Vier Menschen, 378 Tage Mars - Nasa-Simulation endet Von Christina Horsten, dpa

Fensterlose 160 Quadratmeter, mehr als ein Jahr lang - bei knappem
Essen und immer neuen Reparaturen. Vier Freiwillige kehren von einer
simulierten Mars-Mission zurück. Wie war's?

Houston (dpa) - Vier Menschen, 160 Quadratmeter - und das mehr als
ein ganzes Jahr lang: Nach 378 Tagen in einem Mars-Simulationsgelände
der US-Raumfahrtbehörde Nasa im texanischen Houston sollen zwei
Frauen und zwei Männer am Samstag (6. Juli) wieder in ihren Alltag
auf der Erde zurückkehren. Zwölf Monate lang haben die vier
Freiwilligen das mithilfe eines 3D-Druckers geschaffene, fensterlose
«Mars Dune Alpha»-Gelände dann nicht verlassen. Sie haben Geburtstage

dort gefeiert, an Weihnachten ein Plastikbäumchen aufgestellt und
Weihnachtsstrümpfe aufgehängt - vor einem Bildschirm, auf dem ein
Kamin zu sehen war.

Mit dem Wissen will die Nasa Menschen zum Mars und zurück bringen

All das im Dienst der Wissenschaft: Das sogenannte «Chapea»-Programm
(Crew Health and Performance Exploration Analog) soll der Nasa dabei
helfen, eines Tages wieder Menschen auf den Mond - und später auch
weiter weg - zu bringen. «Das Wissen, das wir hier sammeln werden,
wird uns ermöglichen, irgendwann Menschen zum Mars und sicher wieder
nach Hause zu bringen», sagte Nasa-Managerin Grace Douglas beim
Einzug der vier Bewohner im Juni 2023. 

Frühestens in den 2030er-Jahren könnte es nach derzeitigem
Planungsstand so weit sein. Mit dem nach der griechischen Göttin des
Mondes benannten «Artemis»-Programm will die Nasa erstmals seit mehr
als einem halben Jahrhundert wieder Menschen auf den Mond bringen -
darunter auch den ersten nicht weißen Menschen und die erste Frau.
Das langfristige Ziel von «Artemis» ist die Errichtung einer
permanenten Mondbasis als Grundlage für bemannte Missionen zum Mars.

Vier Freiwillige im Dienst der Wissenschaft

Die vier Teilnehmer der ersten «Chapea»-Mission sind keine
ausgebildeten Nasa-Astronauten. Bewerben durfte sich jeder zwischen
30 und 55 Jahren, der «gesund und motiviert» ist, nicht raucht und
die US-amerikanische Staatsbürgerschaft oder eine dauerhafte
Aufenthaltsgenehmigung sowie einen naturwissenschaftlichen
Universitätsabschluss und mindestens 1000 Flugstunden vorzuweisen
hat.

Ausgewählt wurden Ross Brockwell, der öffentliche Bauarbeiten im
US-Bundesstaat Virginia organisiert, die Biologin Kelly Haston aus
San Francisco, der Arzt und dreifache Vater Nathan Jones aus dem
US-Bundesstaat Illinois und die Mikrobiologin Anca Selariu. «Ich kann
es gar nicht glauben, hier zu sein», sagte Selariu vor dem Einzug -
und Jones bedankte sich bei seiner Familie für die Unterstützung: «An

meine Frau und meine Kinder: Ich liebe euch bis zum Mars und zurück.»

Kommunikation in «Mars-Zeit»

Ein Jahr lang lebten die vier auf 160 Quadratmetern - mit etwa zwei
mal drei Meter großen Schlafzellen, einer Art Wohnzimmer mit
Fernseher und Sesseln, Arbeitstischen mit Computern und einer
medizinischen Station. Mit Familie und Freunden kommunizieren durften
die vier Insassen - allerdings in «Mars-Zeit», das heißt, dass sogar

das Übermitteln einer kurzen SMS meist 22 Minuten dauerte. 

In einem kleinen Außenbereich simulierten die vier Bewohner
Mars-Außeneinsätze. Daneben standen die Instandhaltung der Anlage und
Sport unter anderem auf Heimtrainern an. «Um es so Mars-realistisch
wie möglich zu machen, ist die Crew auch mit Umweltstress-Faktoren
konfrontiert - zum Beispiel limitierten Ressourcen, Isolation und
kaputtgehender Ausrüstung», hieß es von der Nasa. 

«Der Hauptgrund, warum wir das finanziert haben, ist, dass wir
bessere Antworten auf die Frage brauchen: Wie viel Essen benötigt man
wirklich für eine Mars-Mission?», sagte Nasa-Managerin Rachel
McCauley der «New York Times». «Und was hat es mit dem
psychologischen Aspekt der Mission auf sich? Der Monotonie? Der
Einsamkeit?» 

Gemüsebeet im Innen-Garten

Um den knappen Speiseplan etwas aufzulockern, baute die Crew in einem
Innen-Garten unter anderem Tomaten, Paprika und Salat an. «Pflanzen
anzubauen kann auch einen psychologischen Nutzen haben für
Astronauten, die in einer isolierten Umgebung weit weg von der Erde
wohnen», sagte Nasa-Managerin Gioia Massa. Auch dazu erhoffe man sich
Daten. 

«Chapea» ist nicht das erste Experiment dieser Art. Unter anderem
sammelte die Nasa schon in einem Simulationsgelände auf Hawaii mit
den «Hi Seas»-Missionen Erfahrungen und Daten, ebenso die
Raumfahrtbehörden Europas, Russlands und Chinas vor knapp 15 Jahren
mit dem «Mars 500»-Projekt. Und es soll weitergehen: Die Nasa hat
zwei weitere «Chapea»-Missionen in Planung, die nächste soll im
Frühjahr 2025 starten.