Krankenhausreform: Kliniken müssen auf Angebote verzichten

Hoch spezialisierte Krebsbehandlungen, Knie- oder Hüftoperationen
dürfen künftig nur noch in Kliniken mit viel Expertise und Erfahrung
angeboten werden. NRW stellt eine erste Streichliste vor.

Berlin/Düsseldorf (dpa/lnw) - Viele Krankenhäuser müssen sich infolge

der in Nordrhein-Westfalen geplanten Reform auf drastische
Einschnitte ihres künftigen Leistungsangebots einstellen. Zahlreiche
Anträge der Kliniken, etwa weiterhin Krebsbehandlungen, Knie- oder
Hüftoperationen anbieten zu dürfen, sollen nach bisherigen Planungen
abgelehnt werden. Das geht aus einer Zwischenbilanz zum neuen
Krankenhausplan hervor, die Landesgesundheitsminister Karl-Josef
Laumann (CDU) zusammen mit weiteren Spitzenvertretern der
nordrhein-westfälischen Krankenhauslandschaft in Berlin vorgestellt
hat. 

Aus Sicht des NRW-Gesundheitsministeriums gibt es bislang zu viele
«Gelegenheitsversorger», die nur auf einstellige Fallzahlen im Jahr
kommen und damit nicht genügend Expertise und Erfahrung für komplexe
Behandlungen mitbringen. Durch Konzentration und Spezialisierung will
Laumann sicherstellen, dass Patienten künftig die bestmögliche
stationäre Versorgung erhalten. Gleichzeitig soll eine ortsnahe
Notfallversorgung erhalten bleiben. 

Dementsprechend plant das Düsseldorfer Ministerium derzeit mit
starken Zentralisierungen. In einigen Bereichen müssten Krankenhäuser
mit Ablehnungsquoten ihrer Leistungsanträge zwischen 60 und 70
Prozent rechnen, berichtete Laumann. 

Ministerium siebt Krankenhaus-Anträge rigoros aus

So hätten sich etwa 111 Krankenhäuser in NRW für Krebsbehandlungen
der Bauchspeicheldrüse beworben - nur 43 sollen aber diese
Leistungsgruppe tatsächlich zugewiesen bekommen. Bei
Eierstockkrebs-Behandlungen entfallen auf 111 Anträge nur 34 geplante
Zuweisungen. Auch bei Leberkrebs sollen drei Viertel der Anträge
nicht berücksichtigt werden.

In der Orthopädie liegen die Antragszahlen ebenfalls deutlich über
den geplanten Zusagen: 235 Krankenhäuser wollen die lukrativen
Hüft-Operationen anbieten. Jedoch wird nur etwa die Hälfte einen
Zuschlag bekommen. Ähnlich sieht es bei den finanziell auch sehr
lohnenden Knie-Operationen aus: Hier sollen 126 Zuweisungen auf 212
Anträge entfallen.

Hilfe bei Schlaganfall und Herzinfarkt bleibt ortsnah

Dagegen werde ein eng geflochtenes intensivmedizinisches Netz, etwa
zur Versorgung von Schlaganfall- und Herzinfarkt-Patienten,
flächendeckend erhalten, versicherte Laumann. Auch die Allgemeine
Chirurgie und Innere Medizin sollen in der Grundversorgung sehr
vieler Krankenhäuser bleiben. Insgesamt sind 64 Leistungsgruppen
definiert worden. 

Am Ende werde es «keine stalinistische Planwirtschaft» geben,
versicherte Laumann. Patienten sollten weiterhin Wahlfreiheit haben
und Krankenhäuser mit gutem Ruf auch durch höhere Behandlungszahlen
von ihrem guten Ruf profitieren.

Der neue Krankenhausplan orientiert sich nicht mehr an der
Bettenzahl, sondern am tatsächlichen Bedarf und klaren
Qualitätsvorgaben. Regionale Besonderheiten sollen dabei
berücksichtigt, Doppelstrukturen aber abgeschafft werden. 

Änderungen sind noch möglich

Bis zum 11. August läuft noch das Anhörungsverfahren, in dem
insbesondere die Krankenhäuser Stellungnahmen zu den geplanten
Zuweisungen abgeben und versuchen können, noch Änderungen zu
erreichen. Sein Haus nehme das sehr ernst und werde die Vorschläge
genau prüfen, sagte Laumann.

Bis Weihnachten sollen alle Krankenhäuser ihre Bescheide erhalten. Ab
dem 1. Januar 2025 gilt dann die neue Struktur. Laumann rechnet auch
mit Klagen: «Es wird am Ende so ein, dass nicht alle glücklich
sind.» 

Die Krankenhausgesellschaft NRW, Kassen, Ärzte- und Pflegekammern
stehen hinter der seit vielen Jahren geplanten Reform und lobten,
dass alle Akteure hier auf dem Weg mitgenommen worden seien. «Diese
Einbindung gibt es in keinem anderen Land und gerade nicht auf
Bundesebene», sagte die Präsidentin der Pflegekammer NRW Sabine
Postel. 

Laumann will «keine Bundesschablone»

Auch der Bund plant eine Krankenhausreform mit Leistungskonzentration
- aus Sicht der Akteure in NRW allerdings zu zentralistisch und im
Alleingang. «Krankenhausplanung sollte man in den Ländern machen»,
sagte Laumann. «Es kann keine Bundesschablone geben.» Das NRW-Modell
könne eine Blaupause auch für andere Bundesländer sein. 

Matthias Mohrmann stellte als Vertreter der gesetzlichen
Krankenkassen in NRW fest: «Nicht Konfrontation führt zum Erfolg.»
Zwar seien Veränderungen in den Krankenhausstrukturen zweifellos
erforderlich - diese müssten aber mit Ortskenntnis und im
gegenseitigen Vertrauen aller Akteure erfolgen.

Bislang falle die Auswahl der besten medizinischen Einrichtung denen
leicht, die sich im System besonders gut auskennen, stellte der
Vize-Vorsitzende der AOK Rheinland/Hamburg fest. Die neue
Spezialisierung komme auch denen zugute, auf die das nicht zutreffe,
sagte Mohrmann.

Millionen-Einbußen ohne Knie- und Hüft-Operationen

Der Präsident der Krankenhausgesellschaft NRW, Ingo Morell, wies
darauf hin, dass die bevorstehenden Einschnitte für viele der rund
330 Krankenhäuser in NRW ein schmerzhafter Prozess seien. Wer etwa
keine Knie- und Hüftoperationen mehr anbieten dürfe, verliere
zwischen vier und fünf Millionen Euro Umsatz. 

Derzeit könne er nicht sagen, was die Reform finanziell für jedes
einzelne Haus bedeute, sagte Laumann. Wo Fusionen oder gar
Krankenhausschließungen drohen, ist noch unklar. 

Grundsätzlich räumte er ein: «Derzeit finanzieren wir unsere
Krankenhäuser nicht ausreichend.» Das gelte auch für die Apotheken.
Morell sagte: «Wenn 80 Prozent der Krankenhäuser rote Zahlen
schreiben, kann etwas nicht richtig sein.»

SPD: 17 Milliarden Euro Investitionsstau bei NRW-Kliniken

Die SPD-Opposition forderte von der Landesregierung mehr Geld für die
Krankenhäuser. Der Investitionsstau summiere sich inzwischen auf bis
zu 17 Milliarden Euro, bemängelte der Landtagsabgeordnete Thorsten
Klute. Dem würden die Haushaltsplanungen der schwarz-grünen Koalition
nicht gerecht.

 

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