Stichfeste Fakten zu bekannten Mücken-Mythen Von Anna Ross, dpa

Laue Sommernächte - es ist die Zeit der Mücken. Hilft es, wenn das
Licht aus ist oder ein Kokos-Duft auf dem Tisch steht? Manches ist
Fakt - anderes nur Mythos.

Berlin (dpa) - Viele Menschen, die an langen Sommerabenden in kurzer
Kleidung draußen sitzen - für Stechmücken kann es kaum schöner sein
.
Die zahlreichen Regenfälle in diesem Jahr führen nach Angaben von
Experten dazu, dass ungewöhnlich viele von ihnen unterwegs sind.
Welche Tricks helfen und welche Mythen halten sich hartnäckig?

Behauptung: Mücken mögen süßes Blut.

Falsch! Mückenexperte und Biologe Helge Kampen sieht bei dieser
Aussage gleich zwei Fehler: Es gebe kein süßes Blut und Mücken würd
en
sich nicht an Blut orientieren, sondern an Gerüchen. Dabei reagieren
sie auf bestimmte Geruchskombinationen oder «Duftcocktails», wie sie
Kampen nennt. Diese Cocktails ergeben sich laut Kampen aus zwei
Komponenten: zum einen aus der verbrauchten Atemluft, also
Kohlendioxid, zum anderen aus dem Duft, der über die Haut abgegeben
wird. 

Dabei gibt es nach Worten des Experten vom
Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) Unterschiede bei der
«Attraktivität» eines Menschen. «Wir haben in Deutschland 52
Stechmückenarten, die sich zum Teil unterscheiden», sagt Kampen. Es
könne durchaus vorkommen, dass ein Mensch in einer bestimmten Region
von vielen Stechmücken gestochen werde, in einer anderen Region
dagegen weniger.

Behauptung: Wer Alkohol trinkt, zieht mehr Mücken an.

Stimmt! Wer sich an einem lauen Sommerabend gerne ein Bier oder einen
Aperol genehmigt, sollte sich der Wirkung von Alkohol auf den eigenen
Körpergeruch bewusst sein. «Der Alkohol führt dazu, dass unsere Venen

geweitet werden und dadurch die Durchblutung und auch die
Schweißproduktion erhöht wird», erklärt Insektenforscherin und
Mückenexpertin Doreen Werner. Der Schweißgeruch sei dann der
Lockstoff, auf den Mücken reagieren, führt die Biologin weiter aus.

Mehrere Studienergebnisse belegen das, unter anderem eine der
American Mosquito Control Association. Der Verband für
Mückenkontrolle ließ mehrere Probanden ein Bier trinken, andere
blieben dagegen nüchtern. Den Mücken wurde dann ein Arm einer
nüchternen und ein Arm einer angetrunkenen Person präsentiert. Das
Ergebnis: Mehr Mücken landeten auf jenen Probanden, die zuvor ein
Bier getrunken hatten.

Behauptung: Mücken werden von Licht angezogen.

Fast gar nicht! Es gebe nur ein paar Mückenarten, die auf Licht
reagieren, sagt Mückenexperte Kampen. Aber auch bei diesen wirkten
Reizstoffe wie CO2 oder Duftstoffe der Haut stärker. Zusätzlich
könnten Mücken die Temperaturen von Menschen auf kürzere Distanzen
registrieren. Je näher eine Mücke demnach kommt, desto eher kann sie
einen Menschen ausfindig machen. Wer abends also aus Vorsicht eher im
Dunkeln durch die Wohnung läuft, sollte wissen: «Mücken kommen auch
rein, wenn das Licht aus ist», so Kampen.

Das Umweltbundesamt (Uba) schreibt auf seiner Website zu
Stechmücken, dass die im Handel angebotenen UV-Lampen im Außenbereich
verboten sind. Grund ist demnach, dass «Mücken kaum vom UV-Licht
angezogen werden». Stattdessen würden viele gefährdete Insektenarten

wie zum Beispiel bestimmte Nachtfalter angelockt und getötet.

Behauptung: Bestimmte Duftstoffe halten Mücken fern.

Stimmt! Allerdings muss nach Worten von Insektenforscherin Werner
nicht jeder Abwehrstoff die gleiche Wirkung haben. Denn Menschen
würden unterschiedlich viel CO2 und andere Gerüche abgeben und seien
daher unterschiedlich attraktiv für Mücken. «Der eine sagt, ich kann

mich mit Lavendelöl einreiben, der nächste sagt, ich muss Knoblauch
essen und der dritte braucht schon die chemische Keule aus der
Apotheke», erklärt Werner. Was genau für jeden Einzelnen das Mittel
der Wahl sei, könne nur durch Ausprobieren herausgefunden werden.

Die Abwehrstoffe müssten aber grundsätzlich richtig dosiert sein,
damit sie einerseits verlässlich wirkten und andererseits verträglich
für die Haut seien, erklärt Biologe Kampen. Bei Anti-Mücken-Mitteln
sei der Vorteil, dass die verwendeten Stoffe standardisiert und damit
die Wirksamkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit gegeben sei. Diese
Mittel, die vor allem auf die Haut aufgetragen werden, könnten Mücken
meist mehrere Stunden fernhalten, erklärt Kampen. Irgendwann lasse
die Wirkung dann nach.

Behauptung: Spucke lindert den Juckreiz von Mückenstichen.

Stimmt teilweise! Dabei werde der Juckreiz nicht wegen der Spucke
selbst gelindert, sondern wegen des kühlenden Effekts, erklärt
Allergologe Mathias Sulk. Spucke sei aber kein «Allheilmittel», sagt
der Leiter der Allergologie am Universitätsklinikum Münster. Denn mit
ihr könnten auch Bakterien der Mundschleimhaut auf die Haut kommen.
Vor allem bei aufgekratzten Mückenstichen sei das nicht gut. Sulk rät
deshalb: «Ich würde eher Wasser darauf geben. Das verdunstet auch und
hat entsprechend denselben kühlenden Effekt.»

Neben dem Kühlen soll auch gezielt eingesetzte Wärme Linderung
verschaffen. Extra dafür konzipierte Hitzestifte geben für ein paar
Sekunden einen Temperaturstoß ab. «Diese Hitze erzeugt einen
Schmerzreiz und dieser führt dazu, dass der Juckreiz überdeckt wird»,

erklärt Sulk. Wichtig sei, die medizinischen Hitzestift-Produkte zu
verwenden und nicht etwa einen Löffel am Feuerzeug zu erwärmen und
diesen auf den Stich zu halten. Dann könne es schnell zu
Verbrennungen kommen, erläutert der Mediziner.

Ob Kälte oder Hitze besser den Juckreiz lindert, ist vor allem eine
subjektive Empfindung und von Person zu Person unterschiedlich, wie
der Allergologe sagt. Es gebe keine Studien, die untersucht hätten,
was besser wirkt. Aber: «Man weiß, dass beides wirkt.»

Behauptung: Mücken hier sind nicht so gefährlich wie in anderen
Ländern.

Stimmt - wobei sich im Zuge des Klimawandels viel verändert! Mücken
gelten allgemein als die gefährlichsten Tiere der Welt: Vor allem
durch die Verbreitung von Krankheiten wie Malaria, Dengue- und
Gelb-Fieber «tötet die Stechmücke mehr Menschen als jedes andere
Lebewesen auf der Welt», heißt es bei der US-Gesundheitsbehörde CDC.
 

In Deutschland müssten sich Menschen vorerst keine großen Sorgen
machen, sagt Mückenexperte Kampen. «Stechmücken-übertragene Erreger

sind in Deutschland tatsächlich noch eine Seltenheit.» Mit im Zuge
des Klimawandels droht sich das allerdings zu ändern - weil sich
sowohl bestimmte Erreger als auch Mückenarten aus wärmeren Regionen
hier immer wohler fühlen.

Die seit einigen Jahren in Deutschland vorkommende Asiatische
Tigermücke zum Beispiel sei ein «guter Überträger von vielen
gefährlichen Viren» wie Dengue- und Zika-Virus, erklärt der Biologe.

Bisher sei aber kein Fall bekannt, bei dem eine der Krankheiten von
einer solchen Mücke hierzulande übertragen wurde. In südlicheren
Ländern wie Italien gab es solche Übertragungen bereits.

Bereits recht weit verbreitet in einheimischen
Stechmücken-Populationen ist das West-Nil-Virus, das 2018 erstmals in
Deutschland nachgewiesen wurde. Die meisten Infektionen beim Menschen
verlaufen laut Robert Koch-Institut (RKI) symptomlos, etwa 20 Prozent
der Infizierten entwickeln eine fieberhafte, grippeähnliche
Erkrankung, etwa jeder Hundertste bekommt eine Hirn- oder
Hirnhautentzündung. 

In Deutschland wurden 2023 sechs Infektionen erfasst - Experten gehen
dabei aber von einer hohen Zahl nicht entdeckter Fälle aus. Die
übertragende Art, die Gemeine Stechmücke (Culex pipiens), ist in
Europa weit verbreitet. Sie auszurotten, ist daher kein möglicher
Weg, die weitere Ausbreitung des bisher vor allem in bestimmten
ostdeutschen Bundesländern kursierenden West-Nil-Virus noch
einzudämmen.

Behauptung: Nach einem harten Winter gibt es weniger Mücken.

Falsch! Einheimische Mückenarten sind gut an das Klima in Deutschland
angepasst und damit auch an kalte Winter. Die Deutsche
Wildtierstiftung schreibt auf ihrer Website, dass Stechmücken
unterschiedliche Überwinterungsstrategien hätten. Mückeneier nähmen

bei Frost nur selten Schaden. 

Was für Mücken zum Problem werden könne, sei wechselhaftes Wetter im

Winter, sagt Kampen. Denn bei Kälte passten Mücken ihren Stoffwechsel
den Temperaturbedingungen an. Bei steigenden Temperaturen werde der
Stoffwechsel wieder hochgefahren, erklärt der Biologe. Steigen und
sinken die Temperaturen also immer wieder, reagiere der Körper der
Mücke darauf und das verbrauche Energie.

«Neue Arten, die sich zum Beispiel aus den Tropen hier angesiedelt
haben, sind natürlich nicht gut angepasst», sagt der Mückenexperte.
Diesen Mücken schade ein vergleichsweise kalter Winter daher mehr.