BGH hebt Verurteilung eines Mannheimer Polizisten auf
War es Selbstverteidigung oder ging ein Polizist zu brutal gegen
einen schizophrenen Mann vor? Der tödlich endende Einsatz beschäftigt
bald erneut das Landgericht Mannheim.
Karlsruhe (dpa) - Bei einem Polizeieinsatz kam im Mai 2022 ein
psychisch kranker Mann zu Tode. Nun muss sich das Mannheimer
Landgericht erneut mit dem bereits im ersten Anlauf heiß diskutierten
Fall beschäftigten. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Verurteilung
einer der beiden angeklagten Polizisten aufgehoben, wie das höchste
deutsche Strafgericht in Karlsruhe mitteilte. Ihm war im März vom
Landgericht wegen Körperverletzung im Amt eine Geldstrafe von 6.000
Euro auferlegt worden.
Die beiden Mannheimer Polizeibeamten waren zu dem tödlich endenden
Einsatz gerufen worden, um das spätere Opfer in die
Psychiatrie-Station des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit
(ZI) zurückzubringen. Der Mann wehrte sich dagegen, woraufhin die
Polizisten versuchten, ihm Handschellen anzulegen. Einer der Beamten
schlug dem Mann dabei unter anderem mit der Faust mehrmals gegen den
Kopf. Im Prozess ging es später vor allem um die Frage, ob die
Beamten sich selbst verteidigten, oder zu brutal vorgingen.
Das psychisch kranke Opfer litt an einer paranoiden Schizophrenie,
hatte immer wieder Wahnvorstellungen und halluzinierte. Lückenlos
sind Kontrolle und Verhalten auf Videoaufnahmen dokumentiert. Vor
allem in den sozialen Medien waren die Clips und Aufzeichnungen von
Überwachungskameras unzählige Male geteilt worden. Nach der Kontrolle
war der Mann im Krankenhaus gestorben, einem Gutachten der
Verteidigung zufolge durch einen Herzstillstand nach einem
Kreislaufversagen.
Landgericht: Beamten durften sich verteidigen
Das Landgericht entschied im März: Das Vorgehen der beiden Beamten
war überwiegend gerechtfertigt. Dem verurteilten Polizisten wurde die
Geldstrafe von 6.000 Euro auferlegt, sein mitangeklagter
Streifenpartner wurde freigesprochen. Der BGH bestätigte den
Freispruch im August - er ist somit bereits rechtskräftig.
Zwar wäre das psychisch kranke Opfer ohne den gewaltsamen Einsatz der
beiden Polizisten nicht gestorben, sagte der Vorsitzende Richter bei
der Urteilsverkündung in Mannheim. Der 47 Jahre alte Patient des
Zentralinstituts sei aus Sicht seines Arztes an jenem Tag aber in
einem psychischen Ausnahmezustand gewesen. Der Mediziner habe die
Polizei gerufen, weil er befürchtet habe, dass sich der Patient
selbst gefährde.
Die Polizisten seien nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet
gewesen, den herzkranken Mann auch gegen seinen Willen in das ZI
zurückzubringen, so der Richter. Polizeirechtlich gesehen habe eine
Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vorgelegen. Auch
hätten sich die Polizisten im Einsatz gegen Angriffe des späteren
Opfers verteidigen dürfen.
Die 120 Tagessätze zu 50 Euro musste der verurteilte
Polizeioberkommissar allerdings wegen Körperverletzung im Amt zahlen.
Er hatte dem Mann Pfefferspray in das Gesicht gesprüht und ihn
mehrere Male geschlagen. Das Pfefferspray sei berechtigterweise
gezogen worden, weil der Beamte nicht habe ausweichen können und sich
habe wehren dürfen, so das Gericht. Die Schläge seien aber «keine
gebotene Verteidigungshandlung».
BGH sieht zulasten des Angeklagten Rechtsfehler
Die Nebenklägerin im Prozess hatte gegen das Urteil Revision
eingelegt und eine härtere Verurteilung des Polizisten wegen
Körperverletzung im Amt mit Todesfolge angestrebt. Der Erste
Strafsenat des BGH stufte die Revision zwar als unbegründet ein, wie
das Gericht nun mitteilte. Allerdings habe die Überprüfung des
Urteils zulasten des Angeklagten Rechtsfehler ergeben. Die
Verurteilung wurde deshalb aufgehoben. Die Sache muss nun von einer
anderen Kammer des Landgerichts neu verhandelt und entschieden
werden.
Die Initiative «2. Mai», die im Zuge der damals ausgelösten
öffentlichen Debatte über Polizeigewalt gegründet wurde, erklärte,
das Urteil des Landgerichts sei hinter den Erwartungen der Familie
und vieler Prozessbeobachter zurückgeblieben. «Viele potenziell
Betroffene fühlen sich in Mannheim nicht mehr sicher. Diese Revision
ist auch für eine gesellschaftliche Aufarbeitung wichtig», hieß es in
einer Mitteilung.
Der Vorsitzende der Mannheimer Bezirksgruppe der Gewerkschaft der
Polizei (GdP), Thomas Mohr, erklärte: «Wir sind uns alle darüber
bewusst, dass der Verlust eines Menschenlebens tragisch ist, jedoch
dürfen wir die Umstände, unter denen dieser Einsatz stattfand, nicht
außer Acht lassen. Dieser Vorfall beweist erneut, wie wichtig es ist,
unsere Kolleginnen und Kollegen in herausfordernden Einsatzlagen zu
unterstützen und ihnen während des juristischen Bewertungsprozesses
Rückhalt zu geben.»
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