Fachmann hält Diphtherie-Impfpflicht nicht für sinnvoll

Diphtherie kann tödlich enden. Gerade kämpft ein zehn Jahre alter,
ungeimpfter Junge mit der Krankheit. Ein Fachmann hält eine
Impfpflicht aber nicht für sinnvoll.

Potsdam/Berlin (dpa) - Nach zwei Nachweisen von Diphtherie in der
Region Berlin-Brandenburg wird über die Schutzimpfung gegen die
lebensgefährliche Infektionskrankheit diskutiert. Die
Sechsfach-Impfung gegen Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Polio, Hib
und Hepatitis B gehört zu den Standardimpfungen für Babys. Zum
Zeitalter der Schuleingangsuntersuchung hätten 92 Prozent der Kinder
alle empfohlenen Diphtherie-Impfungen erhalten, erklärte das Robert
Koch-Institut.

«Die Durchimpfungsrate ist sehr gut», sagte Tobias Tenenbaum,
Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische
Infektiologie der dpa. Deswegen sei die Gefahr, dass es nach einem
Fall einen Ausbruch gebe, in Deutschland nicht so hoch. Allerdings
könne so ein Ausbruch dann passieren, wenn es eine empfängliche
Gruppe gebe, also zum Beispiel eine Schulklasse mit vielen
ungeimpften Kindern.

Fachmann: Keine erhöhte Bedrohungslage

Tenenbaum hält eine Impfpflicht gegen Diphtherie nicht für
zielführend. «Das wäre nur dann sinnvoll, wenn wir eine erhöhte
Bedrohungslage hätten.» Diese gebe es aber wegen der hohen Impfquoten
nicht - die Krankheit tauche kaum auf. 

Laut RKI gab es in den vergangenen Jahren stets eine ein- oder
zweistellige Zahl an Infizierten, nur 2022 und 2023 war die Zahl
dreistellig, was auch an einem internationalen Ausbruch unter
Geflüchteten lag. Andreas Sing, Leiter des Konsiliarlabors für
Diphtherie am Bayerischen Landesamt für Gesundheit und
Lebensmittelsicherheit ergänzte, dass die Fälle auch gestiegen sind,
weil die Überwachung und die Diagnostik besser geworden sind. Auch er
hält eine Impfpflicht für nicht sinnvoll.

Bei Masern hingegen müsse man sich mehr Sorgen machen, sagte
Tenenbaum, der auch Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
am Sana-Klinikum in Berlin-Lichtenberg ist. Gegen Masern sind
deutlich weniger Kinder vollständig geimpft, auch deswegen
verbreiteten sich Ausbrüche schneller. Seit 2020 ist es in Kitas und
Schulen vor der Neuaufnahme Pflicht, eine Masernimpfung vorzuweisen.

Zehnjähriger mit schweren Symptomen

Vor wenigen Tagen war bekanntgeworden, dass ein zehn Jahre alter
ungeimpfter Junge an Diphterie erkrankt ist, wie das Brandenburger
Gesundheitsministerium mitteilte. Der Junge musste
intensivmedizinisch behandelt und beatmet werden. Auch ein Mensch aus
dem familiären Umkreis des Kindes wurde zunächst positiv getestet,
erkrankte aber nur leicht. 

Die Impfung bietet laut RKI einen zuverlässigen Schutz gegen die
Symptome der Diphtherie, nicht aber vor der Infektion mit dem
Erreger. Die Ständige Impfkommission (Stiko) rät allen zu einer
Diphtherieimpfung. Normalerweise erhalten Säuglinge zur
Grundimmunisierung drei Dosen im Alter von zwei, vier und elf
Monaten. Eine erste Auffrischungsimpfung empfiehlt die Stiko bei
fünf- bis sechsjährigen Kindern, eine zweite im Alter von neun bis 17
Jahren. Erwachsene sollten den Impfschutz alle zehn Jahre auffrischen
lassen.

«Um sich anzustecken, braucht man einen engen, häuslichen Kontakt.
Diphtherie ist nicht so ansteckend wie Masern oder Corona», ergänzte
Sing. Die Sterblichkeit bei Diphterie liege in Deutschland etwa bei
fünf Prozent.

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