Lauterbach kündigt Konzept für Pflegereform an

In der alternden Gesellschaft sind immer mehr Menschen auf Pflege
angewiesen - doch die Finanzierung ist angespannt. Die Koalition will
jetzt rasch reagieren.

Berlin (dpa) - Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach peilt
angesichts steigender Milliardenkosten eine weitere Pflegereform noch
vor der Bundestagswahl an. «Wir werden nach der Sommerpause ein
Konzept vorlegen», sagte der SPD-Politiker in Berlin. Gehen soll es
dabei um ein Gesamtpaket für mehr Kapazitäten beim Pflegepersonal,
ein stärkeres Vermeiden von Pflegebedürftigkeit und das Schließen
einer Finanzlücke. Die Pflegeversicherung erwartet für 2024 und 2025
rote Zahlen. Lauterbach sprach von einer Herausforderung, die aber
lösbar sei. Es stehe «keine Kosten-Explosion» an. Patientenschützer

forderten rasche Vorschläge.

Der Minister sagte: «Die Ampel wird noch eine große Pflegereform
vorlegen.» Ohne Reformen würde die Pflegeversicherung teurer werden.
«Der Beitragsatz würde steigen, weil wir auch mehr Pflegebedürftige
haben. Darauf werden wir reagieren.» Dazu gehörten Gesetzespläne fü
r
eine bessere Vorbeugung etwa von Demenz und Schlaganfällen. «Viele
Pflegefälle sind vermeidbar.» Lauterbach verwies außerdem auf
geplante Neuregelungen, die mehr Kompetenzen für Pflegefachkräfte
vorsehen, um den Beruf attraktiver zu machen. Gesetzlich ermöglicht
werden sollen auch neue Pflegeangebote in der Lücke zwischen einer
Betreuung zu Hause und im Heim.

Mit Blick auf die Finanzlage stellte Lauterbach Vorschläge in
Aussicht, «wie die Pflegeversicherung solidarisch gut bezahlt werden
kann». Zu einzelnen Vorschlägen und Komponenten für eine Reform
äußerte er sich nicht, betonte aber: «Die Ampel hat dafür Ideen und

auch die politische Kraft.» Das Bundeskabinett billigte einen vom
Gesundheitsressort erstellten Bericht zur «zukunftssicheren
Finanzierung» der Pflegeversicherung, der «Szenarien und
Stellschrauben möglicher Reformen» zeigen soll. Eine Vorfestlegung
sei damit nicht verbunden, erklärte die Bundesregierung. Es handele
sich um eine datenbasierte Grundlage für weitere Beratungen.

Milliarden-Defizite erwartet

Eine weitere Stabilisierungsaktion für die Pflege kommt nun in Sicht,
nachdem sich Lauterbach angesichts von Differenzen in der Koalition
zuletzt eher skeptisch zu den Erfolgschancen geäußert hatte. Eine
erste Reform hatte die Ampel schon umgesetzt. Sie brachte
Entlastungen für Pflegebedürftige, aber auch eine Beitragsanhebung
zum 1. Juli 2023. Die höheren Einnahmen trugen dazu bei, dass die
Pflegeversicherung im vergangenen Jahr 1,79 Milliarden Euro
Überschuss verbuchte.

Die Reform sollte die Finanzen eigentlich vorerst bis 2025 absichern.
Nach dem ersten Quartal 2024 stand nun aber bereits ein Defizit von
650 Millionen Euro, wie der Spitzenverband der gesetzlichen
Krankenversicherungen mitteilte, der auch die Pflegekassen vertritt.
Im Gesamtjahr wird mit einem Minus von 1,5 Milliarden Euro gerechnet,
für 2025 dann mit einem Defizit von 3,4 Milliarden Euro. Dies
entspräche rein rechnerisch einer erneuten Beitragsanhebung von 0,2
Punkten. 

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz forderte, den Ankündigungen
Lauterbachs müssten unverzüglich Gesetzesvorschläge folgen. So müss
e
ein Steuerzuschuss festgelegt werden. «Es reicht für die
Zukunftsfähigkeit der Altenpflege nicht aus, nur von einem neuen
Berufsbild in der Pflege zu reden und auf mögliche Synergieeffekte zu
hoffen», sagte Vorstand Eugen Brysch der Deutschen Presse-Agentur.
Denn der allergrößte Teil der Pflegebedürftigen werde zu Hause von
Angehörigen versorgt. Für sie brauche es eine Erhöhung und jährlich
e
Dynamisierung des Pflegegelds.

Ein von der Vorgängerregierung eingeführter Bundeszuschuss von
jährlich einer Milliarde Euro war im Zuge der Haushaltssanierung 2024
gestrichen worden.