Bundesrat schlägt Organspende-Reform vor Von Ulrich Steinkohl und Sascha Meyer, dpa

In der letzten Bundesratssitzung vor der Sommerpause sagen die Länder
bei zwei Gesetzen des Bundes Nein. Zahlreiche andere Vorhaben werden
durchgewunken. Der Bundesrat startet auch eigene Initiativen.

Berlin (dpa) - Der Bundesrat setzt sich für eine Änderung der
Organspenderegeln ein, um mehr Transplantationen zu ermöglichen. Die
Länderkammer beschloss, einen Gesetzentwurf für die Einführung einer

Widerspruchslösung in den Bundestag einzubringen. Dort gibt es
bereits einen ähnlichen Vorstoß. 

In seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause segnete der Bundesrat
zahlreiche, vom Bundestag bereits beschlossene Gesetze ab, darunter
die neuen Regeln für die Post und für Cannabis-Grenzwerte am Steuer.
Das Düngegesetz und das Hochbaustatistikgesetz scheiterten jedoch
vorerst.

Länder wollen Widerspruchslösung bei Transplantationen

Nach dem Gesetzentwurf der Länder sollen alle Menschen mit
Meldeadresse in Deutschland als Organspender nach dem Tod gelten - es
sei denn, es liegt ein zu Lebzeiten erklärter Widerspruch oder ein
«entgegenstehender Wille» des Verstorbenen vor. Derzeit sind
Organentnahmen nur mit ausdrücklicher Zustimmung erlaubt.  Im
Bundestag selbst hatte kürzlich bereits eine fraktionsübergreifende
Gruppe von Abgeordneten einen ähnlichen Gesetzentwurf vorgestellt. 

Mehr Organe wie Nieren, Lebern oder Herzen für schwer kranke
Patienten werden seit Jahren dringend benötigt. Im vergangenen Jahr
gaben 965 Menschen nach ihrem Tod ein Organ oder mehrere Organe für
andere frei, wie die koordinierende Deutsche Stiftung
Organtransplantation ermittelte. Zugleich standen aber 8400 Menschen
auf Wartelisten.

Cannabis-Grenzwerte für Autofahrer

Nach der Cannabis-Legalisierung stehen nun auch die Grenzwerte für
Autofahrerinnen und Autofahrer fest - ähnlich wie bei Alkohol am
Steuer. Das Gesetz gibt für den berauschenden Wirkstoff THC einen
Grenzwert von 3,5 Nanogramm je Milliliter Blut vor. Für Fahranfänger
und beim Konsum sowohl von Cannabis wie auch von Alkohol kommen
strengere Regeln. 

Wer vorsätzlich oder fahrlässig mit 3,5 Nanogramm THC oder mehr
unterwegs ist, riskiert in der Regel 500 Euro und einen Monat
Fahrverbot. Wenn dazu noch Alkohol getrunken wurde, liegt die Strafe
in der Regel bei 1000 Euro Buße. Für Fahranfänger heißt es künfti
g
wie bei Alkohol: In der zweijährigen Führerschein-Probezeit und für
unter 21-Jährige gilt ein absolutes Verbot. 

Reform des veralteten Postgesetzes 

Das Postgesetz wird erstmals seit 1997 umfassend novelliert und den
neuen Gegebenheiten angepasst. Die bestehen darin, dass die Menschen
heute viel weniger Briefe schreiben. Die Alltagskommunikation erfolgt
über Mails und Chats. Daher soll die Deutsche Post künftig deutlich
weniger Zeitdruck für die Beförderung von Briefen haben. Bislang
müssen 80 Prozent der eingeworfenen Sendungen am nächsten Werktag
beim Empfänger sein, diese Vorgabe fällt weg. Stattdessen gilt nun:
Am dritten Werktag nach Einwurf müssen 95 Prozent der Briefe
angekommen sein und am vierten Werktag 99 Prozent. 

Daumen runter beim Düngegesetz

Mit der Ablehnung durch den Bundesrat sind Änderungen bei den
Düngeregeln für die Landwirte zum Schutz des Grundwassers vorerst
gescheitert. Das Gesetz der Ampel-Koalition soll unter anderem eine
Grundlage dafür schaffen, dass Düngedaten von Höfen überprüft und

bewertet werden können. Ein Monitoring soll ermitteln, wie wirksam
die Düngevorgaben sind. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke
(SPD) kritisierte einen großen bürokratischen Aufwand und machte
Zweifel an der Notwendigkeit der geplanten Datenerfassung deutlich.
Will die Bundesregierung das Gesetz noch retten, müsste sie den
Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat anrufen. 

Vermittlungsausschuss zum Hochbaustatistikgesetz

Zum Hochbaustatistikgesetz rief der Bundesrat selbst den
Vermittlungsausschuss an. Die Länder wollen erreichen, dass der Bund
das Gesetz grundlegend überarbeitet. Sie begrüßen zwar, dass ein
besserer Überblick über die Entwicklung beim Wohnungsbau gewonnen
werden soll. Sie sehen sich und die Kommunen aber organisatorisch,
personell und technisch nicht in der Lage, das Gesetz in den
vorgesehenen Übergangsfristen umzusetzen. Ein Hauptkritikpunkt auch
in diesem Fall: Zusätzliche und häufigere Meldepflichten führten zu
einer erheblichen bürokratischen Mehrbelastung.

Streit um Digitalpakt Schule

Die Länder halten im Ringen um die weitere digitale Ausstattung der
Schulen den Druck auf den Bund hoch. Sie forderten die
Bundesregierung in einer Entschließung auf, die nötige
Verwaltungsvereinbarung für einen Digitalpakt 2.0 unverzüglich
abzuschließen. Der Bund müsse Mittel von mindestens 1,3 Milliarden
Euro jährlich für den gesamten Förderzeitraum 2025 bis 2030
sicherstellen.  

«Wenn wir die gemeinsame Erfolgsstory Digitalpakt Schule tatsächlich
fortsetzen wollen, dann brauchen wir jetzt ein klares Bekenntnis des
Bundes - und zwar mindestens in der Größenordnung des ersten
Digitalpakts», sagte Bremens Regierungschef Andreas Bovenschulte
(SPD). «Es geht um den notwendigen digitalen Bildungskick. Der Bund
darf die Umsetzung nicht länger verzögern», betonte Hessens
Kultusminister Armin Schwarz (CDU). Für den Bund spielte
Bildungsstaatssekretär Jens Brandenburg (FDP) den Ball ins Feld der
Länder zurück: «Es ist nicht der Bund, der auf der Bremse steht.»
 

Mutterschutz auch bei Fehlgeburten

In einer Entschließung forderte der Bundesrat die Bundesregierung
auf, für Frauen mit Fehlgeburten Schutzfristen im Sinne des
Mutterschutzgesetzes einzuführen. Es soll sich um einen freiwilligen
Anspruch handeln, um den individuellen Umständen und Bedürfnissen der
Betroffenen gerecht zu werden. Der Mutterschutz bei Fehlgeburten
solle deutlich vor der 20. Schwangerschaftswoche beginnen und sich je
nach Dauer der Schwangerschaft verlängern. Bislang besteht nur ein
Anrecht auf 18 Wochen Mutterschutz und Mutterschaftsgeld, wenn das
Gewicht des Kindes mindestens 500 Gramm beträgt oder die 24.
Schwangerschaftswoche erreicht wurde.