Halbzeit im Prozess um ermordeten Arzt aus der Eifel Von Birgit Reichert, dpa

Ende 2022 wird ein Arzt getötet. Als mutmaßliche Täter stehen die
ehemalige Freundin, deren Sohn und ein Halbbruder vor Gericht. Die
Wahrheitsfindung gestaltet sich als schwierig.

Trier (dpa/lrs) - Der Prozess um einen ermordeten Arzt aus der Eifel
gegen drei Angeklagte vor dem Landgericht Trier geht in die zweite
Hälfte. Am achten von 16 bisher terminierten Verhandlungstagen kamen
erneut Zeugen zu Wort, darunter zwei Cousinen des jüngsten
Angeklagten. Sie berichteten, dass der heute 17-Jährige ihnen den
Mord an dem Arzt bereits Anfang 2023 kurz nach der Tat gestanden
habe. Zu dem Zeitpunkt galt der Mediziner als vermisst - der Verdacht
auf ein Gewaltverbrechen kam erst später auf. 

«Er hat gesagt, er wäre das alleine gewesen», sagte eine der beiden
Cousinen, eine 20-Jährige. Sie hätten es aber niemanden verraten
sollen. Er habe ihnen erzählt, dass er dem Arzt mit einem Werkzeug
auf den Kopf geschlagen und seine Leiche dann im Wald vergraben habe.
Dann habe er eine Fertigbetonmischung darüber gegossen. Und dessen
Auto angezündet, um Spuren zu verwischen. Motiv sei gewesen, dass er,
sein Halbbruder und dessen Mutter sich von dem Mediziner bedroht
gefühlt hätten. 

Trio auf Anklagebank

Alle drei sitzen nach der gewaltsamen Tötung des Orthopäden aus
Gerolstein Ende 2022 derzeit als mutmaßliche Täter auf der
Anklagebank: die 36 Jahre alte Verlobte des Opfers, ihr heute
18-jähriger Sohn und dessen 17 Jahre alter Halbbruder. Und am neuen
Prozesstag zeigt sich nach der Einlassung der Cousinen - und einer
neuen Version der Schilderung der mutmaßlichen Tat: Die
Wahrheitsfindung gestaltet sich als schwierig.

Denn laut Anklage soll die drei Angeklagten den Arzt nach einem
gemeinsamen Plan im Wohnhaus in Gerolstein getötet und die Leiche in
einem Waldstück vergraben haben. Motiv soll gewesen sein, dass der
53-Jährige seit längerem übermäßig Alkohol getrunken habe - und e
s
dann zu verbalen und körperlichen Übergriffen gekommen sei. So auch
am Tatabend.

Die jungen Männer sind wegen Mordes aus Heimtücke angeklagt. Sie
sollen den Mediziner mit einem Baseballschläger und
Schraubenschlüssel attackiert und dann mit um den Hals gezogenen
Kabelbindern erdrosselt haben. Bei der Frau lautet die Anklage auf
Totschlag, da sie zwar zeitweise bei der Tat dabei gewesen sei, sich
aber nicht beteiligt habe.

Andere Version der Angeklagten

Das bestreitet sie aber: Sie sei nicht dabei gewesen und habe nichts
mitbekommen, da sie oben mit den anderen drei kleinen Kindern, die
sie mit dem Opfer hatte, im Schlafzimmer gewesen sei. Und sie
bestritt, dass die Tat von den Dreien geplant gewesen sei. «Es war
eine Spontantat der beiden Jungs», sagte einer ihrer Anwälte, Walter
Teusch. 

Teusch berichtete am Dienstag am Rande des Prozesses, dass die Kinder
im Alter von sieben, acht und zwölf Jahren kürzlich dazu von der
Polizei vernommen wurden. «Sie wissen nichts und haben nichts
gesehen», sagte er tenormäßig zum Ergebnis.

Der Arzt, der Ende 2022 zuletzt an seiner Arbeitsstelle im
Krankenhaus in Daun gesehen worden war, galt monatelang lang als
vermisst. Im Juni 2023 hatte ein Spaziergänger im Wald sterbliche
Überreste entdeckt und die Polizei informiert. Die Tatverdächtigen
sitzen seit September 2023 in U-Haft.

Wie geht es weiter?

«Wir sind noch ganz am Anfang», sagte Teusch. Er stellte einen Antrag
zur Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens zur
Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit der Vernehmungen des jüngsten
Angeklagten. Es gebe Zweifel an den Aussagen, die in Vernehmungen der
Polizei teils «durch suggestive Befragung» entstanden seien. Vor
allem in Bezug auf die angeblich von allen dreien gemeinsam geplante
Tat habe der 17-Jährige immer wieder gesagt: «Geplant war das nie
richtig, das war nur so dahergesagt.» 

Derzeit sind noch acht weitere Termine bis zum 21. August geplant.
Dann könnte das Urteil fallen. Bei den nächsten Verhandlungstagen
sollen laut Gericht weitere Zeugen vernommen und Sachverständige
gehört werden. 

Videoeinspielungen

In dem Prozess ist reichlich Videomaterial aus polizeilichen
Vernehmungen gezeigt worden. Am Dienstag folgte eine weitere kurze
Sequenz: Sie zeigte den 17-Jährigen im Wohnhaus in dem Zimmer, in dem
das Trio angeblich über die Planung der Tat gesprochen haben soll.
Man habe da über das «Aus-dem-Weg-Räumen» des Mediziners geredet,
sagte der junge Mann. Er habe das aber nicht «ganz ernst» genommen.

Der Saarbrücker Anwalt Teusch sieht die im Prozess bisher
eingespielten Vernehmungen des angeklagten 17-Jährigen kritisch.
«Diese Aussagen, die haben sich extrem lange hingezogen. Das war
katastrophal, was die Polizei da gemacht hat. Eine suggestive
Beeinflussung unvorstellbarer Art», sagte er. 

Zudem wurde eine Rekonstruktion des Tatgeschehens abgespielt, in der
Polizisten die Tat nachstellten. Der 17-Jährige habe dann die
Personen «dirigiert, hingestellt und gesagt: Das war so und so»,
sagte Teusch. Auch hierbei sei «vieles suggestiv gewesen». 

Angeklagte «extrem belastet»

Die Angeklagte hatte den Mediziner während ihrer Ausbildung als
Krankenschwester kennengelernt und seit 2012 mit ihm zusammengelebt.
Es gehe ihr nicht gut, sagte ihr Anwalt. Sie sei «extrem belastet»
und leide darunter, dass sie ihre drei kleinen Kinder nicht mehr
sehe. Die Kinder sind inzwischen in Pflegefamilien untergebracht.