Neuer Streit um Sozialabgaben und Steuern

Offene Auseinandersetzung um gleich zwei Gesetze der Ampel-Koalition.
Der Vorwurf: Die Grünen bremsen bei einem Vorhaben des
FDP-Finanzministers, der wiederum bei einem Anliegen von SPD und
Grünen.

Berlin (dpa) - In der Ampel-Koalition ist neuer Streit über
eigentlich gemeinsam geplante Vorhaben ausgebrochen. Es geht um die
Frage, bis zu welcher Einkommenshöhe künftig Beiträge für die
Kranken- und Sozialversicherung fällig werden - und um die Anpassung
von Steuertarifen an die Inflation und das Existenzminimum. 

Lindner-Plan: Höhere steuerliche Freibeträge

Finanzminister Christian Lindner wirft den Grünen vor, seine Pläne
zur steuerlichen Entlastung zu blockieren. «Die Grünen sollten
Respekt vor den Steuerzahlern zeigen. Die gestern erklärte Blockade
aktueller Steuergesetze sollte aufgegeben werden», schrieb der
FDP-Chef auf X. 

Nach Lindners Plänen soll der sogenannte Grundfreibetrag - also der
Teil des Einkommens, der nicht besteuert wird - im kommenden Jahr um
312 statt 300 Euro steigen und zwar auf 12.096 Euro. Im Jahr darauf
sollen es dann 12.348 statt 12.336 Euro sein. Grundlage sind
Berechnungen zum Effekt der hohen Inflation und zum Existenzminimum
in Deutschland.

Der erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Johannes
Vogel, kritisierte die Haltung der Grünen ebenfalls: Wenn der
Ausgleich der Kalten Progression nicht bis Jahresende von Bundestag
und Bundesrat beschlossen werde, «würden die Steuern für Millionen
von Menschen durch die Hintertür erhöht», sagte er in Berlin. «Wir

dürfen nicht zulassen, dass der Staat sich an mit der Inflation
gestiegenen Löhnen bedient und damit die Menschen de facto ärmer
macht, stattdessen müssen wir die Menschen entlasten.»

Heil-Vorhaben: Höhere Beiträge für Gutverdiener

Die Grünen wiederum forderten Lindner auf, seinen Widerstand gegen
eine von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vorgelegte Anhebung der
sogenannten Beitragsbemessungsgrenze aufzugeben. In der
«Bild»-Zeitung hatte Lindner gesagt: «Solange keine Klarheit besteht,

dass wir die Steuerzahler von der kalten Progression befreien, kann
es keine Anpassung der Bemessungsgrenze bei den Sozialbeiträgen
geben.» 

Nach den Plänen von Heil sollen in den Sozialversicherungen künftig
auch bei höheren Monatseinkommen Beiträge fällig werden. Genauer: In

der gesetzlichen Rentenversicherung bis zu einem Monatseinkommen von
8.050 Euro und in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung
bis zu einer Grenze von 5.512,50 Euro monatlich. Aktuell liegen die
Grenzwerte deutlich niedriger. Wer mehr verdient, zahlt auf das
darüber liegende Einkommen keine Beiträge.

Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann mahnte, die Beiträge in der
Krankenversicherung und der Sozialversicherung müssten für die
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer klar und berechenbar sein. Daher
sei es jetzt notwendig, «dass der Finanzminister Christian Lindner
die Blockade der Verordnung zur Beitragsbemessungsgrenze endlich
aufgibt». Seit Wochen werde schon darum gerungen. Es müsse rasch
Klarheit darüber hergestellt werden, «damit am Ende nicht untere und
mittlere Einkommen mit höheren Beiträgen zu rechnen haben». 

Der stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende, Andreas Audretsch,
kritisierte Lindner ebenfalls. Er sagte: «Gestern Abend hatte er die
Verordnung zur Beitragsbemessungsgrenze noch freigegeben, heute zieht
er seine Zustimmung wieder zurück - das ist kein verlässliches
Regieren.»

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