Vater beteuert Unschuld in Prozess um Tod des kleinen Sohnes Von Matthias Röder, dpa

Ein Vater soll sein Kind in einen Fluss gestoßen haben. Der Deutsche
bestreitet das vehement. Viele Zeugen sollen helfen, die Vorwürfe zu
bewerten. Die acht Geschworenen spielen eine Schlüsselrolle.

Innsbruck (dpa) - Unter Tränen hat im Mordprozess um den Tod eines
sechsjährigen Kindes der angeklagte Vater vor dem Landgericht
Innsbruck jede Schuld bestritten. Er sei in der fraglichen Nacht mit
seinem geistig beeinträchtigten Kind wie so oft wegen dessen Unruhe
spazieren gegangen. Dabei sei er überfallen, mit einer Flasche
niedergeschlagen und beraubt worden, wiederholte der aus Deutschland
stammende 39-Jährige bisherige Aussagen. Während seiner Ohnmacht
müsse sein Sohn Leon in den nahen Fluss gefallen sein. Laut Anklage
hat der Mann diese Version erfunden und vielmehr selbst den Jungen im
August 2022 in die Hochwasser führende Kitzbüheler Ache gestoßen. 


Leon auf Sandbank entdeckt

Am 28. August 2022 gegen fünf Uhr morgens hatte ein Passant auf der
Promenade in St. Johann in Tirol den bewusstlosen Vater gefunden,
daneben einen umgekippten Kinderwagen. Wenig später entdeckten
Einsatzkräfte Leon auf einer Sandbank der Ache. Er war laut Obduktion
ertrunken.

Ankläger: Lange Ohnmacht unglaubwürdig

Die Staatsanwaltschaft erklärte zum Auftakt, es sei vollkommen
unglaubwürdig, dass der 39-Jährige über eine Stunde lang ohnmächtig

gewesen sein soll. «Die Medizin kann es uns nicht erklären, warum er
so lange bewusstlos war - die Strafjustiz kann es.» Videoaufnahmen
zeigten, dass sich die Tatwaffe beim angeblichen Überfall - eine
Sektflasche - im Kinderwagen befunden habe. Es gebe keine DNA-Spuren
von einem etwaigen Täter am Handy oder an der Kleidung des
Angeklagten - somit sei dies nicht mit dem angeblichen Raubüberfall
in Einklang zu bringen. Das Handy - damals das neueste iPhone - sei
nicht gestohlen, sondern in einem Mülleimer entsorgt worden.

Außerdem habe das Mobiltelefon die Schritte eines angeblichen Räubers
nicht aufgezeichnet, argumentierte der Ankläger. Aus der
Handyauswertung gehe obendrein hervor, dass der Mann kurze Zeit vor
dem Tod des Kindes nach dem Wort «ohnmächtig» gesucht habe.

Gutachter zweifeln an langer Bewusstlosigkeit

Ein Gerichtsmediziner zweifelte in seinem Gutachten an, dass die
Kopfverletzungen des Verdächtigen schwer genug für eine
Bewusstlosigkeit gewesen seien. Der 39-Jährige habe eine kleine
Rissquetschverletzung am Hinterkopf und einige Abschürfungen im
Gesicht gehabt. «Die Verletzung ist nicht übereinstimmend mit der
langen Bewusstlosigkeit. Üblicherweise gibt es da gar keine
Bewusstlosigkeit», so der Gutachter. Bei einem wuchtigen Schlag mit
einer Flasche würden andere Verletzungen auftreten. Auch für eine
psychiatrische Sachverständige war eine lange Bewusstlosigkeit aus
neurologischer Sicht nicht erklärbar, es gebe keinen objektiven Grund
dafür. 

Verteidigung sieht voreingenommene Ermittlungen

Die Verteidigung kritisierte die Ermittlungen scharf. Ab einem
bestimmten Zeitpunkt seien diese nicht mehr ergebnisoffen gewesen,
sondern hätten den Tatverdacht erhärten sollen, so einer der
Verteidiger vor Beginn der Verhandlung. Zudem habe der Vater sein
Kind geliebt. Das könnten sicher auch die geladenen Zeugen
bestätigen, gab sich die Verteidigung selbstbewusst. 

Ein zweiter Verteidiger betonte, dass auch zwischen die Eheleute
«kein Blatt Papier passt». Der Junge habe zudem vor seinem Tod
erhebliche Fortschritte gemacht, seine Prognose sei gut und die
Betreuung gesichert gewesen. Ein fehlender Kindergartenplatz könne
nicht als Motiv dienen.

Staatsanwalt: Verdächtiger wollte vielleicht Kind erlösen

Auch der Ankläger räumte ein, dass der 39-Jährige wohl ein
liebevoller Vater gewesen sei. Aber als die Suche nach einem
Kindergartenplatz gescheitert sei, habe sich der 39-Jährige in einer
Nachricht an die Mutter gefragt, «wie viele Rückschläge man
verkraften» könne. «Vielleicht wollte er sein Kind erlösen,
vielleicht wollte er seine Familie erlösen», meinte der Staatsanwalt.
Der Verdächtige lebt seit 2010 in Österreich. Nach Angaben der
«Tiroler Tageszeitung» lernte er damals seine Frau kennen. Das Paar
hat noch eine Tochter. 

Bei den Ermittlungen wurden mehrere Sachverständigengutachten
eingeholt und 100 DNA-Spuren analysiert. Unter anderem war überprüft
worden, welche Mobiltelefone zur Tatzeit rund um den Tatort
eingeloggt gewesen waren. 

Acht Geschworene spielen Schlüsselrolle

Die Ermittler waren zunächst von einem Raubüberfall ausgegangen. Aber
dann wendete sich das Blatt und der Vater wurde ein halbes Jahr nach
dem Vorfall festgenommen. Der Prozess ist zunächst auf drei Tage
anberaumt. In dieser Zeit sollen rund 25 Zeugen aussagen. Eine
Schlüsselrolle bei dem Prozess spielen die acht Geschworenen.
Geschworene sind juristische Laien, die nach dem Zufallsprinzip
ausgewählt werden. Sie allein bestimmen über Schuld oder Unschuld des
Verdächtigen. Das Urteil soll es am 1. August geben.

 

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