Ein Monat nach Start: Für Cannabis-Freigabe hagelt es weiter Kritik

Einen Monat nach der Teil-Legalisierung von Cannabis beklagt Hessens
Polizeigewerkschaft eine drastische Zunahme an Kontrollarbeit. Das
Gesetz sei unausgegoren und überhastet eingeführt worden.

Wiesbaden (dpa/lhe) ?  Seit vier Wochen ist Cannabis für Erwachsene
erlaubt. Aus Sicht der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Hessen sorgt
das neue Gesetz für einen deutlich erhöhten Arbeitsaufwand für die
Beamtinnen und Beamten. «Wir haben eine massive Zunahme an
Kontrollarbeit, weil die Länder einfach nicht vorbereitet waren und
auch Hessen nicht vorbereitet ist», sagte der GdP-Landesvorsitzende
Jens Mohrherr der Deutschen Presse-Agentur.

Seit dem 1. April sind in Deutschland der Besitz und Konsum von
Cannabis für Erwachsene unter bestimmten Voraussetzungen legal. So
ist der Besitz von bis zu 25 Gramm getrocknetem Cannabis im
öffentlichen Raum seither straffrei. Für den privaten Raum gilt die
Grenze von 50 Gramm.  Für Minderjährige und rund um Schulen, Kitas,
Spielplätzen und öffentlichen Sportstätten ist der Cannabis-Konsum in

einem Radius von 100 Metern verboten. In Fußgängerzonen darf zwischen
7 und 20 Uhr nicht gekifft werden.

Das größte Problem sei die Unausgegorenheit des Gesetzes, das völlig

grundlos überhastet eingeführt worden sei, sagte Mohrherr. «Es fehlen

Verwaltungsvorschriften. Es fehlen Handlungsanweisungen gerade für
die Kommunen. Es fehlen gesetzliche Grundlagen für die Polizei.» So
sei etwa nach wie vor nicht geregelt, wie viel Cannabis-Konsum im
Straßenverkehr erlaubt ist.

Einen Grenzwert wie die 0,5-Promille-Marke für Alkohol gibt es
für den Cannabis-Wirkstoff THC bisher nicht. Er soll noch festgesetzt

werden. In der Rechtsprechung hat sich der niedrige Wert von 1
Nanogramm etabliert, der dem bloßen Nachweis des Wirkstoffs
entspricht. Eine Kommission des Verkehrsministeriums hatte zuletzt
einen Grenzwert von 3,5 Nanogramm empfohlen. Dann sei «eine
verkehrssicherheitsrelevante Wirkung beim Führen eines
Kraftfahrzeuges nicht fernliegend». Dies sei mit 0,2 Promille Alkohol
vergleichbar.

Zudem fehlt es laut Mohrherr an Klarheit, wie das Abstandsgebot etwa
an Schulen und Kindergärten durchgesetzt werden solle. «Jetzt müssen

wir schauen, wie wir damit umgehen, ohne zu wissen, wie wir reagieren
sollen.» Die Folge seien permanente Kontrollfahrten. «Die kommen
zusätzlich zu den normalen Diensten, die uns ohnehin beschäftigen,
noch obendrauf.» Normalerweise hätten die Kolleginnen und Kollegen
nach einem langen Tag- und Nachtdienst drei Tage frei. «Jetzt haben
sie nach einem freien Tag umgehend am zweiten Tag im Rahmen eines
Sondereinsatzes wieder Dienst, um Kontrollen zu machen und das neue
Cannabis-Gesetz entsprechend zu begleiten.»

Wie hoch der Mehraufwand konkret ist, lässt sich derzeit nicht
beziffern. Die Durchführung und Intensivierung von Kontrollen obliege
grundsätzlich den zuständigen Polizeipräsidien, erklärte ein Sprech
er
des Hessischen Landeskriminalamtes. Einsatzaufwände im Zusammenhang
mit dem neuen Gesetz würden derzeit nicht statistisch erfasst.
Aktuell lägen keine Informationen zu besonderen Sachverhalten vor,
die im Kontext der Entkriminalisierung von Cannabis stehen. «Derzeit
werden Abfrageparameter entwickelt und abgestimmt, die eine künftige
Auswertung und Bewertung von Verstößen ermöglichen sollen», hieß
es.
Ziel sei es, frühzeitig Schwerpunkte zu erkennen und entsprechend
zeitnah geeignete und erforderliche polizeiliche Maßnahmen treffen zu
können. 

Die Bundesregierung habe ein Gesetz gemacht und die Länder damit
alleine gelassen, kritisierte Mohrherr. «Das alles ist unsäglich und
völlig unsinnig.» Die hessische Landesregierung müsse jetzt schnell
reagieren, forderte er mit Verweis auf Bayern. Der Freistaat war
vorgeprescht und setzte bereits einen Katalog mit Bußgeldern in Kraft
- zum Beispiel 1000 Euro für Cannabis-Konsum in Gegenwart von
Kindern. Zudem verbietet Bayern das Kiffen auf Volksfesten wie dem
Oktoberfest und in Biergärten, um den Cannabis-Konsum in der
Öffentlichkeit im Sinne des Kinder- und Jugendschutzes zu begrenzen. 

Hessens Innenministerium bekräftigte, das Cannabis-Gesetz möglichst
restriktiv umsetzen zu wollen. Ein Bußgeldkatalog sei bereits in
Vorbereitung, erklärte eine Sprecherin. Zudem werde die Einrichtung
von Cannabis-Verbotszonen geprüft, die beispielsweise für
Großveranstaltungen im Land gelten könnten. 

Deren Organisatoren stellt die praktische Umsetzung der neuen Regeln
zum Kiffen vor Herausforderungen. Denn bei vielen öffentlichen Festen
halten sich zumindest tagsüber auch Kinder und Jugendliche auf und
das neue Gesetz verbietet den Konsum von Cannabis in unmittelbarer
Anwesenheit von Minderjährigen. 

Beim diesjährigen Hessentag in Fritzlar (Schwalm-Eder-Kreis) vom 24.
Mai bis 2. Juni beispielsweise ist noch offen, wie man mit dieser
Situation umgehen wird. Die Veranstalter des Landesfestes, die Stadt
Fritzlar und die hessische Staatskanzlei, befänden sich im Austausch
mit den zuständigen Behörden, um gemeinsam eine gesetzeskonforme
Regelung zu finden, erklärte ein Pressesprecher des Hessentags. Die
Frage nach der Umsetzung auf dem Museumsuferfest in Frankfurt vom 23.
bis 25. August könne aktuell noch nicht final beantwortet werden,
teilte auch eine Sprecherin der veranstaltenden Tourismus und
Congress GmbH mit. «Die Entscheidung wird zu einem späteren Zeitpunkt
in Abstimmung mit den beteiligten Behörden getroffen.» 

Die GdP sieht keine Chance für Kontrollen bei Großveranstaltungen
dieser Art. «Das ist schlichtweg nicht zu leisten», sagte der
Landesvorsitzende Mohrherr.

Das Innenministerium betont, dass der Konsum von Cannabis vor
Minderjährigen eine Ordnungswidrigkeit darstellt, die zur Anzeige
gebracht werden und in einer empfindlichen Geldbuße münden könne.
Auch fahrlässige Verstöße seien verboten und lösten
Bußgeldtatbestände aus, erklärte die Sprecherin. «Wer deshalb nicht

sicher ist, dass ein Minderjähriger beim Cannabis-Konsum zuschaut,
sollte darauf verzichten. Bei Volksfesten wird man jedenfalls bis zu
einer bestimmten Uhrzeit davon ausgehen können, dass Kinder anwesend
sind und ein erlaubter Cannabis-Konsum in den allermeisten Fällen
ausscheidet.»