Gefährliche Mpox-Variante breitet sich aus Von Christiane Oelrich, dpa

Noch scheint die Gefahr weit weg. Doch heutzutage sind Erreger
letztlich oft nur eine Flugreise entfernt. Könnte es eine neue,
schlimmere Mpox-Welle geben?

Genf (dpa) - Vor zwei Jahren meldeten mehr als 100 Länder Ausbrüche
der Infektionskrankheit Mpox. Die Welle der einst Affenpocken
genannten Krankheit verlief letztlich glimpflich. Nun aber kursiert
eine neue Variante. «Es ist ohne Zweifel die gefährlichste der
bekannten Mpox-Varianten», sagte John Claude Udahemuka, Dozent an der
Universität Ruanda, kürzlich bei einer Informationsveranstaltung. 

Die Variante Ib (römisch 1 b) verbreite sich ohne Sexualkontakte von
Mensch zu Mensch, löse schwerere Symptome aus als andere Varianten
und sei für Kinder lebensgefährlich, erklärte Udahemuka.

Die Virus-Variante greift derzeit in der Demokratischen Republik
Kongo um sich. «Expertinnen und Experten sind alarmiert, weil sie
sich in der abgelegenen Region unkontrolliert ausbreitet. Sie kann
auch Europa erreichen», warnt die Weltgesundheitsorganisation (WHO).
Die Krankheit hieß früher Affenpocken, weil sie in den 50er Jahren
erstmals bei Affen nachgewiesen wurde.

Für den WHO-Nothilfekoordinator Mike Ryan ist die Ausbreitung nach
Europa nicht die größte Sorge: Reiche Länder hätten bei dem
Mpox-Ausbruch 2022 gezeigt, dass sie die Ressourcen haben, eine
Verbreitung einzudämmen. «Meine größte Sorge ist, dass die Krankhei
t
sich in Bevölkerungen ausbreitet, die von großer Armut betroffen
sind, wenig Zugang zu medizinischer Hilfe haben und vielleicht
Probleme haben, Behörden zu vertrauen», sagte Ryan. 

Krankheit mit neuer Variante schlimmer

Infektionen mit der sogenannten Klade Ib sorgen für stärkeren
Ausschlag am ganzen Körper und länger anhaltende Symptome. Frauen
erleiden Fehlgeburten und für Kinder sei die Krankheit
lebensgefährlich, erklärte Leandre Murhula Masirika,
Forschungskoordinator der Gesundheitsbehörde von Süd-Kivu im Kongo.
Er zeigte Fotos von Frauen und Kindern mit erbsengroßen Pusteln am
ganzen Körper, auch auf dem Kopf. «Wir sind sehr besorgt über den
Ausbruch», sagte WHO-Mpox-Expertin Rosamund Lewis. 

Die WHO versucht mit Informationskampagnen im Grenzgebiet zu Ruanda,
Burundi und Uganda, die Bevölkerung über die Gefahren aufzuklären. 


Gefahr der Ausbreitung - Flughafen in Goma

Die neue Variante breitete sich seit September 2023 von der
abgelegenen Bergbaustadt Kamituga im Osten des Kongo ausgehend aus.
Inzwischen wurden Fälle aus vielen Ortschaften gemeldet, auch aus
Goma, wo es einen internationalen Flughafen gibt. Es sei nur eine
Frage der Zeit, bis sich die neue Variante über die Region hinaus
ausbreite, sagte Masirika.

Spitze des Eisbergs

Wie viele Ib-Infektionen es schon gab, ist unbekannt. Nur schwer
Erkrankte suchten Krankenhäuser auf, sagte Trudie Lang, Professorin
für globale Gesundheit an der Universität Oxford. «Das dürfte nur d
ie
Spitze des Eisbergs sein. Es ist möglich, dass die Inkubationszeit
lang ist, das heißt, dass Menschen andere anstecken können, ohne es
zu wissen.»

Die Mpox-Übertragung fand bislang entweder durch Kontakt mit
Wildtieren und deren Fleisch (Klade I) oder über Sexualkontakte
statt, vor allem unter Männern, die Sex mit Männern haben (Klade II).
Die neue Variante habe sich zwar zunächst über Sexarbeiterinnen
ausgebreitet, inzwischen gehe sie aber unabhängig von derlei
Kontakten von Mensch zu Mensch, sagte Udahemuka. In einer Schule
hätten sich zum Beispiel viele Kinder beim Spielen mit einem
Infizierten angesteckt. 

 

Pockenschutzimpfung gab Herdenimmunität 

Ob der Impfstoff gegen Pocken, der auch vor den bisher bekannten
Varianten von Mpox schützt, gegen die neue Variante wirksam ist, sei
noch nicht erforscht, sagte Udahemuka. 

Seit den 70er Jahren sind Mpox-Fälle bei Menschen vor allem in
Zentral- und Westafrika bekannt. Lange gab es durch die
Schutzimpfungen gegen Pocken eine Herdenimmunität. Seit die Pocken
1980 weltweit ausgerottet und die Schutzimpfungen eingestellt wurden,
ist die Zahl der Mpox-Fälle gestiegen. 

2022 wurden Ausbrüche mit der Klade IIb aus mehr als 100 Ländern
gemeldet, auch in Deutschland gab es Fälle. In den meisten Ländern
waren vor allem Männer betroffen, die Sex mit Männern haben. Die
meisten hatten milde Symptome. 

Mit «Klade» bezeichnet man in der Biologie eine geschlossene
Abstammungsgemeinschaft, die einen gemeinsamen Vorfahren und alle
seine Nachfahren enthält. 

Lage in Deutschland

In Deutschland wurden nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI)
bisher 3800 Mpox-Fälle erfasst, überwiegend im Jahr 2022. Todesfälle

waren nicht darunter. Weniger als ein Prozent der registrierten
Infektionen betrafen Frauen, Jugendliche oder Kinder. 

Ende Juni ging das RKI in einer Beurteilung der Lage auf die neue
Variante im Kongo noch nicht ein. «Eine Gefährdung für die Gesundheit

der breiten Bevölkerung in Deutschland schätzt das RKI derzeit als
gering ein», heißt es darin.