Über Scheren und Rasierklingen: Hautpilz verbreitet sich

Komisch. Eine trockene Stelle, die Haut unter dem Haar ist etwas
gerötet. Ein hochansteckender Pilz macht sich auf den Köpfen von
Jungen und jungen Männern breit. Die waren zuvor oft beim Barber.

Leipzig/Erlangen (dpa) - Schuppende und teils auch eitrige
Pilzinfektionen auf dem Kopf und im Bartbereich nehmen vor allem bei
männlichen Jugendlichen und jungen Männern rasant zu. Fachleute gehen
davon aus, dass sich die Personen überwiegend in Barbershops
infizieren - also in Friseurgeschäften, die sich vor allem an diese
Kundengruppe wenden und mit günstigen Preisen werben.

«Die steigende Zahl von Infektionen mit dem Pilz Trichophyton
tonsurans ist ein richtiges Problem und erst in den letzten etwa drei
Jahren aufgekommen», berichtet Pietro Nenoff, Laborarzt und Professor
für Dermatologie an der Uni Leipzig. «Es gibt einen stetigen
Anstieg.» Ursache der Infektionen sei mangelnde Hygiene und
unzureichende Desinfektion etwa von Rasiergeräten.

Nachweise vervielfachen sich

Alleine in seinem Labor labopart seien im vergangenen Jahr fast 350
Nachweise des Pilzes gelungen, führt Nenoff aus. «Das ist für diesen

eigentlich eher seltenen Pilz wirklich viel.» Bundesweit dürften es
inzwischen tausende Infektionen sein. 

Zunächst seien Erkrankungen vornehmlich aus den alten Bundesländern
gemeldet worden, «inzwischen ist ganz Deutschland betroffen». Der
Dermatologe Martin Schaller von der Universität Tübingen sprach am
Wochenende gegenüber dem Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» sogar von
einer «europaweiten Epidemie». Der Pilz werde inzwischen drei- bis
fünfmal so oft nachgewiesen wie noch vor fünf Jahren, sagen Schaller
und Nenoff.

Barbershops sind häufige Infektionsquelle

Der häufige Zusammenhang zwischen den Infektionen und Besuchen im
Barbershop sei mittlerweile unstrittig, erklärt Nenoff. Zuallererst
hätten vor wenigen Jahren Kollegen aus Duisburg dies vermutet,
nachdem 17 Jugendliche und junge Männer sich infiziert hatten und
allesamt zuvor in einem Barbershop gewesen waren. Eine Quelle für den
Pilz fand sich Nenoff zufolge zunächst aber nicht. 

Forschende aus Kiel hatten drei Jahre später gemeinsam mit dem
dortigen Gesundheitsamt dann Infektionen von anderen Betroffenen mit
dem Erreger in einem zuvor besuchten Barbershop nachweisen können:
Der Pilz war in Rasiergeräten und einer Schublade zur Lagerung der
Geräte gefunden worden.

Hohe Dunkelziffer - Meldepflicht gefordert

Die Dunkelziffer sei hoch, denn eine Meldepflicht gebe es für diesen
Pilz nicht, sagt Nenoff. Trichophyton tonsurans ist sehr ansteckend
und kann auch innerhalb von Familien oder Gruppen von Kita-Kindern
übertragen werden, die zuvor mit einer infizierten Person zusammen
waren. 

Gerade bei Minderjährigen sei die Behandlung aber nicht so einfach,
da die Tabletten dagegen für Unter-18-Jährige nicht zugelassen seien,
sagt Nenoff. «Die Krankheit sollte unbedingt meldepflichtig sein, das
ist überfällig.» Man müsse die Infektionsquellen finden und dringen
d
appellieren, dass Barbershops die gängigen Hygienestandards
einhalten.

Friseurinnung fordert mehr Kontrollen

Möglicherweise mit ein Grund für die Verbreitung des Pilzes:
Nichtwissen um hygienische Notwendigkeiten und die mangelnde
Fortbildung von Mitarbeitern beziehungsweise die Beschäftigung
ungelernter Mitarbeiter. Oft sei in Barbershops kein Friseurmeister
vor Ort, der auf die Einhaltung hygienischer Standards achten könne,
sagt die Obermeisterin der Friseurinnung Erlangen, Judith Warmuth.
Dazu gehöre die fachmännische Desinfektion von Maschinen und Scheren
mit speziellen Mitteln oder auch Tauchbäder der Friseur-Utensilien in
spezielle Desinfektionslösungen. Sie bezweifele, dass die Mitarbeiter
in Barbershops entsprechend geschult würden. 

«Barbershops haben alle ihre Daseinsberechtigung», sagt Warmuth. Auch
verbreite sich der Pilz nicht nur dort. Es sei aber wichtig, dass
Betriebe generell besser von der Handwerkskammer oder auch den
Berufsgenossenschaften kontrolliert würden. «Die Genehmigungsbehörden

winken einfach zu viel durch», findet sie. «Wir kämpfen darum, dass
genauer hingeschaut wird.» Der Verband des Friseurhandwerks wollte
sich nicht äußern und hatte auf die Erlanger Friseurinnung verwiesen.

Fadenpilz schon lange bekannt

Der Fadenpilz ist seit Jahrzehnten bekannt, viele Fachleute nennen
ihn auch «Mattenpilz» oder «Ringerpilz», erläutert Nenoff.
Ursprünglich gelangte der Erreger über Kampfsportler, vor allem auf
Matten kämpfende Ringer, auf die Köpfe von Betroffenen. «Inzwischen
aber sind solche Infektionen auch mit Barbershops in Verbindung zu
bringen.»

Pilz kann sogar zu Haarausfall führen - aber Infektion gut
behandelbar

Die Infektion mit dem Fadenpilz äußert sich in Form von schuppigen
und geröteten Stellen. Wenn der Pilz nach dem Schnitt etwa mit einer
Rasierklinge oder durch andere kleinere Verletzungen unter die Haut
gerät, kann es auch zu eitrigen Pusteln, Vernarbungen und auch
Haarausfall kommen. Eine Infektion sei gut behandelbar - äußerlich,
aber auch von innen mit Tabletten. Die Mittel dagegen seien wirksam
und es gebe keine Resistenzen. «Noch nicht», sagt Nenoff.