Mykoplasmen-Infektionen - woher kommt der aktuelle Anstieg? Von Sebastian Fischer, dpa
Überdurchschnittlich viele Menschen und vor allem Kinder und
Jugendliche leiden derzeit an Lungenentzündungen. Ausgelöst durch
einen besonderen Erreger: Mykoplasmen. Was steckt dahinter?
Berlin (dpa) - Spezielle Bakterien können schwere Lungenentzündungen
auslösen: die Mykoplasmen. Infektionen mit dem Erreger treten zwar
jedes Jahr auf, aber nicht in dem hohen Maße wie aktuell.
Was sind Mykoplasmen?
Der Erreger mit dem lateinischen Namen Mycoplasma pneumoniae ist kein
Virus, sondern ein parasitär lebendes Bakterium. «Mykoplasmen sind im
Wesentlichen auf den Wirt angewiesen, und das ist ausschließlich der
Mensch», erklärt der Biologe Roger Dumke, der am Institut für
Medizinische Mikrobiologie und Virologie am Uniklinikum Dresden das
Konsiliarlabor des Robert Koch-Instituts für Mykoplasmen leitet. Die
Erreger unterscheiden sich von anderen Bakterien darin, dass sie
keine Zellwände haben und daher nicht mit weit verbreiteten
Antibiotika wie Penicillin bekämpft werden können. Der Erreger wurde
bereits 1938 beobachtet.
Wie gefährlich ist eine Infektion?
Infektionen mit Mycoplasma pneumoniae verlaufen im Allgemeinen mild,
können aber manchmal auch schwerwiegend sein. Vor allem durch Husten
und Niesen wird der Erreger verbreitet. Die meisten Menschen erholen
sich ohne Medikamente. «Patienten mit intaktem Immunsystem können mit
dem Erreger relativ gut umgehen», sagt Dumke im Gespräch mit der
Deutschen Presse-Agentur. Manche jedoch brauchen spezielle
Medikamente, um wieder gesund zu werden. «Die entsprechenden
Antibiotika wirken gut», sagt der Wissenschaftler. Resistente Erreger
seien in Deutschland selten.
Wie sieht aktuell die Infektionslage aus?
«Wir haben aktuell wesentlich mehr Fälle, und damit auch einen
höheren Prozentsatz an schweren Erkrankungen», erklärt Dumke. «Die
Welle ist unbestritten.» Im Vergleich zu vor der Corona-Pandemie gebe
es einen Anstieg der Infektionen um das 10- bis 20-fache.
In seiner Gemeinschaftspraxis mit dem Schwerpunkt Lungenheilkunde in
München hat der Facharzt Frank Powitz seit Sommer weit mehr
Lungenentzündungen festgestellt als in den vergangenen Jahren,
darunter viele durch Mykoplasmen. Sein Leverkusener Kollege Norbert
Mülleneisen wiederum kann in seiner Praxis aktuell keinen Anstieg von
Mykoplasemen-Pneumonien feststellen.
Eine flächendeckende Untersuchung, ob Infektionen mit Mykoplasmen
vorliegen, gibt es hierzulande nicht. Eine Meldepflicht, sollte der
Erreger über einen Abstrich aus Nase oder Rachen oder einer Messung
im Blut festgestellt werden, hat in Deutschland nur Sachsen.
Nach Angaben der Landesuntersuchungsanstalt für das Gesundheits- und
Veterinärwesen gab es in dem Freistaat in diesem Jahr bis Mitte
September mehr als 12.000 Meldungen für eine Infektion. Darunter
fallen zwar auch andere Mykoplasmen-Arten als Mycoplasma pneumoniae,
aber dennoch ist der Lungen-Erreger dem Dresdner Mikrobiologen Dumke
zufolge hauptverantwortlich für den Anstieg. Zum Vergleich: 2023 lag
die Zahl der Mykoplasmen-Meldungen zu diesem Zeitpunkt bei rund
2.000, im Vor-Corona-Jahr 2019 bei knapp 1.200.
Warum kommt es jetzt vermehrt zu Infektionen?
Dumke spricht von einem späten Nachholeffekt nach der
Corona-Pandemie. Einerseits könne dieser mit Untertypen des Erregers
zusammenhängen. Alle paar Jahre gibt es dort leichte Veränderungen,
wodurch es auch früher schon zu Anstiegen der Infektionszahlen kam.
Nach dem Wegfall der Corona-Schutzmaßnahmen könnten mögliche
Veränderungen der Verteilung der Untertypen diesmal besonders
ausgeprägt sein - und so das Immunsystem von mehr Menschen umgehen.
Andererseits hatten nach Dumkes Auffassung die Menschen durch die
Hygienemaßnahmen während der Pandemie wenig Kontakt mit dem Erreger.
Die spezifische Immunantwort in der Bevölkerung in Deutschland auf
Mycoplasma pneumoniae müsse erst wieder aufgebaut werden. «Die Welle
wird sicherlich wieder abebben», sagt er. «Wann sie das tut, ist noch
nicht klar.»
Was sind Symptome?
Der US-Gesundheitsbehörde CDC zufolge kann es zwischen ein und vier
Wochen dauern, bis nach Kontakt mit den Bakterien Symptome auftreten.
Am häufigsten ähneln sie einer Erkältung: Husten, Müdigkeit, Fieber
oder Halsschmerzen. Bei Jüngeren können Durchfall, Erbrechen oder
Keuchen auftreten. Wenn es Komplikationen gibt, können auch
Asthmaanfälle oder schwere Lungenentzündungen dazukommen.
Die Krankheit beginnt eher schleichend und wird nicht unbedingt
sofort erkannt. Auch weil sie anders als bei einer typischen
Lungenentzündung - die unter anderem mit hohem Fieber, Schüttelfrost
und starkem Husten einhergeht - eher leichtes Fieber, trockenen
Husten und Kurzatmigkeit hervorruft. Nach Angaben des Münchner
Mediziners Powitz können Lungenentzündungen, die durch Mykoplasmen
entstehen, schwerer verlaufen und länger dauern als bei sonstigen
Erregern.
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