Krumme Geschäfte mit kranken Menschen Von Sandra Trauner, dpa

Verbraucherzentralen warnen: Geschäftemacher drehen Pflegebedürftigen
Lieferverträge für Hilfsmittel an, die die oft gar nicht brauchen.
Die Rechnungen gehen an die Pflegekassen.

Frankfurt/Main (dpa/lhe) - Verbraucherzentralen und Krankenkassen
klagen über eine Betrugsmasche mit Pflegehilfsmitteln. Unseriöse
Firmen schwätzen dabei Pflegebedürftigen Einwegprodukte als Abo auf
und stellen diese Pakete monatlich den Pflegekassen in Rechnung.
Pflege-Expertin Daniela Hubloher von der Verbraucherzentrale Hessen
sieht darin «eine riesige Verschwendung» auf Kosten der
Beitragszahler. 

Einfallstor für diese Masche ist eine Regelung, wonach
Pflegebedürftige monatlich 40 Euro für Verbrauchsartikel wie
Bettschutzeinlagen, Einmalhandschuhe, Masken oder Desinfektionsmittel
in Rechnung stellen dürfen. Einzige Voraussetzung: Sie müssen einen
Pflegegrad haben und zu Hause gepflegt werden. Keine Voraussetzung:
ein Rezept vom Arzt oder eine Genehmigung der Kasse. Der
unbürokratische Zugang zu Hilfsmitteln sei gut gemeint, findet
Hubloher, er lade aber auch zu Missbrauch ein. «Denn unseriöse Firmen
nutzen das aus.» 

Betrüger geben sich als Krankenkassenmitarbeiter aus

Auch die AOK glaubt: «In Hessen werden hundertfach Pflegehilfsmittel
geliefert, die weder benötigt werden noch bestellt worden sind», wie
es in einer Mitteilung der Kasse kürzlich hieß. «In der Regel läuft

es so ab», schildert die AOK diese Masche: «Eine pflegebedürftige
Person wird zu Hause angerufen und dazu gedrängt, mündlich ? somit
ohne Unterschrift auf einem Dokument ? einen Vertrag über die
regelmäßige Lieferung abzuschließen.» 

Häufig gäben die Betroffenen nach - schließlich wird behauptet, an
der Leitung sei ihre Krankenkasse. «Die Artikel werden dann auch
geliefert», berichtete die AOK. «Aber oft werden diese gar nicht
benötigt, auch deren Qualität ist zuweilen fraglich. Der Krankenkasse
wiederum wird parallel eine Rechnung geschickt.»

Bei Hausbesuch zur Unterschrift gedrängt

«Leider treffen Kriminelle auf ohnehin sehr belastete, ältere und
kranke Menschen oder ihre Angehörigen und nutzen die Situation in den
Familien dementsprechend aus», sagt die Sprecherin der DAK-Gesundheit
in Hessen, Sandra Scheuring. «Oft sind sich die Betroffenen gar nicht
bewusst, etwas beantragt oder eine Unterschrift bei einem Anbieter
geleistet zu haben.»

Auch die Techniker Krankenkasse kennt diese Fälle. Unseriöse Anbieten
kontaktierten ihre Opfer nicht nur mit fingierten Anrufen -
Versicherte würden auch an der Haustür angesprochen und zu einer
Unterschrift gedrängt, berichtet TK-Sprecherin Denise Jacoby. «Wenn
sowohl ein Antrag als auch eine ordnungsgemäße Unterschrift
vorliegen, ist es schwer, einen Betrug nachzuweisen.»

Vorsicht bei «kostenlosen» Angeboten im Internet

«Häufig läuft der Betrug auch über Websites für Pflegebedürftig
e und
deren Angehörige ab», sagt DAK-Sprecherin Scheuring. Wenn Angehörige

im Internet nach Pflegeunterstützung suchen, könnten sie leicht auf
entsprechenden Websites landen. Dort würden über Onlineformulare
persönliche Gesundheitsdaten abgefragt. «Mit dem Ausfüllen dieser
Onlineformulare kommt dann ein Vertrag zwischen dem Pflegebedürftigen
und dem Anbieter zustande. Der konkrete Bedarf der Pflegebedürftigen
wird dabei gar nicht ermittelt und spielt keine Rolle.»

Die hessischen Krankenkassen und die Verbraucherzentrale Hessen raten
übereinstimmend: Senioren sollten «auf keinen Fall Auskünfte über
ihre Kranken- oder Pflegekasse, zu ihren finanziellen Verhältnissen,
zu Pflegegraden oder Pflegegeldansprüchen geben», so die DAK. Bei
Angeboten am Telefon sollte man am besten auflegen: «Wir würden
niemals Angebote von Drittanbietern am Telefon verkaufen», sagt
Kerstin Roth, die bei der AOK Hessen für die Hilfsmittelversorgung
verantwortlich ist.

Auf keinen Fall sollte man etwas unterschreiben, ohne vorher mit der
Kasse Rücksprache gehalten zu haben, raten sowohl die Kassen als auch
die Verbraucherschützer. Sollten Kundinnen und Kunden bereits
betrogen worden sein, sollten sie Widerspruch gegen die Bestellung
erheben. Hilfreich wäre auch, den Vorfall bei der Bundesnetzagentur
oder der Polizei zu melden. 

Dem Landeskriminalamt sind keine Anzeigen bekannt

Dem hessischen Landeskriminalamt (LKA) sind keine derartigen Anzeigen
von Krankenkassen bekannt, wie die Pressestelle auf Anfrage
mitteilte. Ob in den genannten Fällen tatsächlich der Tatbestand
eines Betrugsdeliktes erfüllt ist, steht für das LKA nicht fest: Die
vertraglich zugesicherte Leistung werde ja erbracht. «Inwiefern der
Pauschalbetrag zu hoch angesetzt ist und wie hoch der Bedarf eines
einzelnen pflegebedürftigen Versicherungsnehmers an Pflegemitteln
ist, kann nur fallbezogen geprüft werden.»

Die Verbraucherzentralen haben das Thema bundesweit auf dem Schirm.
Es gibt eine Arbeitsgruppe, der Bundesverband prüft rechtliche
Mittel. Denn die Geldmacher hinter der schon länger bekannten Masche
würden immer dreister, glaubt Daniela Hubloher: «Seit auch
Unterschriften gefälscht werden, ist die Grenze überschritten. Jetzt
muss man was tun.» Oft falle der Betrug nämlich gar nicht auf: «Ich
fürchte, bei vielen Leuten stapeln sich die Pakete, aber die denken
sich: Das ist ja nett, dass die Kasse mir das schickt.»  

 

 

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