UNAIDS: Weltweiter Kampf gegen Aids und HIV am Scheideweg Von Sabine Dobel, dpa

Kann Aids überwunden werden? Es gibt große Erfolge, doch das Programm
der Vereinten Nationen gegen Aids warnt: Fortschritte sind in Gefahr.

München (dpa) - Mit einem Aufruf zu einem stärkeren Kampf gegen HIV
und gegen die Diskriminierung besonders betroffener Gruppen hat in
München die Welt-Aids-Konferenz begonnen. Erstmals nach gut 30 Jahren
gastiert das weltgrößte Treffen zum Thema HIV und Aids damit wieder
in Deutschland. Seither gibt es immense Erfolge. Dennoch sind die
Vereinten Nationen noch weit von ihrem Ziel entfernt, die
Immunschwäche-Krankheit bis 2030 weitgehend zu besiegen. 

«Der Weg, der Aids beendet, ist kein Geheimnis. Es ist eine
politische und finanzielle Entscheidung», betonte das UN-Programm für
die Bekämpfung von Aids, UNAIDS, bei der Veröffentlichung seines
neuen Reports. Immer noch sterbe jede Minute ein Mensch an den Folgen
von Aids, sagte Winnie Byanyima, Exekutivdirektorin von UNAIDS. 

Wenn die Verantwortlichen jetzt die Mittel aufstocken und unter
anderem die Rechte von besonders betroffenen Gruppen schützten, könne
das UN-Ziel für 2030 noch erreicht werden. Zu diesen Gruppen zählen
Männer, die Sex mit Männern haben, Transgender-Menschen,
Sexarbeitende und Menschen, die Drogen injizieren. Erfolge im Kampf
gegen Aids gebe es insbesondere in Afrika südlich der Sahara, obwohl
dort die Zahlen weiter hoch sind. Vor allem in der Region Osteuropa
und Zentralasien stiegen jedoch die Neuinfektionen. 

Es gebe unglaubliche medizinische Fortschritte, sagte Sharon Lewin,
Präsidentin der Internationalen Aids-Society (IAS), die als weltweit
größte Vereinigung von HIV-Fachleuten die Konferenz organisiert. Aber
überall auf der Welt gebe es Hindernisse wie eine regressive Politik,
Angriffe auf die Menschenrechte, Fehlinformationen und finanzielle
Kürzungen.

Scholz sagt Deutschlands weitere Unterstützung zu

Bundeskanzler Olaf Scholz bekräftigte zum Auftakt der Konferenz das
gemeinsame Ziel, die Aids-Epidemie bis 2030 weitgehend zu beenden.
Als einer der größten Geber beteilige sich Deutschland im aktuellen
Zyklus mit 1,3 Milliarden Euro am Globalen Fonds zur Bekämpfung von
Aids; Tuberkulose und Malaria. Er reicht von 2023 bis 2025. Darüber
hinaus unterstütze Deutschland auch künftig UNAIDS und die
Weltgesundheitsorganisation.

Die UN wollen Neuinfektionen und Aids-assoziierte Todesfälle von 2010
bis 2030 um über 90 Prozent senken. Die Entscheidungen, die Staats-
und Regierungschefs in diesem Jahr treffen, werden laut UNAIDS
darüber bestimmen, ob dies erreicht wird und Aids bis 2030 damit
nicht mehr als Bedrohung für die öffentliche Gesundheit angesehen
werden müsse. 

Community präsentiert sich kämpferisch

Zum Auftakt der Konferenz, zu der bis Freitag an die 10.000
Teilnehmer erwartet werden, präsentierte sich die Community bunt und
kämpferisch. Tosenden Applaus gab es für den Auftritt des ugandischen
Trans-Mannes Jay Mulucha. Es sei wichtig da zu sein und gehört zu
werden, rief er vor hunderten Zuhörern. Zuvor hatte er geschildert,
wie gefährlich es für HIV-positive Transgender-Personen in Uganda
sei. Es sei nicht sicher, auf der Straße unterwegs zu sein, man laufe
Gefahr, geschlagen, angegriffen und festgenommen zu werden. «Ich muss
jeden Tag genau planen.» In Uganda droht seit 2023 bei «schwerer
Homosexualität» die Todesstrafe. UNAIDS fürchtet, dass die großen
Fortschritte des Landes im Kampf gegen HIV nun gefährdet sind. 

Für lokales Flair sorgten die Schwuhplattler, eine Gruppe schwuler
Schuhplatter - deren Mitglieder vor allem nach der Gründung vor rund
25 Jahren in bayerischen Trachtenvereinen oftmals nicht wohlgelitten
waren. 

Weit von Zwischenziel entfernt

Im vergangenen Jahr infizierten sich nach Daten des Reports rund 1,3
Millionen Menschen neu mit dem Virus. Als Zwischenziel sollten die
jährlichen Neuinfektionen bis 2025 auf unter 370.000 gesenkt werden -
im Jahr 2023 lag die Zahl damit aber immer noch 3,5-mal so hoch. 

Die Zahl der Todesfälle infolge von Aids war mit 630.000 zwar nur
noch halb so hoch wie noch 2010. Die Welt sei jedoch nicht auf Kurs,
um das Zwischenziel für 2025 zu erreichen, die Aids-bedingten
Todesfälle auf unter 250.000 zu reduzieren.

Auch wenn die Zahl der Menschen mit antiviraler Behandlung gestiegen
ist: Noch immer hat fast jeder vierte Betroffene keinen Zugang zu
lebensrettenden Medikamenten - die auch eine Weiterverbreitung des
Virus verhindern. Ausgerechnet Kinder sind benachteiligt: Haben von
den Infizierten ab 15 Jahren 77 Prozent Zugang, so sind es bei den
Kindern bis 14 Jahren nur 57 Prozent.

Dem UNAIDS-Report zufolge könnte sich die Zahl der mit HIV Lebenden,
die eine lebenslange Behandlung benötigen, bis 2050 auf etwa 29
Millionen stabilisieren, wenn die Politik jetzt die notwendigen
Maßnahmen ergreife. Es werde deutlich höhere Kosten verursachen, wenn
Aids nicht entsprechend bekämpft werde. Dann könne die Zahl der
Menschen, die lebenslange Unterstützung benötigen, auf 46 Millionen
steigen. Im Jahr 2023 waren es 39,9 Millionen. 

 

Erfolg im südlichen Afrika, Sorge um Osteuropa 

Die HIV-Neuinfektionen gingen laut UNAIDS seit 2010 weltweit um 39
Prozent zurück, im östlichen und südlichen Afrika sogar um 59
Prozent. In drei Regionen der Welt seien sie jedoch gestiegen: in
Lateinamerika sowie in der Region Naher Osten und Nordafrika, vor
allem aber in der Region Osteuropa und Zentralasien. 2023 wurden in
der Region Osteuropa und Zentralasien 140.000 neue Infektionen
gemeldet, ein Anstieg um 20 Prozent im Vergleich zu 2010. Die weitaus
meisten der neuen HIV-Infektionen konzentrieren sich auf Russland,
die Ukraine, Usbekistan und Kasachstan. 

Die Region ist zudem die einzige weltweit, in der sich die Zahl der
Aids-bedingten Todesfälle seit 2010 erhöhte, und zwar um 34 Prozent
auf 44.000 Tote im Jahr 2023. Test- und Behandlungsprogramme seien
für viele Menschen in der Region nicht verfügbar. Nur etwa die Hälfte

der Betroffenen dort erhalte eine antiretrovirale Therapie.

In Russland gebe es für Drogenkonsumenten kaum Zugang zu sauberen
Spitzen, es werde geleugnet, dass es Transgender-Personen überhaupt
gebe, schilderte Andriy Klepikov als ein regionaler Co-Vorsitzender
der Aids-Konferenz. Wie aber könne Menschen geholfen werden, die es
offiziell gar nicht gebe? 

Finanzielle Mittel fehlen 

Die globalen Finanzmittel für den Kampf gegen HIV in Ländern mit
geringem und mittlerem Einkommen gehen laut UNAIDS zurück. 2023
sanken sie im Vergleich zum Vorjahr um fünf Prozent auf
19,8 Milliarden US-Dollar (18,2 Milliarden Euro). Sie lagen damit um
9,5 Milliarden unter dem bis 2025 benötigten Betrag von
29,3 Milliarden US-Dollar. 

Noch viel zu lernen 

Der örtliche Kongresspräsident Christoph Spinner sagte mit Blick auf
1993, als die Welt-Aids-Konferenz in Berlin gastierte, damals habe es
wenig Hoffnung auf eine erfolgreiche Bekämpfung von HIV und Aids
gegeben. Man sei weit gekommen, Deutschland sei auf einem guten Weg.
Doch auch hierzulande gebe es viel zu lernen, sagte Spinner. Bayern
könne sogar von anderen deutschen Regionen lernen. Die Umsetzung
bewährter Strategien zur Schadensminderung wie Substitutionsprogramme
und sichere Drogenkonsumräume könnten Leben retten. «Wir fordern die

Behörden hier auf, der Wissenschaft zu folgen.» Die Staatsregierung
lehnt Drogenkonsumräume strikt ab, obwohl mehrere bayerische Städte
sie seit langem wollen und sie in anderen Bundesländern
selbstverständlicher Bestandteil des Hilfsangebots für
Drogenkonsumenten sind.

Prävention

Die Verwendung von Kondomen bleibt Experten zufolge die wirksamste
und kostengünstigste Methode zur HIV-Prävention, jedoch würden sie
immer weniger genutzt. Der Zugang zu Mitteln zur Prävention von
Infektionen wie der medikamentösen Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP)
sei außer in wohlhabenden Ländern gering. Hoffnungen ruhen auf
künftigen injizierbaren Medikamenten, die teils nur noch alle sechs
Monate verabreicht werden müssen, und auf Vaginalringen, die in der
Scheide antiretrovirale Substanzen abgeben.

 

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