Klinikreform: Weniger Krankenhäuser, mehr Qualität? Von Jörg Ratzsch und Sascha Meyer, dpa
Die Krankenhausreform der Ampel ist auf dem Weg. Sie soll die
medizinische Versorgung verbessern. Kritiker warnen vor dem
Gegenteil: weniger Behandlungsmöglichkeiten, vor allem auf dem Land.
Berlin (dpa) - Weniger Krankenhäuser im Land, dafür bessere Qualität
und mehr Spezialisierung - das sind die Ziele einer großangelegten
Krankenhausreform, die der Bundestag beschlossen hat. Nach zwei
Jahren Vorbereitung brachten SPD, Grüne und FDP die Reform in
namentlicher Abstimmung mit ihrer Mehrheit auf den Weg. Die
Opposition lehnte die Pläne ab.
Das Vorhaben muss noch durch den Bundesrat. Es ist dem Gesetzentwurf
zufolge dort zwar nicht zustimmungsbedürftig, kann aber im
Vermittlungsausschuss aufgehalten werden. Die Pläne stoßen auf
Zustimmung, aber auch auf viel Kritik. Befürchtet wird etwa eine
Verschlechterung der Versorgung.
Zahl der Kliniken wird sinken
Vorgesehen ist, die bisherige Vergütung mit Pauschalen für
Behandlungsfälle in Kliniken zu ändern. Künftig sollen sie 60 Prozent
der Vergütung schon für das Vorhalten bestimmter Angebote bekommen.
Das soll den Druck senken, möglichst viele Fälle zu behandeln.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte, mit der Reform werde
die Behandlungsqualität in deutschen Krankenhäusern gesteigert und
ein flächendeckendes Netz guter Kliniken im Land erhalten.
«Gleichzeitig werden nicht notwendige Krankenhäuser abgebaut oder
umgewandelt.» Die konkrete Umsetzung der Reform soll Schritt für
Schritt über mehrere Jahre erfolgen, wird also für Patienten nicht
sofort spürbar sein.
Vor der Abstimmung warb Lauterbach noch einmal für das Vorhaben. «Wir
brauchen diese Reform, und zwar jetzt.» Der Krankenhaussektor im Land
sei in einer Krise. Die Versorgung sei sehr teuer. «Wir haben ein
Nebeneinander von Über-, Unter- und Fehlversorgung.» Als Beispiel für
Überversorgung nannte er den häufigen Einbau von Knie-Prothesen, weil
dies für Kliniken lukrativ sei.
FDP: Kein Krankenhaussterben auf dem Land
Oppositionspolitiker kritisierten das Ampel-Vorhaben. So fehle eine
Finanzierung für die Übergangsphase, bis die Reform wirke, und eine
Analyse, wie sich die Reform auswirken werde. Geäußert wurde außerdem
die Befürchtung, dass sich die Klinik-Versorgung vor allem auf dem
Land verschlechtern wird.
Dass auf dem Land ein großes Krankenhaussterben einsetzen werde, sei
Schwachsinn, entgegnete die FDP-Gesundheitspolitikerin Christina
Aschenberg-Dugnus. «Das wollen wir ja gerade verhindern mit dem
Gesetz.» Lauterbach betonte, dass Abbau nur dort stattfinden solle,
wo es eine Überversorgung gebe. Kleinere Häuser auf dem Land bekämen
Zuschläge, damit sie überleben könnten.
«Höchste Krankenhausdichte in Europa»
Deutschland habe mit rund 1.700 Krankenhäusern die höchste
Krankenhaus- und Bettendichte in Europa, heißt es vom
Gesundheitsministerium. Viele Betten seien aber nicht belegt.
Kliniken schreiben rote Zahlen.
Das neue Bezahlsystem soll finanziellen Druck mindern und verhindern,
dass Kliniken etwa medizinisch unnötige Operationen aus Umsatzgründen
machen. Grundlage der Finanzierung durch die Krankenkassen sollen
«Leistungsgruppen» sein. Sie sollen die jeweiligen
Klinik-Behandlungen genauer beschreiben und bundeseinheitliche
Qualitätsvorgaben absichern.
400 Kliniken weniger?
Die gesetzlichen Krankenkassen begrüßen mehr Spezialisierung. Der
Chef der Techniker Krankenkasse, Jens Baas sprach von einer richtigen
Weichenstellung für eine bessere Qualität in den Kliniken. «Es ist
höchste Zeit, dass komplizierte Behandlungen stärker in größeren
Kliniken zentralisiert werden. Es kann nicht mehr jedes Krankenhaus
die komplette Bandbreite der Behandlungen anbieten.» Die Kassen
warnen allerdings auch vor weiteren Kostensteigerungen durch die
Reform.
Von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) kommt grundsätzliche
Zustimmung für Ziele der Reform. Auf 20 bis 30 Prozent der Standorte
oder 400 Häuser könne durch Fusionen oder Umwandlungen durchaus
verzichtet werden, sagte DKG-Chef Gerald Gaß im Deutschlandfunk. Er
mahnte aber einen «planvollen Transformationsprozess» an und sprach
mit Blick auf die Reform von einem Blindflug.
Widerstand in den Ländern
Widerstand droht weiterhin aus den Ländern, die für die
Krankenhausplanung zuständig sind. Zwar hatte sich
Gesundheitsminister Lauterbach optimistisch gezeigt, dass die Reform
im Bundesrat nicht aufgehalten wird. Doch die Kritik aus den Ländern
ist weiter stark: So warnte die Vorsitzende der
Gesundheitsministerkonferenz der Länder, Schleswig-Holsteins
Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken, mit der Reform sei die
Sicherung der Grund- und Notfallversorgung gerade im ländlichen Raum
akut gefährdet und unkontrollierte Klinik-Insolvenzen würden sich
fortsetzen.
Die CDU-Politikerin forderte eine Überbrückungsfinanzierung für die
Krankenhäuser bis zum Wirken der Reform und kündigte an, sich für die
Anrufung des Vermittlungsausschusses im Bundesrat einzusetzen, um das
Gesetz zu verändern.
Ein ganz anderes Argument brachte der CDU-Verteidigungspolitiker
Johann Wadephul am Freitag ins Spiel: Er warnte im Bundestag mit
Blick auf mögliche Klinikschließungen davor, «dass wir diese
Krankenhäuser in einem militärischen Notfall zur Versorgung von
Soldatinnen und Soldaten dringend brauchen werden». Wadephul verwies
dabei auf die Warnungen deutscher Geheimdienste vor einer zunehmenden
Bedrohung durch Russland.
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