«Cool»: Mamas zu Olympia - «Thema wird immer größer» Von Christian Kunz, Kristina Puck, Claas Hennig und Michael Rossmann, dpa

Mütter im Medaillenkampf: Kind und Karriere schließen sich längst
nicht mehr aus. In Paris wollen Mamas Topleistungen zeigen. Der Weg
dahin ist individuell. Begleitet von Fragen und Tabuthemen.

Paris (dpa) - Wenn Angelique Kerber und Gesa Felicitas Krause in
Paris um ihre Olympia-Ziele kämpfen, sind Liana und Lola in ihren
Herzen dabei. Die dreimalige Grand-Slam-Siegerin und die zweimalige
Hindernis-Europameisterin gehen bei den Sommerspielen erstmals als
Mütter an den Start. Sie haben damit schon einen bemerkenswerten Weg
gemeistert: Die Rückkehr in den Leistungssport. Den
Olympiasiegerinnen Jessica von Bredow-Werndl (Dressur) und Laura
Ludwig (Beachvolleyball) glückte dieses Kunststück gar schon
zweimal. 

«Tennis ist für mich schon mein Leben, deshalb bin ich auch
zurückgekommen, weil ich es liebe, Tennis zu spielen - und diese
Leidenschaft für den Sport einfach so groß ist», sagte die dreimalige

Grand-Slam-Siegerin Kerber, die vor rund anderthalb Jahren Tochter
Liana zur Welt brachte. Nach Silber 2016 will sie in Frankreich auch
als Mutter erfolgreich sein.

«Total schöne Reise»

Krause, die noch mit Baby-Bauch auf die Laufstrecke ging, wollte
ebenfalls unbedingt zurück. Wenngleich der Weg zum Comeback für sie
«auch ein Experiment» war. Wenige Monate nach Liana kam Lola auf die
Welt - und seitdem begleitet die Leichtathletin eine Erkenntnis, die
auch Nicht-Leistungssportler-Mamas nur zu gut kennen.

«Man lernt mit dem Muttersein, auf Knopfdruck zu funktionieren»,
sagte Krause der Deutschen Presse-Agentur über den Wechsel von
Kinderbetreuung und Wettkampfmodus. Über allem steht dabei für die
EM-Zweite der Titelkämpfe Anfang Juni in Rom die «Mutterliebe - und
das ist einfach eine total schöne Reise.»

Die Entscheidung, die Karriere für mindestens ein Jahr zu
unterbrechen und ein Kind zu bekommen, vielleicht sogar auf dem
Höhepunkt der Laufbahn, ist schwierig. Die Frage um die
Karrierefortsetzung - und damit auch die um Verträge, Kaderstatus
oder Sponsoren - treibt viele um. Nicht jede Mutter hat ein üppiges
Preisgeld wie Kerber in der Hinterhand.

Doppel-Olympiasiegerin «zieht den Hut»

«Vor Sportlerinnen, die während ihrer Karriere ein Kind bekommen,
ziehe ich den Hut. Es ist cool, dass sich immer mehr Frauen diesen
Schritt zutrauen», sagte Doppel-Olympiasiegerin Britta Steffen der
Deutschen Presse-Agentur. Für die mittlerweile zweifache Mutter kam
ein Kind während der Karriere nie infrage. «Ich wäre da immer hin-
und hergerissen gewesen», sagte die frühere Weltklasseschwimmerin.

Waren die Olympia-Mütter einst die viel bestaunte Ausnahme, kämpfen
nun immer mehr Mamas um Medaillen. «Das Thema wird immer größer. Es
gibt immer mehr Frauen, die ihre Karriere nicht beenden wollen, um
ein Kind zu bekommen. Einfach ist die Entscheidung nicht, weil sie
mit Risiken verbunden ist», erklärte Expertin Nina Ferrari von der
Deutschen Sporthochschule in Köln.

Es kommt auf die Sportart an

«Es ist ja nie gesagt, dass eine Schwangerschaft normal verläuft, und
auch jede Geburt ist anders», führte die Sportwissenschaftlerin aus.
Bei der Mutter-Frage kommt es zudem auf die Sportart an. «Im Turnen,
wo die Sportlerinnen oft sehr jung sind und das Alter ein
limitierender Faktor ist, stellt sich die Frage anders als etwa im
Rodeln, Bob oder Tennis.»

Auf ein exemplarisches Return-to-Sport-Protokoll kann man bei der
Vielfalt der Sportarten und erst recht wegen der unterschiedlichen
Geburten nicht zurückgreifen. «Da geht es um sehr individuelle
Themen, und es gibt keine Richtlinie», sagte Ferrari. 

Oft Tabu-Thema: Inkontinenz

Wichtig: Der Beckenboden muss entsprechend aufgebaut werden. Das
Tabu-Thema Inkontinenz, vielleicht auch erst in späteren Jahren, darf
nicht ausgeblendet werden. «Ich habe mir auch viele Gedanken gemacht
und großen Respekt gehabt», sagte Krause in dem Podcast Blut, Schweiß

& Training. «Falscher Ehrgeiz hat keinen Platz.» Früh band sie aber
das Laufen wieder in ihren Alltag ein. Beachvolleyballerin Ludwig
verzichtete länger auf Schnelligkeitstraining auf hartem Boden, «weil
ich meinen Beckenboden schonen wollte».

Pluspunkte kann frühzeitige Aktivität bringen. «Für junge Mütter

bringt das Training den Vorteil mit, dass sie weniger anfällig für
Stimmungsschwankungen oder den Babyblues sind», sagte Psychologin
Marion Sulprizio. Aber es sei wichtig, auf den Körper zu achten; und
die Erholung sei eben eine individuelle Sache.

Ohne Umfeld geht es nicht

Allgemeingültig ist dagegen für das Comeback: Ohne ein
funktionierendes Umfeld geht's nicht, nach der Geburt ist ein gutes
Team gefragt. Wichtig sind engmaschige gynäkologische Untersuchungen,
Physiotherapeuten müssen eingebunden werden, eine gute Hebamme am
Anfang hilft sehr. Ebenso wie ein einfühlsamer Trainer.

«Es ist das eine, sich zu sagen, ich kann es schaffen, als Sportlerin
ein Kind zu bekommen, ich bin motiviert. Auf der anderen Seite muss
man die neue Situation planen und organisieren», sagt Sulprizio.
«Dafür braucht man ein Team, einen Partner, der sich einbringt,
Familienangehörige wie die Oma oder eine Nanny. Vielen Sportlerinnen
fehlt dieses Umfeld - oder auch das Geld, weil das alles auch
finanziert werden muss.»

Ludwig mit Momenten zum «Heulen»

Bei Ludwig war der Spagat zwischen Sport und Familie so schwierig,
dass ihr Mann Imornefe Bowes irgendwann nicht mehr ihr Trainer sein
konnte. «Es gab Momente, in denen ich nur noch heulen konnte, weil
ich den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr gesehen habe. Als mein Mann
noch mein Cheftrainer war, waren wir beide zur selben Zeit
unterwegs», sagte die 38-Jährige Anfang des Jahres dem «Spiegel».
 

«Teo ist häufiger zu den Turnieren mitgereist, dafür war Lenny zu
klein. Ich war mit den Gedanken immer bei ihnen und hatte das Gefühl,
meine Familie zu zerreißen. Ich bin niemandem mehr gerecht geworden»,
sagte die erfolgreichste deutsche Beachvolleyballspielerin. Bowes
bleibt daher inzwischen bei den beiden Jungs in Hamburg. Neuer
Trainer wurde Anfang des Jahres der Österreicher Simon Nausch.

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