Wege aus der Einsamkeit - «Ins Tun kommen» Von Dorothea Hülsmeier, dpa

Beim Thema Einsamkeit haben sich einige Länder längst auf den Weg
gemacht. Auch die Politik in Deutschland ist alarmiert. Eines ist
aber klar: Mit Gesetzen ist Einsamkeit nicht zu bekämpfen.

Düsseldorf (dpa/lnw) - Einsamkeit macht auch vor Prominenten nicht
halt. Sogar Comedian Atze Schröder hat sich bei einem
Spanisch-Sprachkurs in Madrid vor einigen Jahren sehr einsam gefühlt
- und ist schließlich mit einem Sprachlehrer um die Häuser gezogen.
Auch die Politik hat erkannt, dass sie gegen die weit verbreitete
Einsamkeit bei Menschen jeden Alters etwas tun muss. Ob
Influencer-Kampagnen oder «Minister für Einsamkeit»: In mehreren
Ländern steht der Kampf gegen die Einsamkeit schon lange weit oben
auf der politischen Agenda. 

Die Politik solle sich von der Komplexität des Themas nicht
erschlagen lassen, heißt es in einem Impulspapier mit internationalen
Beispielen, das am Donnerstag auf einer Einsamkeitskonferenz in der
Düsseldorfer Staatskanzlei vorgestellt wurde. «Wichtig ist, ins Tun
zu kommen, zu lernen und besser zu werden.» Erarbeitet wurden die
Vorschläge von der Bertelsmann Stiftung und der Liz Mohn Stiftung in
Kooperation mit der NRW-Landesregierung.

Viele Länder haben das Problem erkannt

Die Niederlande und Großbritannien haben als erste Länder bereits vor
der Corona-Pandemie nationale Strategien gegen Einsamkeit eingeführt.
Japan, Australien, Neuseeland und Deutschland folgten. Die
NRW-Landesregierung will Ende des Jahres einen Aktionsplan gegen
Einsamkeit präsentieren. Vom 17. bis 23. Juni soll auch die
bundesweite Aktionswoche «Gemeinsam aus der Einsamkeit»
Aufmerksamkeit für das Thema schaffen. 

Ein umfassendes Bild hatte das kürzlich von Bundesfamilienministerin
Lisa Paus (Grüne) vorgestellte sogenannte Einsamkeitsbarometer
geliefert. Alleinerziehende, ältere Menschen und Migranten trifft
demzufolge häufiger als andere das Gefühl von Einsamkeit. Einsamkeit
betreffe in Deutschland mehrere Millionen Menschen, hatte Paus
gesagt.

Auch im Kleinen helfen

Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) rief die Menschen dazu auf, auch
mit kleinen Taten im Alltag Einsamkeit von Mitmenschen zu bekämpfen.
«Ich kann kein Gesetz gegen Einsamkeit machen, und dann ist
Einsamkeit weg», sagte er bei der Einsamkeitskonferenz mit
Wissenschaftlern, Politikern und gesellschaftlichen Akteuren.
Manchmal könnten aber «die kleinen Sachen» helfen. So könne etwa ei
ne
Postkarte für jemanden, der lange nichts von einem gehört habe, eine
Riesenfreude sein. 

Der Regierungschef verteidigte auch seinen früheren Vorschlag, in der
Adventszeit Plätzchen vor die Tür von einsamen Nachbarn zu stellen.
Wüst hatte sich zu Beginn seiner Amtszeit den Kampf gegen Einsamkeit
auf die Fahne geschrieben. Seitdem bekomme er dazu Zuschriften und
Briefe von jungen und alten Menschen oder auch von Eltern, die über
die Einsamkeit ihrer Kinder schrieben. «Und das geht dann wirklich
ans Herz. Wenn man da einmal mit anfängt, hat man offensichtlich in
so ein Wespennest gestochen.» 

Vorbild für die Politik: «Einsamkeitsminister»

Das Thema Einsamkeit sollte nach Ansicht der Autoren des
Impulspapiers auch strukturell verankert werden, um politische
Personal- und Regierungswechsel zu überdauern. «Die politische
Landschaft verändert sich, aber das Problem bleibt bestehen.» So
seien in Großbritannien und Japan Einsamkeitsminister ernannt
worden. 

Am weitesten fortgeschritten im Kampf gegen Einsamkeit sei
Großbritannien. Anfang dieses Jahres beschloss die britische
Regierung eine Social-Media-Kampagne. Mithilfe bekannter Influencer
sollen junge Menschen dazu motiviert werden, auf Einsamkeit in ihrem
Umfeld zu achten und in soziale Beziehungen zu investieren.
Großbritannien stellt zudem umgerechnet 650 Millionen Euro für
außerschulische Freizeitangebote bereit, damit alle 11- bis
18-Jährigen Zugang zu Aktivitäten außerhalb ihrer Familie und ihrer
Bildungseinrichtung haben.

In Japan warf die hohe Suizidrate bei Kindern und Jugendlichen ein
Schlaglicht auf das Problem Einsamkeit. Die im Jahr 2020 gegründete
Organisation «Anata no Ibasho» mit rund 1000 ehrenamtlichen
Beraterinnen und Beratern bietet nun einen digitalen Beratungsraum,
in dem junge Menschen sich rund um die Uhr telefonisch oder per Chat
Hilfe suchen können. Die Nachfrage nach dem Dienst ist enorm.

Die Niederlande riefen 2014 als erster Staat ein nationales Programm
gegen Einsamkeit ins Leben. Frühe Anzeichen sollen etwa durch
Nachbarschaftsteams, Kampagnen und Hilfetelefone erkannt werden. Alle
Kommunen verpflichten sich, eine lokale Einsamkeitsstrategie
aufzusetzen. Das Projekt «Join Us» befähigt junge Menschen, sich ein

eigenes soziales Netzwerk aufzubauen und zu erkennen, dass sie nicht
allein sind mit ihren Einsamkeitsgefühlen. In Finnland werden einsame
Kinder und Jugendliche in Schulen identifiziert und die Reduzierung
der Einsamkeit zur Aufgabe der gesamten Schule gemacht.

Internet ersetzt keine Freunde

Einsamkeit erhöht der Forschung zufolge das Risiko psychischer
Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen sowie - durch
Bewegungsmangel und schlechtes Essverhalten - auch das Risiko
körperlicher Krankheiten. Zudem reduziert Einsamkeit die soziale
Teilhabe und erhöht die Tendenz zu politisch-extremistischen
Vorstellungen sowie den Glauben an politische
Verschwörungserzählungen.

«Es handelt sich wirklich um ein schmerzhaftes, unangenehmes Gefühl»,

sagte die renommierte Einsamkeitsforscherin Maike Luhmann. Einsamkeit
sei eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung und betreffe viele
Menschen - viele aber auch nicht. «Wir müssen aufpassen, dass wir es
nicht überpathologisieren.»

Brigitte Mohn vom Vorstand der Bertelsmann Stiftung hatte einen Rat,
um Kinder und Jugendliche aus der Einsamkeit zu befreien. «Wir müssen
sie im digitalen Raum abholen», sagte sie. «Wir wissen nur noch nicht
wie.» Das Internet aber werde nie ersetzen können, «dass echte
Freunde da sind, wenn es mal kritisch wird». 

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