Adria mit Algenschleim Von Christoph Sator, dpa

Auf Italienisch klingt das gut: Mucillagine. Aber der glibbrige
Schaum kann einem das Bad im Meer arg vermiesen. Die Hoteliers in
Rimini&Co. hoffen, dass die Plage bald vorbei ist. Und nicht nur sie.

Rimini (dpa) - Die Adria, das Stück Mittelmeer zwischen Italien und
dem ehemaligen Jugoslawien sowie Albanien, gehört alles in allem nun
eher zu den friedlichen Meeren. Kein Vergleich etwa mit dem Atlantik
oder dem Pazifik, die sehr gewaltig werden können. Im Moment
allerdings braucht es an der einen oder anderen Stelle der Adria doch
einiges an Überwindung, um ins Wasser zu gehen. Was weniger an den
Wellen liegt, sondern vielmehr an: Algenschleim.

An verschiedenen Stränden in Italien, aber auch in Kroatien oder
Slowenien, treibt dieses Jahr ein glitschig-glibbriger Schaum an der
Oberfläche, mal mehr, mal weniger dick, durchsetzt mit kleinen
Bläschen. Manchmal sind es nur kleinere Flecken mit viel Platz
dazwischen, manchmal aber auch ein dichter Teppich. Die Farbe
changiert von Weiß über Gelb bis ins Bräunliche. Wer es freundlich
meint, sagt kaffeebraun. Die Gesundheit gefährdet der Schleim nach
einhelliger Einschätzung der Wissenschaft nicht. Giftig ist er schon
gar nicht. 

Nach dem Bad im Meer ein- oder zweimal unter die Dusche

Den Anfang nahm die Plage vor ein paar Wochen im Norden, im Golf von
Triest. Inzwischen sind weitere Städte betroffen, Ravenna zum
Beispiel, die Urlauberhochburg Rimini oder Ancona, noch weiter unten
im Süden. Am dortigen Stadtstrand ergab eine Umfrage von Italiens
öffentlich-rechtlichem Fernsehsender Rai nahezu unisono: Man kann
durchaus ins Wasser, muss aber anschließend unbedingt unter die
Dusche. «Klebrig», meint einer der Einheimischen. Andere klagen
darüber, dass es ziemlich kribbelt auf der Haut.

Mit Algenschleim - oder auch «Meeresrotz», wie manche sagen - haben
die Leute hier Erfahrung. Ende der 1980er, Anfang der 1990er war es
schon einmal schlimm. Mehrere Jahre hintereinander verdarb die
Mucillagine, wie das auf Italienisch heißt, damals das
Sommergeschäft. Auch 2006/07 war der Ekelfaktor recht hoch. Bislang
war dann nach einigen Tagen oder Wochen aber stets alles wieder
vorbei. Jetzt, in der Hauptsaison, sind die Sorgen natürlich
besonders groß. Wer mit Urlaubern sein Geld verdient, will am
liebsten gar nicht über Algenschleim sprechen. 

«Schmutziges Meer» schon vor Jahrhunderten

Aber eigentlich ist das Phänomen viel älter als der Massentourismus.
Einer der Ersten, dem es nachweislich auffiel, war der
Zisterziensermönch Paolo Boccone. Der passionierte Botaniker notierte
an den Stränden vor Venedig in der Adria schon 1697 «Reste von
verflochtenen und verwobenen Fasern, bedeckt mit Schleim». In der
Fachliteratur gibt es dafür schon seit anderthalb Jahrhunderten auch
den Begriff «mare sporco» («schmutziges Meer»). Auf alten Fotos aus

der Anfangszeit des Tourismus sind Männer in Badeanzügen und Frauen
mit Hut und Schirm zu sehen, die sich ob des Gestanks am Strand die
Nase zuhalten. 

In all der Zeit hat aber noch niemand eine alle überzeugende
Erklärung gefunden, warum es in der Adria - woanders übrigens nicht -
manchmal solchen Schleim gibt und sie dann wieder längere Zeit
verschont wird. Vermutet wird, dass besonders heiße Sommer mit
folglich hohen Wassertemperaturen in dem verhältnismäßig kleinen Meer

das Wachstum begünstigen - der Klimawandel also? Der Meeresbiologe
Roberto Danovaro von der Universität Ancona sagte der Tageszeitung
«La Repubblica»: «Die Adria ist ein tropisches Meer geworden. Wir
sind jetzt auf dem Niveau der Malediven, nur ohne die tropische
Farbe.» 

Tropische Temperaturen lassen Algen blühen

Vor einigen Tagen wurden tatsächlich 30 Grad Wassertemperatur
gemessen - Badewanne nahezu. Dann vermehren sich manche Algenarten
besonders gut. Vermutet wird auch, dass der viele Regen dieses
Frühjahr ungewöhnlich viel Wasser ins Meer gespült hat, was zur
Algenblüte beiträgt. Sicher ist, dass Italiens längster Fluss, der
Po, enorme Mengen Düngemittel, Pestizide und Fäkalien aus der
Landwirtschaft in die Adria spült. «Wenn alle diese Faktoren
zusammenkommen, können aus einigen Hundert Algen innerhalb weniger
Tage Hunderte Millionen werden, sagt Danovaro. 

Neben dem Tourismus gibt es eine weitere Branche, die besonders
leidet: die Fischerei. Wegen des Schleims kommen manche kleinere
Boote überhaupt nicht mehr aufs offene Meer hinaus: Die
Schiffsschrauben schaffen das nicht. Wenn es doch geht, müssen
mechanischen Teile oft in mühevoller Arbeit vom Schleim gereinigt
werden. Zudem gibt es immer wieder Schäden an den Netzen. Der
Branchenverband Fedagripesca forderte deshalb diese Woche Hilfe vom
Staat und die Einsetzung einer Expertenkommission.

Positiver Ausblick

Bei all den Klagen ist Meeresbiologe Danovaro optimistisch: Alles in
allem sei die Adria heute weniger verschmutzt als noch vor 40 Jahren,
sagt er. Zudem haben die Forscher festgestellt, dass der Algenschleim
derzeit an vielen Stellen quasi schmilzt und sich in weiße Flocken
auflöst - ein Zeichen, dass Bakterien im Meer dabei sind, ihn zu
zersetzen. Vielleicht sogar noch, bevor die große Menge der Urlauber
kommt.

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