Schmeißfliege könnte Verbrechensaufklärung erschweren

Tote Tiere stecken voller Leben: Im Kadaver eines Wisents weisen
Forscher ein Insekt nach, das nicht unbedingt zu erwarten war. Für
forensische Insektenkundler eine neue Herausforderung.

Würzburg/Nürnberg (dpa) - Eine klimabedingt nun auch in Mitteleuropa
vorkommende Schmeißfliege (Chrysomya albiceps) könnte die
Verbrechensaufklärung erschweren. Sie fresse andere Maden auf
Kadavern oder beeinflusse die Entwicklungszeit von Insektenlarven,
erklärte Kadaver-Ökologe Christian von Hoermann von der Universität
Würzburg. Ihre Anwesenheit erschwere Forensikern die Arbeit, da sie
schwerer einschätzen könnten, wie lange ein Kadaver schon liege.

«Ihr aggressives larvales Fressverhalten könnte die postmortale
Insektenuhr zurückdrehen, indem alle früheren Ankömmlinge beseitigt
werden», erklärt von Hoermann. «Für Forensiker ist es wichtig zu
wissen, wo diese Schmeißfliege vorkommt.» 

Insekten als Ermittlerhilfe

Insekten auf Leichen können eine wichtige Hilfe bei Mordermittlungen
sein. Hunderte von Insektenarten bevölkern dann den toten Körper -
und liefern Experten eine Vielzahl an Spuren. 

Besonders bedeutend sind dabei die Larven von bestimmten Fliegen und
Käfern. Experten können anhand des Insektenbefalls feststellen, wie
lange Leichen schon an einem bestimmten Ort gelegen haben - oder ob
sie zuvor schon an einem anderen Ort mit anderen Merkmalen und dann
auch anderen Insektenarten gewesen sind.

Viele Aasbesucher auf totem Wisent 

Von Hoermann hatte für ein Forschungsprojekt zusammen mit dem
Tiergarten Nürnberg, dem Nationalpark Bayerischer Wald und dem
tschechischen Nationalpark ?umava Ende Juli einen toten Wisentbullen
(Bison bonasus) im ?umava-Nationalpark ausgelegt - unweit zur
Landesgrenze Bayerns. Nach Angaben des Tiergartens war dies die erste
Auslegung eines Wisentkadavers unter gezielter wissenschaftlicher
Beprobung und Beobachtung in Mitteleuropa.

Mehr als zwei Monate beobachteten die Wissenschaftler, wie das Tier
zerfiel. Dabei sei erstmals die Schmeißfliege Chrysomya albiceps in
dem Nationalpark entdeckt worden. Bisher waren Funde nur aus wärmeren
Gebieten in Südeuropa, den orientalischen und tropischen Regionen
bekannt.

Von Hoermann und seine Kollegen werteten für das Projekt Aufnahmen
von Kamerafallen aus, sammelten Insekten mithilfe von im Boden
vergrabenen Becherfallen und erfassten Pilze und Bakterien mit
Mundschleimhautabstrichen. «Die große tote tierische Biomasse erlaubt
eine sehr hohe Individuenzahl an Aasbesuchern, was sich wiederum
positiv auf die 
erfasste Zahl der Arten und somit auf den Erhalt und die Förderung
der 
Biodiversität auswirkt», erklärte der Forscher.

Wisentkadaver kam aus Nürnberg

Der Kadaver stammte aus dem Tiergarten Nürnberg. Wisentkadaver seien
von hohem wissenschaftlichen Interesse, da die Art seit mindestens
200 Jahren in der Region ausgestorben und die Rolle ihrer Kadaver im
Ökosystem daher nicht bekannt sei, hieß es. Außerdem wiesen sie die
höchste Biomasse aller Landsäugetiere in Europa auf.

«Eine spannende Begebenheit aus dem ?umava-Nationalpark mit hoher
Relevanz nicht nur für die ganzheitliche Erfassung der Biodiversität,
sondern auch für die Aufklärung von Verbrechen», sagte von Hoermann.

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