Klettern leichter als Laufen: mit Multipler Sklerose an der Wand Von Laura Walz, dpa

Die Krankheit Multiple Sklerose kann zu Muskellähmungen und
Sehstörungen führen. Trotzdem können Menschen mit MS Sport treiben -

sie sollen es sogar.

Stuttgart (dpa) - Der linke Fuß streift leicht den Boden, als Georg
Hoffmann in der Kletterhalle zur blauen Route an der Wand läuft. Das
Bein zieht er etwas steif nach, weil die Nervenkrankheit Multiple
Sklerose ihn teils lähmt. Sobald er jedoch den ersten Griff erreicht,
klettert er geschmeidig die 13 Meter hohe Wand in Stuttgart hoch. Von
der Einschränkung des Beines ist nichts mehr zu sehen. 

Hoffmann klettert schon seit 45 Jahren, er war Wettkampfkletterer mit
Weltcupstarts. «Klettern fällt mir mittlerweile leichter als Laufen»,

sagt der 60-Jährige. «Wenn man läuft, dann läuft man ja nicht
kognitiv, sondern man läuft halt einfach», sagt er. Bei ihm sei das
anders. «Ich muss mir das überlegen, was ich da mit meinen Füßen
mache - bei jedem einzelnen Schritt.»

Symptome zunächst ignoriert

2016 bemerkte der Stuttgarter zum ersten Mal Symptome: «Ich konnte
das Bein überhaupt nicht mehr ansteuern. Das habe ich aber ignoriert
und gedacht: Es wird schon wieder. Aber es wurde nicht.» Drei Jahre
später die Diagnose: Multiple Sklerose. Hoffmann kann deshalb sein
linkes Bein, den linken Fuß und die linken Zehen schlecht anheben. 

Nach der Diagnose folgte die Physio, aber der Stuttgarter hatte den
Eindruck, dass er mehr trainieren müsste als die verschriebenen ein-
bis zweimal pro Woche. «Da habe ich gedacht: Das kann ich auch
selber.» Schließlich ist er Landeskader-Trainer und langjähriger
Kletterhallen-Betreiber. Nun geht er zusammen mit seiner Frau Anke
zweimal in der Woche klettern.

Krankheit verläuft in Schüben

Multiple Sklerose, kurz MS, ist eine Erkrankung des Nervensystems,
bei der Entzündungen im Rückenmark und Gehirn auftreten. Diese
verhindern oder verlangsamen die Übertragung von Signalen innerhalb
des Körpers. Dabei treten mehrere, also multiple, Entzündungsherde
auf. Vernarbtes Nervengewebe wird als sklerosiert bezeichnet - daher
der Name Multiple Sklerose. Da sich der Angriff der Entzündungszellen
gegen körpereigenes Gewebe richtet, zählt MS zu den
Autoimmunerkrankungen.

Der Krankheitsverlauf ist höchst unterschiedlich, beginnt aber meist
mit motorischen Störungen wie Lähmungen und Sehstörungen. Manche
Betroffen bemerken zwischen den Schüben jahrelang keine
Verschlechterung und können ein normales Leben führen. Bei anderen
führt MS innerhalb weniger Jahre zu schweren Behinderungen. Die
Krankheit ist nicht heilbar, aber es gibt hochwirksame Behandlungen.
In Deutschland sind etwa 280.000 Menschen betroffen. Zu ihnen gehört
auch die langjährige Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu
Dreyer. 

Jeder Mensch mit MS soll, kann und darf Sport treiben

Die Sportwissenschaftlerin Stephanie Woschek von der Deutschen
Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) betont, dass viele Menschen mit
der Krankheit Sport treiben - auch im Breitensport und im
Leistungsbereich. Menschen mit MS müssten ihr Training aber immer
wieder etwas umstellen. Mal träten vielleicht Probleme mit dem
Fußheber auf, dann funktioniere der Arm nicht so gut, und auch Blase
oder Darm könnten gestört sein. «Aber prinzipiell soll, kann und darf

jeder Mensch mit MS Sport treiben», sagt Woschek.

Hinzu kommt: Wenn Nerven und neurologische Strukturen nicht gefordert
sind, bilden sie sich genauso wie Muskulatur oder Knochen zurück.
Deswegen müssten sie genauso trainiert werden, sagt Woschek. Das
gelte zwar für alle Menschen, besonders aber für MS-Betroffene. 

Gerade Klettern wird empfohlen

Hoffmann kann beim Klettern auf viel Erfahrung zurückgreifen. Ist
eine Sportart ein großer und fester Bestandteil des Lebens, sind
viele Automatismen antrainiert, wie Claudia Kern erklärt. Sie forscht
an der TU München zu Sport in der Prävention, Therapie und
Rehabilitation. Für Hoffmann seien diese routinierten Bewegungen
leichter abrufbar als für Leute, die eine Sportart noch nicht so
lange betreiben, sagt sie. «Je länger und öfter man so eine Bewegung

macht, desto mehr kann man diese verfeinern und präziser
ausarbeiten.»

Ausgerechnet Klettern ist eine der Sportartan, die Fachleute für
MS-Patienten als gut geeignet einschätzen. Denn Klettern ist eine
offene Bewegungshandlung, das heißt: Man kann die Bewegungen
variieren - je nachdem, wie ausgeprägt die Krankheit ist. «Dabei kann
der Tritt etwas weiter vorn oder weiter außen gesetzt werden»,
erläutert Kern.

Sport im Alltag integrieren

Hoffmann hat das Gefühl: Je mehr er sich bewegt, desto besser geht es
ihm. «Ich versuche schon immer alles, was geht, im Alltag zu
trainieren. Ich fahre möglichst keine Rolltreppe, keinen Fahrstuhl»,
sagt er. Die Fachleute geben ihm recht. Zahlreiche Untersuchungen
zeigen, dass Sport einen positiven Einfluss auf MS-Symptome hat.

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