Das gelbe Gift: Jakobskreuzkraut auf dem Vormarsch Von Janet Binder, dpa

Das gelbe Jakobskreuzkraut steht zurzeit in voller Blüte. Was
Naturschützer freut, besorgt Pferdehalter und Heubauern. Denn das
Kraut ist giftig und verbreitet sich schnell.

Verden (dpa) - Es steht im ganzen Norden in voller gelber
Blütenpracht: das Jakobskreuzkraut. Die Verbreitung hat nach Angaben
der Landwirtschaftskammer Niedersachsen in den letzten Jahren
deutlich zugenommen. «Es schießt überall wie Pilze aus dem Boden»,

sagte ein Sprecher. Das Jakobskreuzkraut ist zwar eine wichtige
Nahrungsgrundlage für Insekten, enthält aber Pyrrolizidinalkaloide,
die für Säugetiere stark giftig sind. «Die zunehmende Ausbreitung
beobachten wir deshalb mit großer Sorge», sagte eine Sprecherin des
niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums. 

Das heimische Kraut stellt vor allem für Pferde und Rinder eine
Gefahr dar. Auf der Weide meiden es Tiere bei genug Alternative in
der Regel, weil es bitter schmeckt. Getrocknet verliert es aber den
bitteren Geschmack. Die Tiere sind nach Angaben der
Landwirtschaftskammer nicht mehr in der Lage, die Pflanzenteile zu
meiden. Die Inhaltsstoffe können bereits in relativ kleinen Mengen zu
schweren Leberschäden bis hin zum Tod führen. Deswegen darf laut
Ministerium Heu, das Kreuzkräuter enthält, nicht als Futter genutzt
werden - weder für Heimtiere noch für Nutztiere. 

Pferdehalter sind alarmiert

Die Kontrolle ist schwierig. Weil sich das Jakobskreuzkraut stark
verbreitet, schlagen derzeit Pferdehalter Alarm. Martina Gerndt von
der Vereinigung der Freizeitreiter und -fahrer in Deutschland rief
wie bereits im Vorjahr im Umland von Verden eine Challenge aus:
Sieger ist, wer das meiste Kreuzkraut fachgerecht von seinen Weiden
und Mähwiesen entsorgt. Sie rechnet damit, dass die Menge von 2,5
Tonnen von 2023 «bei weitem» überschritten wird. 

Gerndt wünscht sich ein Monitoring des Jakobskreuzkrauts, um künftig
nachvollziehen zu können, wie stark sich die Pflanze verbreitet. Auch
befürwortet sie eine «Bannmeile» von 100 Metern um Pferdekoppeln und

Mähwiesen. 

Ministerium verweist auf Eigenverantwortung der Landwirte

Verpflichtende Bannmeilen lehnt das Landwirtschaftsministerium
allerdings ab. «Pauschal Blühstreifen abzumähen, ist nicht
zielführend», erklärte die Sprecherin. Stattdessen verweist das
Ministerium auf die Eigenverantwortung der Tierhalter und Landwirte.
Es rät, vorbeugend die Grasnarbe dicht und geschlossen zu halten. Bei
höheren Pflanzendichten könnten die Pflanzen vor Blühbeginn gemäht

oder die Fläche gemulcht werden. «Sollten diese Maßnahmen nicht
greifen, kann der Einsatz von Herbiziden durch sachkundige Personen
notwendig werden», heißt es vonseiten des Ministeriums. 

Der Nabu Niedersachsen verweist darauf, dass die wenigsten Landwirte
selbst vom Jakobskreuzkraut betroffen sind. «Mit den in der
konventionellen Landwirtschaft üblichen Mitteln der
Grünlandbewirtschaftung hat das Jakobskreuzkraut auf konventionell
bewirtschafteten Dauerweiden und Mähwiesen keine Chance», betonte
eine Sprecherin. 

Hof grenzt an gelbe Brachfläche an

Das Jakobskreuzkraut ist daher vor allem auf stillgelegten Flächen,
extensiv bewirtschafteten Weiden und Wiesen, aber auch auf
ungenutzten Flächen zu finden. Eine solche Fläche liegt direkt neben
Maike Rottstegge-Kochs Ponyhof mit Grünland für den Futteranbau im
Kreis Plön in Schleswig-Holstein. An ihren Feldern grenzt eine
Ackerbrachfläche, die übersät ist mit Jakobskreuzkraut. «Da wächs
t
wirklich nichts anderes mehr», sagt Rottstegge-Koch. Sie bemängelt,
dass bei Ackerbrachen, für die nach EU-Regelung die Landwirte viel

Geld bekämen, nicht auf die Diversität der Pflanzen geachtet werden
müsse.

Pro Pflanze bis zu 150.000 flugfähige Samen

Weil sie Angst hat um ihre Ponys, kontrolliert Rottstegge-Koch ihre
Flächen regelmäßig und reißt Stauden raus - eine Sisyphusaufgabe.
Ähnlich wie Löwenzahn bildet das Kraut pro Pflanze nach Angaben des
Landvolks Niedersachsen nach der Blüte bis zu 150.000 flugfähige
Samen, die vom Wind verbreitet werden. «Selbst wenn es nur 10.000
sind: Ein Samenkorn überlebt im Boden 15 bis 20 Jahre», sagt
Rottstegge-Koch. 

Sie plädiert daher für Abstandspflichten sowie einen
Beseitigungsanspruch - und verweist auf eine Bekämpfungspflicht in
der Schweiz. «Bei uns sind Betroffene vom 'Goodwill' des Nachbarn
abhängig», sagt Rottstegge-Koch. 

Nabu gegen Mulchen und frühes Mähen

Der Nabu lehnt indes ein frühzeitiges Mähen des Jakobskreuzkrauts
ebenso wie das Mulchen von Naturschutzflächen ab. Dadurch würden
unter anderem natürliche Strukturen von Wiesenameisen zerstört und
Nester von Bodenbrütern wie Braunkehlchen, Wachtel oder Dorngrasmücke
beseitigt, teilte eine Sprecherin mit. 

Blutbär kann helfen

Der Landwirt Andreas Frahm aus Neuengörs in Schleswig-Holstein setzt
bereits seit 2008 auf eine andere Beseitigungsart: den Blutbären -
auch Jakobskrautbär genannt. So heißt ein Schmetterling, dessen Raupe
die giftige Pflanze frisst. Nach eigenen Angaben hat Frahm ein
Verfahren entwickelt, mit dem er betroffene Flächen innerhalb von
vier Jahren fast frei vom Kraut bekommt. 

Sein Wissen gibt er an Landwirte, Pferdehalter, Behörden und
Gemeinden weiter. «Am besten nimmt man sich gleich ganze Ortschaften
vor», sagt Frahm. Nach eigenen Angaben befinden sich zurzeit in
Deutschland bereits 150.000 Hektar landwirtschaftliche Flächen nach
seinem Verfahren in «Bereinigung». «Das ist schon eine Hausnummer.
Aber in Deutschland sind drei Millionen Hektar akut betroffen oder
bedroht», so Frahm.

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