Verbände legen Entwurf zur Legalisierung von Abtreibung vor
Bis zur 22. Schwangerschaftswoche sollen Abbrüche grundsätzlich nicht
mehr unter Strafe stehen - das fordert ein breites Bündnis von
Verbänden. Die Bundesregierung müsse jetzt handeln.
Berlin (dpa) - Ein breites Verbände-Bündnis drängt auf eine
Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen bis zur 22.
Schwangerschaftswoche. Dazu haben 26 Organisationen in Zusammenarbeit
mit Expertinnen der Reproduktionsmedizin einen eigenen Entwurf für
ein Gesetz erarbeitet und vorgestellt. Dieser sieht vor,
Schwangerschaftsabbrüche in den ersten 22 Wochen außerhalb des
Strafgesetzbuchs zu regeln und die Gesetzesparagrafen, auf denen die
Strafbarkeit beruht, abzuschaffen.
Die Organisationen, unter ihnen Pro Familia, der Deutsche Frauenrat
und die Gewerkschaft Verdi, wollten den Entwurf am Mittag an
Mitglieder der Bundesregierung und Abgeordnete des Bundestags
übergeben. Er solle ein «maßgeblicher Impuls an den Gesetzgeber»
sein, erklärte die Juristin Liane Wörner.
Eine Abtreibung ist in Deutschland nach Paragraf 218 des
Strafgesetzbuches grundsätzlich rechtswidrig, aber nicht strafbar,
wenn sie innerhalb der ersten zwölf Wochen stattfindet und die Frau
sich zuvor hat beraten lassen. Ohne Strafe bleibt ein Abbruch zudem,
wenn medizinische Gründe vorliegen oder wenn er wegen einer
Vergewaltigung vorgenommen wird.
Verbände pochen auf Beratungsanspruch anstelle von Pflichten
Neben der Entkriminalisierung von Abbrüchen bis zur 22. Woche sieht
der Entwurf der Verbände vor, dass es künftig für ungewollt
Schwangere anstelle der geltenden Pflichtberatung einen
Rechtsanspruch auf Beratung geben soll. Die Kosten für
Schwangerschaftsabbrüche sollen grundsätzlich von der Krankenkasse
übernommen werden. Ärztinnen und Ärzte sollen laut Entwurf aber
weiterhin die Möglichkeit haben, sich persönlich gegen die
Durchführung eines Abbruchs zu entscheiden. Auch
Schwangerschaftsabbrüche gegen den Willen einer Schwangeren sollen
dem Verbändeentwurf zufolge weiter unter Strafe stehen.
«Die Zivilgesellschaft schlägt der Politik hier ein ausgewogenes
Konzept vor, das sowohl den Schutz von Frauen im Prozess, als auch
den Schutz von Föten und die verfassungsgerichtlich festgestellte
Schutzpflicht berücksichtigt», erklärte Wörner, die wie die beiden
beteiligten Expertinnen Friederike Wapler (Universität Mainz) und
Maria Wersig (Hochschule Hannover) federführend an der Ausarbeitung
des Entwurfs beteiligt war. Die drei Frauen waren auch Teil einer von
der Bundesregierung eingesetzten Expertinnenkommission, die im April
dieses Jahres Empfehlungen zur Legalisierung von
Schwangerschaftsabbrüchen abgegeben hatte. In politisches Handeln
übersetzten sich diese Empfehlungen aber bislang nicht. Die
Bundesregierung erklärte damals, die Vorschläge intensiv prüfen zu
wollen und betonte, dass es sich um eine «hochsensible Materie»
handele.
Reaktion der Bundesregierung noch unklar
Der Entwurf der Verbände hat nur dann Konsequenzen, wenn die
Bundesregierung die Initiative aufgreift oder Abgeordnete die
Initiative für eine Gesetzesänderung ergreifen. Laut Wapler hat es
auch aus den Reihen der Ampel-Fraktionen positive Signale gegeben.
Die frauenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Leni Breymaier,
begrüßte den Vorstoß ausdrücklich. «Schwangerschaftsabbrüche ge
hören
nicht ins Strafgesetzbuch», sagte sie der dpa. Die Strafandrohung
habe inzwischen zu einer «massiven Unterversorgung, insbesondere in
Süddeutschland» geführt. «Was wir nicht brauchen, sind Regeln aus d
en
1990er Jahren, getragen von einer Geisteshaltung von vor hundert
Jahren.»
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