnert der Deutschen Presse-Agentur. Bei der Polizei fehle es nach
wie vor an entsprechender Ausstattung wie zum Beispiel Feinwaagen
oder modernen Analyseinstrumenten, um den THC-Gehalt (Wirkstoffgehalt
von Tetrahydrocannabinol) zu bestimmen. «Und es fehlt an Absprachen.
Nahezu überall sind die grundsätzlichen Zuständigkeiten nicht klar
geregelt», kritisierte Rinnert. Weder zwischen Polizei und
Ordnungsbehörden noch zwischen Bundespolizei, Zoll und
Landespolizeien untereinander. 

Seit dem 1. April sind in Deutschland der Besitz und Konsum von
Cannabis für Erwachsene unter bestimmten Voraussetzungen legal. Für
Minderjährige und in Sichtweite von Schulen und Jugendeinrichtungen
ist der Konsum verboten.

«Innerhalb der Polizeien ist vielerorts nicht geklärt, wie mit
Cannabiskonsum in der Belegschaft nunmehr umzugehen ist», sagte der
GdP-Chef. Es gebe bislang kein einheitliches Vorgehen und keine
strukturierten Fortbildungsangebote zur neuen Gesetzeslage für die
Polizisten. Man behelfe sich hier bislang zum Beispiel «mit eilig
zusammengeschriebenen Handlungsanleitungen», so Rinnert. Sein
Eindruck sei, dass sich die Kolleginnen und Kollegen, die ohnehin
schon überaus stark in ihrem alltäglichen Dienst gefordert seien, in
ihrer Kontrolltätigkeit eher zurückhielten. «Zum einen sicherlich,
weil oftmals ohnehin das Personal fehlt, zum anderen aber schlichtweg
um hier keine Fehler zu machen», sagte er.

Seit der Einführung des neuen Gesetzes ist der Besitz von bis zu 25
Gramm getrocknetem Cannabis im öffentlichen Raum nun straffrei. Für
den privaten Raum gilt die Grenze von 50 Gramm. 

Nach Ansicht von Polizei-Pressesprecher Stephan Laßotta ist es für
eine Bilanz, welche Folgen das neue Cannabis-Gesetz habe und ob es zu
Verstößen in der Öffentlichkeit komme, noch zu früh. Ob und in
welcher Höhe Bußgelder verhängt worden seien, darüber erhalte die
Polizei keine Rückmeldung von der Staatsanwaltschaft beziehungsweise
Bußgeldstellen. Auch gebe es keine Hinweise, ob nun vermehrt
Bürgerinnen und Bürger aus Frankreich zum Konsum nach Deutschland
kämen. «Kiffen ist ja für Erwachsene jetzt in der Öffentlichkeit
erlaubt - nur an bestimmten Örtlichkeiten und zu bestimmen Zeiten
nicht.» Wenn jemand nicht dagegen verstoße, gebe es auch keinen
Anlass zur Überprüfung.

Ob der Cannabis-Konsum seit dem 1. April zugenommen habe, lässt sich
Laßotta zufolge noch nicht sagen. Seiner Ansicht nach spiele jedoch
auch das schlechte Wetter eine Rolle, dass das Kiffen in der
Öffentlichkeit noch nicht so offensichtlich sei. «So wie man sich das
vorstellt, die typischen Runden abends auf der grünen Wiese, hat es
das noch nicht gegeben», sagte er. 

Ein Konsumverbot gilt nicht nur in der Nähe von Kinder- und
Jugendeinrichtungen, sondern auch in Fußgängerzonen von 7 bis 20 Uhr.
Nur wenn es beispielsweise von Schulen oder Geschäftsleuten
Beschwerden über öffentlichen Konsum dort geben würde, würde die
Polizei kontrollieren. Aber nicht ohne konkreten Anlass. Laßotta: «Es
ist nicht so, dass wir dafür mit starken Kräften durch die
Saarbrücker Bahnhofstraße gehen.»

Der saarländische Innenminister Reinhold Jost (SPD) hat nach eigenen
Aussagen «nach wie vor große Bedenken gegen das Cannabis-Gesetz».
Insbesondere, was die Umsetzung betreffe, werde das Gesetz dem
Anspruch, Gesundheit und Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu
schützen, nicht gerecht. «Wir sollten stattdessen verstärkt auf
Prävention, Aufklärung und Rehabilitation setzen, um Drogenmissbrauch
zu bekämpfen und unsere Gesellschaft zu schützen», appellierte er. 


Nach Ansicht von GdP-Chef Andres Rinnert müsse man einen Monat nach
der Legalisierung von Cannabis feststellen, dass die Politik die
Gesetzesänderung «ganz offensichtlich verschlafen» habe. Seine
Bilanz: «Die Ordnungsbehörden von Bund, Ländern und Kommunen sind
weitestgehend unvorbereitet von der neuen und überaus lückenhaften
Gesetzeslage überrollt worden.»