Halbjährliche Spritze verhindert HIV-Infektion - Trendwende? Von Sabine Dobel

Eine HIV-Infektion muss heute nicht mehr tödlich enden, Therapien
ermöglichen ein weitgehend normales Leben. Doch Ziel bleibt,
Infektionen zu vermeiden - hier scheint es einen Meilenstein zu
geben.

München (dpa) - Ein halbjährlich gespritztes Medikament soll nach
Forscherangaben eine HIV-Infektion zuverlässig verhindern. Die
Studie, die im «New England Journal of Medicine» (NEJM)
veröffentlicht und auf der Welt-Aids-Konferenz in München vorgestellt
wurde, weckt damit große Hoffnungen im Kampf gegen Aids. 

Zugleich wird die Forderung an das Pharmaunternehmen Gilead laut, die
Herstellung preisgünstiger Generika zuzulassen, um das Mittel vor
allem in den stark von HIV betroffenen Gegenden des Globalen Südens
kostengünstig zugänglich zu machen. Das Mittel Lenacapavir ist in
mehreren Ländern - auch in Europa - bisher nur zur HIV-Therapie für
bestimmte Patienten zugelassen.

Keine einzige Infektion

An der Studie waren rund 5338 Mädchen und junge Frauen in Südafrika
und Uganda beteiligt, die ursprünglich HIV-negativ waren. Unter den
gut 2134 Teilnehmerinnen, die zwei Mal im Jahr Lenacapavir unter die
Haut gespritzt bekamen, gab es keine einzige Infektion. In den beiden
anderen Gruppen mit rund 3200 Teilnehmerinnen, die zwei
unterschiedliche Medikamente zur Präexpositionsprophylaxe (PrEP)
eingenommen haben, gab es hingegen insgesamt 55 HIV-Infektionen. 

Lenacapavir sei zu 100 Prozent effektiv gewesen, sagte die
Studienhauptautorin und Direktorin des Desmond Tutu HIV-Zentrums an
der Universität von Kapstadt Linda-Gail Bekker begleitet vom Applaus
der Zuhörer bei der Aids-Konferenz, dem weltgrößten
wissenschaftlichen Treffen zum Thema HIV.

Sharon Lewin, Präsidentin der Internationalen Aids-Society (IAS),
sprach von einem bahnbrechenden Fortschritt.

Das weitere Medikament Cabotegravir, das zur Behandlung mit HIV
lebender Menschen sowie zudem zur PrEP in Europa zugelassen ist,
schützt für etwa acht Wochen vor einer Ansteckung. Hierzu gab es eine
Studie im ländlichen Uganda und Kenia zur Umsetzbarkeit bei Männern
und Frauen in Afrika, die zeigte, dass viele die Injektion
bevorzugten, allein schon, weil sie Sorge hatten, die Tabletten zu
vergessen. 

Druck auf Hersteller 

Die UNAIDS-Exekutivdirektorin Winnie Byanyima sprach von
Wundermitteln. Sie rief speziell Gilead auf, alles zu tun, dass
Lenacapavir schnell und kostengünstig für Menschen vor allem in
Asien, Lateinamerika und Afrika zur Verfügung gestellt werden könne.
Es gebe keine Zeit zu verlieren. Byanyima verwies auf das UN-Ziel,
bis 2030 HIV nicht mehr als Bedrohung der öffentlichen Gesundheit zu
werten. Das seien noch sechs Jahre - doch nach wie vor infizierten
sich jährlich weltweit 1,3 Millionen Menschen neu mit dem Virus, jede
Minute stirbt ein Mensch an den Folgen von Aids.

Jared Baeten, Senior-Vizepräsident für Klinische Entwicklung von
Gilead Science, berichtete, eine zweite Studie mit Männern, unter
anderem auch mit Transgender-Personen als besonders von HIV
betroffene Gruppe laufe bereits. Die Ergebnisse würden Ende dieses
Jahres erwartet. Eine Zulassung von Lenacapavir als
Präexpositionsprophylaxe in vielen Ländern könne bis Ende 2025
möglich sein. Gilead sei schon jetzt mit Generika-Herstellern im
Gespräch. Es müsse aber sichergestellt sein, dass das Medikament in
hoher Qualität produziert werde. 

Einen Preis könne er derzeit nicht nennen, sagte Baeten. Jedoch sei
Gilead bemüht, Lenacapavir so schnell wie möglich zu einem günstigen

Preis gerade auch in Ländern mit hoher HIV-Inzidenz und geringen
Ressourcen verfügbar zu machen. Der von Aktivisten genannte Preis für
Lencapavir in den USA von 40.000 Dollar für eine Jahresbehandlung
betreffe nur bestimmte Patienten und werde nicht für die künftige
Prophylaxe gelten. 

«Das ist Musik in meinen Ohren», kommentierte Byanyima die Aussagen.
Sie erinnerte daran, wie schnell die Covid-19-Impfung zur Verfügung
gestellt werden konnte und verlangte: «Bewegt Euch schnell.»
Shareholder Value dürfe nicht im Vordergrund stehen. 

Am Rande der Welt-Aids-Konferenz hatten Aktivisten für die
Bereitstellung von Generika demonstriert. Sie könnten bei
Massenproduktion 100 US-Dollar pro Jahr kosten, womöglich auch nur 40
US-Dollar, argumentieren Aktivisten und zudem Forscher der
Universität Liverpool. Die Debatte um hohe Entwicklungskosten der
Pharmafirmen für Medikamente und die Debatte, ob diese Firmen dennoch
ihre Entwicklung für günstige Generika bereitstellen, ist immer
wieder Thema. 

Alternative zu Impfung? 

Weltweit wird weiter an einer Impfung geforscht. Die Prophylaxe mit
Lenacapavir sei aber - sofern sich die 100-prozentige Wirksamkeit auf
Dauer bestätige - effektiver als man von Impfungen hätte erwarten
können, sagte der örtliche Kongresspräsident Christoph Spinner,
Infektiologe am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität
München.

Hoffnung für junge Frauen im südlichen Afrika 

Vor allem junge Frauen in Afrika als besonders von HIV betroffene
Gruppe könnten von der lang wirksamen Prävention per Spritze
profitieren, unterstrich die Forscherin Bekker. Laut UNAIDS
infizieren sich wöchentlich weltweit 4000 junge Frauen, mehr als 3000
davon im Subsahara-Afrika. Teils werden Frauen wegen der Einnahme der
bisher gebräuchlichen täglichen oralen Präexpositionsprophylaxe mit
Pillen diskriminiert, etwa weil angenommen wird, sie seien bereits
infiziert. 

 

 

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