Spahn für Corona-Aufarbeitung mit allen Blickwinkeln Von Sascha Meyer und Jörg Blank, dpa

Im Parlament mehren sich die Stimmen, die offiziellen
Corona-Maßnahmen mit Masken und Impfnachweisen noch einmal
grundlegend auszuwerten. Jens Spahn war damals in Verantwortung - wie
steht er dazu?

Berlin (dpa) - Der frühere Gesundheitsminister Jens Spahn befürwortet
eine Aufarbeitung der Corona-Politik durch den Bundestag, die aber
breit angelegt sein sollte. «Das kann weder die rosa-rote Brille für
die damalige Bundesregierung sein noch ein Volksgerichtshof der
Corona-Leugner», sagte der CDU-Politiker der Deutschen
Presse-Agentur. Bis zum Ende der Pandemie hätten 70 bis 80 Prozent
der Deutschen die Corona-Politik mitgetragen. «Deswegen müssen sich
schon auch alle Blickwinkel dort wiederfinden.» Aufarbeiten, um zu
lernen und sich besser für eine Pandemie oder eine andere Krise
vorzubereiten, mache auf jeden Fall Sinn. 

«Mein Eindruck ist, es täte auch der Gesellschaft gut», sagte Spahn,

der in der Hochphase der Corona-Krise von 2020 und bis Ende 2021
Minister war. Zur Frage, in welchem Rahmen die Aufarbeitung
organisiert werden könnte, sagte er: «Wir sind eine repräsentative
Demokratie. Das, was zu besprechen ist, gehört in den Bundestag.»
Daher wäre eine Enquete-Kommission aus seiner Sicht eine gute
Lösung. 

Für ein solches Gremium mit Abgeordneten und Experten haben sich
unter anderem FDP und Union ausgesprochen. SPD-Fraktionschef Rolf
Mützenich schlug einen Bürgerrat mit zufällig ausgewählten
Teilnehmern und anschließend eine Kommission auch mit Ländern und
Kommunen vor. Auch von den Grünen gibt es Rufe nach einer
Aufarbeitung. Ob und wie dies noch in dieser Wahlperiode angegangen
werden soll, ist vorerst offen. Im Blick für eine Aufarbeitung stehen
Schutzregeln mit Masken, Tests und Impfungen oder Schließungen von
Schulen und Gaststätten.

Spahn sagte, es gehe natürlich auch darum, über Verantwortung zu
reden. «Das finde ich völlig legitim. Ich habe Verantwortung
getragen, wie andere auch in der Zeit. Und ich stehe dazu und stelle
mich auch dieser Verantwortung.» 

Spahn erläuterte: «Ich finde, wir sind alles in allem einen guten
Mittelweg gegangen. Wir haben uns weder von den ?Zero-Covid?-Rufen,
also danach, gar keine Infektion mehr zuzulassen, noch von dem
Ansatz, es einfach «durchlaufen lassen» und ein überfordertes
Gesundheitssystem einfach hinzunehmen, in die Irre führen lassen.»

«Wir haben kritische Debatten geführt. Wir waren in der Lage, uns
selbst zu korrigieren. Das unterscheidet uns als Demokratie von
autokratischen Ländern wie etwa China», sagte der Ex-Minister in der
damaligen schwarz-roten Regierung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). 

Spahn sagte: «Es ist jetzt auch nicht so, als wenn eine Aufarbeitung
noch gar nicht stattgefunden hätte. Eine stärkere Pandemievorsorge
und der Aufbau von Impfstoffkapazitäten sind nur zwei Beispiele, wo
ja auch schon konkrete Schlüsse gezogen worden sind.» Er nannte auch
generell die Debatte über Souveränität und dass man nicht zu abhäng
ig
von Ländern wie China sein sollte.

Rückblickend hatte sich Spahn zuletzt vor allem in einem 2022
erschienenen Buch zum Krisenmanagement der ersten beiden Corona-Jahre
geäußert. Als ein «besonderes Versäumnis» nannte er, «dass wir
es
nicht geschafft haben, die Kinder und Jugendlichen so vor den Folgen
dieser Pandemie zu schützen, wie wir es hätten tun sollen». Ähnlich

äußerte sich auch sein Amtsnachfolger Karl Lauterbach (SPD) und
betonte zugleich, dass die Pandemie-Bewältigung im Großen und Ganzen
sehr erfolgreich gewesen sei. Auch Lauterbach zeigte sich offen für
eine Aufarbeitung. 

Spahn sagte: «Das waren fordernde Jahre für die Gesellschaft, für
jeden Einzelnen, jede Familie, jedes Unternehmen und für die Politik.
Gleichzeitig müssen wir schon wahrnehmen: Jedes Land auf der Welt hat
sich die gleichen Fragen wie wir gestellt und sehr ähnliche Antworten
zu unseren gegeben.»

Die Corona-Krise hat auch Konflikte zurückgelassen. Spahn sagte, er
erlebe beides, wenn er etwa in Veranstaltungen sei. «Da sind
diejenigen, die Dankeschön sagen: ?Sie haben uns gut durch diese
schwere Zeit geführt.? Und es gibt diejenigen, da spüre ich bis
heute, gerade beim Thema Impfen, da ist viel verhärtet. Insofern kann
das Gespräch helfen, auch Dinge zu heilen, wenn Offenheit dafür da
ist.»

Mit einer markanten Formel hatte Spahn im April 2020 um Verständnis
für schwierige Entscheidungen geworben - nämlich, «dass wir
miteinander wahrscheinlich viel werden verzeihen müssen». Und sieht
er jetzt die Bereitschaft zum Verzeihen? «In der großen Mehrheit gibt
es die», sagte der CDU-Politiker. «Diejenigen, die unerbittlich sind,
das sind leider meistens die Lauten. Es ist aber nicht die Mehrheit.»

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