Kick mit KI: Wie Künstliche Intelligenz den Fußball umkrempelt Von Alice Lanzke, dpa

Spielersuche, Trainingsoptimierung, Taktik und Spielanalyse:
Künstliche Intelligenz ist aus dem Fußball nicht mehr wegzudenken.
Doch hat die Technik auch das Potenzial, Trainer komplett zu
ersetzen?

Köln/London (dpa) - Eine neue KI-Anwendung soll Eckstöße künftig
besser machen. Das ist nur ein Beispiel dafür, wie Künstliche
Intelligenz den Fußball verändern könnte. Schon jetzt unterstützen

unterschiedliche KI-Werkzeuge den Sport in verschiedenen Bereichen -
könnte die Technologie gar einmal Trainer überflüssig machen? Ein
deutscher Experte beruhigt.

Der Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) ist in verschiedenen
Bereichen des Profifußballs bereits etabliert, etwa bei der
Rekrutierung neuer Spieler. Mehrere Softwareunternehmen haben
KI-Systeme entwickelt, welche - vereinfacht gesagt - die Spiel- und
Trainingsdaten von Spielern auswerten und diese dann einschätzen.
Suchen Vereine nach einer möglichst gut passenden Ergänzung ihres
Teams, liefern ihnen KI-Systeme aus riesigen Datenbanken passende
Kandidaten, die den Kader optimieren würden. Auf diese Weise bieten
die KI-Scores datenbasierte Entscheidungshilfen für die menschlichen
Scouts der Vereine. 

Im Profifußball werden unzählige Daten erhoben: Körpersensoren
produzieren im Training Leistungsdaten, die Aussagen über
Trainingszustand und Entwicklung des Spielers zulassen.
Hochauflösende Kameras dokumentieren im Stadion jede Bewegung und die
Position aller Spieler sowie des Balls. Die auf diese Weise
generierten Informationen unterstützen nicht nur die
Live-Berichterstattung, sondern erlauben auch KI-gestützte Analysen
zur Auswertung der Spieltaktik, zur Bewertung einzelner Spieler und
zur Optimierung künftiger Taktiken. 

2021 wurde der Bereich «Planung, Strategie und Optimierung» in einer
Expertise für das Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) als
wohl interessantester Teilschritt einer KI-Anwendung im Sport
bezeichnet: «Im Zentrum steht die Anwendung von Modellen zur
Optimierung des taktischen Verhaltens im Hinblick auf die
Spielleistung oder den Spielerfolg.» In eine ähnliche Richtung zielt
das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte
Projekt «Multimodal Analysis for Sports Analytics» (MM4SPA), das sich
mit der Analyse von Positions- und Videodaten beschäftigt. 

Bessere Ecken mit KI? 

Speziell um die Taktik bei Eckstößen geht es bei «TacticAI», einem

System, das von Googles Deepmind-Team in Zusammenarbeit mit dem FC
Liverpool entwickelt wurde. Wie die Forschungsgruppe im Fachblatt
«Nature Communications» berichtete, wurde die KI mit Daten aus knapp
7200 Eckballsituationen trainiert, die zwischen 2020 und 2023 in der
englischen Premier League stattfanden. 

Auf Grundlage dieser Daten ist «TacticAI» der Studie zufolge in der
Lage, Hinweise darauf zu geben, wie sich einzelne Spieler bei Ecken
positionieren sollten, damit der Schuss zum Torerfolg führt. Die
generierten Empfehlungen unterschieden sich dem Forschungsteam
zufolge nicht von denen menschlicher Trainer. Darüber hinaus hätten
in einer Befragung Fußballexperten in 90 Prozent der Fälle die
KI-Taktiken menschlichen Empfehlungen vorgezogen, so die Studie. 

Angesichts der Studienergebnisse stellt sich die Frage, ob KI in
Zukunft menschliche Trainer komplett überflüssig machen könnte. «So

weit wird es sicherlich nicht kommen», beruhigt Daniel Memmert,
Sportinformatiker der Deutschen Sporthochschule Köln. Bei der
Anwendung von KI im Sport gehe es meist um sogenannte
Machine-Learning-Ansätze. Maschinelles Lernen beschreibt einen
KI-Teilbereich, der sich mit der Entwicklung und Anwendung
statistischer Algorithmen beschäftigt. Die Erkennung der Probleme,
bei denen KI-Anwendungen helfen könnten, die Auswahl des richtigen
KI-Werkzeugs, die Interpretation und Gewichtung der KI-generierten
Lösungen - all das seien Aufgaben, die von Menschen geleistet werden
müssen, so Memmert. 

Noch dazu sei KI ohne Daten machtlos. Um sie zur Verfügung zu stellen
und aufzubereiten, seien Menschen nötig. «Insgesamt beinhaltet der
Prozess der KI-Nutzung also an entscheidenden Punkten noch viele
menschliche Anteile», fasst Memmert zusammen. 

«Tradition schießt keine Tore» 

Memmert zufolge können Spitzenvereine aber heutzutage «ganz klar»
nicht mehr auf KI-Systeme verzichten - zum Leidwesen mancher Fans,
die fürchten, dass die maschinelle Unterstützung dem Spiel die Seele
nehme. «Ich kann die Nostalgie nachvollziehen, aber Tradition schießt
keine Tore», sagt Memmert. Zudem werde alles Neue gerne erst einmal
abgelehnt. «Das sehen wir auch beim Videobeweis, obwohl dieser
nachhaltig zur Fairness des Spiels beigetragen hat.» 

Wenn denn nicht die Trainer überflüssig werden, dann vielleicht die
Spieler? Googles Deepmind-Gruppe stellte jedenfalls vor Kurzem kleine
humanoide Roboter vor, die dank einer speziellen Art maschinellen
Lernens zu erstaunlich agilen und dynamischen Fußballspielern wurden.
Videos zur im Fachblatt «Science Robotics» erschienenen Studie zeigen
die Maschinenkicker beim sicheren Dribbeln, schnellem Aufstehen nach
einem Sturz und flinken Richtungswechseln in überraschend komplexen
1:1-Spielen. 

In den Clips wird - neben den insgesamt immer noch etwas unbeholfenen
Bewegungsabläufen - ein Unterschied zu menschlichen Partien deutlich:
Auf Torjubel verzichteten die Mini-Roboter.